Anethum graveolens. Gartendill. Umbelliferae.
Name: Anéthum gravéolens L. (= Pastinaca graveolens Bernh., = Ferula graveolens Sprengel, = Angelica graveolens Steudel 1841 in syn., =Peucedanum graveolens Clarke 1879, Baillon 1880, nec S. Watson, = Selinum anethum Crantz 1767, Roth 1788, = Pastinaca anethum Sprengel, = Peucedanum anethum Jessen 1879, = Anethum arvense Salisb. 1796, Besser 1820, - Selinum pastinaca [sic] Roth 1827 pro syn. [nec Roth 1789], = Anethum sowa Roxb., = Peucedanum sowa Kurz, = A. benevolens, [Virgi] Lunell 1916). Gemeiner Dill, Dillfenchel, Gurkenkraut, Teufelsdill. Französisch: Aneth, aneth odorant, fenouil puant, f. Câtard; englisch: Dill; italienisch: Aneto puzzolente; dänisch: Dild; litauisch: Krapas; polnisch: Koper; russisch: Ukrop; tschechisch: Kopr zahradní; ungarisch: Kapor.
Verbreitungsgebiet: Weiteres Vorkommen: Mittelmeergebiet, Südafrika (ob ursprünglich ??). Angebaut und verwildert im größten Teil Europas, Nordamerikas, West-Indiens. Chiles, Paraguays, Tonkins.
Namensursprung: Der Gattungsname "Anethum" ist eine Übersetzung des griechischen ἂνηθον [ánethon], eines Pflanzennamens bei Aristophanes, der sowohl unserm Anethum graveolens als auch Pimpinella anisum entspricht. Abgeleitet ist der Name angeblich von ἂημι [aëmi] = ich hauche in bezug auf den starken Geruch der Pflanze. Die Ableitung des Namens Dill (althochdeutsch tilli, tilla) ist unsicher. Eine Erklärung bringt ihn in Zusammenhang mit dem Wort "teilen" wegen der geteilten Blätter oder der Teilung der Doldenstrahlen. Nach einer Auslegung von Prior (Popular Names of British Plants, 1870) ist "Dill" von dem alten nordischen Wort dilla = sich beruhigen wegen der karminativen Eigenschaften der Pflanze abgeleitet worden.
Volkstümliche Bezeichnungen: Nach der scheibenartig ausgebreiteten Dolde heißt die Pflanze Dillschei(b)m (Egerland), Tiglscheim (Erzgebirge). Da das Kraut zum Einmachen von Gurken benutzt wird, nennt man es auch Gorkatila = Gurkendill (Schlesien), Aumu(r)kenkraitl (Wien), Kukumerkraut (Franken), Murkenkräutl (Steiermark). Kapper, Kapperkraut (Steiermark) kommen aus dem slowenischen kopar = Dill.
Botanisches: Der Dill ist eine einjährige 40-80 cm hohe Pflanze. Aus dünner spindelförmiger Wurzel erhebt sich der dünne, runde, weißgestreifte Stengel. Dieser ist oberwärts ästig und trägt die mehrfach gefiederten Blätter mit fadenförmigen, weißspitzigen Zipfeln. Die kurzen Blattscheiden sind weißberandet und haben an der Spitze zwei öhrchen. Die Blüten sind gelb. Hülle und Hüllchen fehlen. Die Früchte sind oval und scheibenförmig, im Querschnitt flach. (Beim sehr ähnlichen Fenchel haben die Früchte einen halbkreisförmigen Querschnitt.) Das Kraut hat einen eigentümlichen Wohlgeruch. Die Pflanze blüht im Juli bis September. Aus dem Orient stammend, wird die Pflanze überall angebaut und verwildert gelegentlich.
Geschichtliches und Allgemeines:
Der Dill ist eine uralte Küchen- und Arzneipflanze. Die im Papyrus Ebers gegen Kopfschmerzen und zur Erweichung der Blutgefäße empfohlene amnest-Pflanze wird für Dill gehalten. Auch die Juden Palästinas bauten ihn an, wie aus einer Stelle des Neuen Testaments zu schließen ist (Matth. XXIII, 23). Nach Dioskurides befördert die Abkochung der Früchte die Milchabsonderung, hilft bei Leibschmerzen, vertreibt Blähungen, stillt Erbrechen und treibt den Harn. Jedoch soll der Dill bei zu langem Gebrauch der Sehkraft schädlich sein. Nach Mitteleuropa scheint die Pflanze durch die Römer gekommen zu sein. Im Capitulare Karls des Großen ist sie erwähnt und war auch im 10. Jahrhundert in England schon bekannt. Die Kräuterbücher des 16. Jahrhunderts bringen über den Dill als Heilpflanze dasselbe wie die antiken Schriftsteller. Die Dillfrüchte und das aus ihnen gewonnene Öl wurden früher in den Apotheken viel verwendet zur Stillung des Erbrechens und des Schlucksens, ebenso wurden sie bei krampfhaften Unterleibsbeschwerden gebraucht.
Im Volksglauben gilt der Dill, wie alle aromatischen Kräuter, als dämonenvertreibend, auch soll er der Braut die Herrschaft in der zukünftigen Ehe verschaffen können. In Alt-Reetz im Oderbruch versieht sich die Braut mit Senf und Dill und sagt während der Ansprache des Predigers:
Während des Weltkrieges wurde der Dill in Mitteleuropa als Ersatz für Kümmel verwandt.
Wirkung
Als stuhlerweichendes, uterusreinigendes Mittel wird der Dill schon vor Hippokrates (Fuchs, Hippokrates Sämtl. Werke, Bd. 2, S. 368, Bd. 3, S. 381, 569, 636.) gerühmt.
Gegen Lungenaffektionen, äußerlich gegen Nasenbluten verordnete ihn die hl. Hildegard (Der Äbt. Hildegard Causae et Curae, S. 165, 177.).
Paracelsus (Paracelsus, Sämtl. Werke, Bd. 1, S. 868, Bd. 2, S. 69, Bd. 3, S. 213, 389, 460, 548.) verordnet das Öl aus Dillsamen als Karminativum, Stomachikum, Galaktagogum, gegen Vomitus, üblen Mundgeruch, Kopfschmerzen infolge Katarrhen, bei Hämorrhoiden und Kondylomen, das Kraut als Diuretikum.
Als ruhe- und schlafbringendes Mittel wird der Dill von Bock (Bock, Kreutterbuch, 1565, S. 167.) bezeichnet, der für Samen und blühende Zweigspitzen die gleichen Indikationen wie Paracelsus angibt, aber auch auf die anaphrodisierende Wirkung hinweist.
Den äußerlichen Gebrauch empfiehlt Matthiolus (Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 264.) bei Uterusschmerzen (Dampfbad), zum Zerteilen von Geschwülsten und Geschwüren, namentlich der Genitalien, und gegen Nabelbrüche der Kinder.
v. Haller (v. Haller, Medicin. Lexicon, 1755, S. 85.) rühmt die erweichende, grimmen- und schmerzstillende Kraft, die sich besonders bei Uterusbeschwerden wirksam gezeigt habe.
Zur Anregung der Milchsekretion wurde der Dillsamen von Osiander (Osiander, Volksarzneymittel, S. 385.) empfohlen, eine Wirkung, die ihm die Volksmedizin auch heute noch zuschreibt. Außerdem findet er im Volke als diuretisches, emmenagoges und schlafbringendes Mittel Anwendung (Schulz, Wirkg. u. Anwendg. d. dtsch. Arzneipfl., S. 238.). Dillwasser wird als Hausmittel bei Flatulenz der Kinder gebraucht (Brit. Pharm. Codex, S. 128.).
Leclerc (H. Leclerc, Précis de Phytothérapie, S. 151, Paris 1927.) lobt es als angenehmes und prompt wirkendes Mittel bei Schlucksen und Erbrechen.
Die Früchte von Anethum graveolens sind mit der chinesischen Droge Hsiao-huai-hsiang, die in ihrer Heimat gegen Lendenschmerzen, Nephropathien, Dyspepsie und giftigen Schlangenbiß Verwendung findet, identisch (Tsutomu Ishidoya, Chinesische Drogen, Teil I, S. 89.).
v. Grot (v. Grot, Histor. Studien aus d. Pharm. Inst. d. Univ. Dorpat, S. 110, Bd. 1, Halle 1889) weist auf die scheinbar sich widersprechenden Angaben der Wirkung des Dills hin. Innerlich gegeben soll er stopfend wirken, als Stuhlzäpfchen gegenteilig. Ähnliche Beobachtungen sind mit der Pfefferminze gemacht worden. Der Verfasser sieht die Ursache der abführenden Wirkung als Stuhlzäpfchen in dem Anethol (das Anethol ist eine falsche Bezeichnung für einen Bestandteil des Dillöles. Es ist im Dillsamen nicht enthalten, gemeint ist wahrscheinlich das Carvon) bzw. Menthol, die bei lokaler Applikation die Mastdarmschleimhaut stark reizen.
Das Kraut enthält als wichtigsten Bestandteil ätherisches Öl mit Carvon (30-60%) und Dillapiol (Schimmel, Ber. 1903, Ap. 24.), außerdem Myristicin (Schimmel, Ber. 1927, 25.) u. a.
Nach meinen Beobachtungen im Tierversuch ist im Dill eine Substanz enthalten, die zunächst erregend, dann lähmend und in noch stärkeren Dosen tödlich wirkt. Diese Substanz ist im jungen, grünen Dill stärker vorhanden als in vergilbten Pflanzen im Herbst. Wässerige Extrakte zeigten keine Wirkung, positiv waren Methanolextrakte. Bei der Prüfung der schwärmhemmenden Wirkung mit wäßrigen Extrakten auf Proteusbakterien ergab sich, daß die Extrakte aus frischen Pflanzen nicht schwärmhemmend wirkten, wohl aber die Extrakte aus vergilbten Herbstpflanzen. Bei Selbstversuchen mit Dill in größeren Mengen zeigte sich eine Verlängerung der Schlafzeit, die auch bei zwei anderen Personen beobachtet wurde. Kleinere Mengen von 2 g sind beim Menschen in dieser Beziehung wirkungslos.
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Dänemark: Blüten und Samen als Galaktagogum und Diuretikum, ferner gegen Blähungen und Singultus; äußerlich als Dampfbäder gegen Unterleibsleiden.
Italien: Gegen Erbrechen und als Galaktagogum.
Litauen: Die Samen als Infus mit Honig gegen Husten und Scharlach.
Norwegen: Die frische Wurzel als Augensalbe, die getrocknete als Wundpulver, die Samen gegen Kolik (I. R.-K.).
Polen: Kraut und Früchte als Karminativum, die Früchte als Galaktagogum.
Ungarn: Als schmerzstillendes Mittel, insbesondere bei Magen- und Uterusschmerzen, als Diuretikum, zur Erleichterung der Geburt, gegen Übelkeit und Verdauungsschwäche.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Anethum graveolens wird als Karminativum, Stomachikum (Dyspepsie, Diarrhöe, Vomitus) und Galaktagogum verordnet. Infolge seiner schmerzstillenden und beruhigenden Wirkung wird es auch häufig bei Schlaflosigkeit und Koliken aller Art, insbesondere solcher des Magen-Darmsystems gegeben.
Seltener findet es Anwendung als Geburtsmittel, Emmenagogum, Anaphrodisiakum, ferner bei Darmgeschwüren, Hysterie, bei katarrhalischen Beschwerden der Lunge und äußerlich bei skrofulöser Augenentzündung und als Packung (lauwarm) bei Drüsenstockungen.
Anethum graveolens wird vorzugsweise im Teegemisch mit Mentha piperita und Foeniculum verordnet.
Angewandter Pflanzenteil:
Hippokrates gebrauchte die Dillsamen.
Dioskurides verwendete die trockene Dolde und die Samen, ferner ein aus den frischen Blüten hergestelltes Dillöl.
Bock und Matthiolus kennen die Verwendung von Kraut, Blüten und Samen.
v. Haller nennt das Kraut.
Nach Geiger waren das Kraut und die Früchte mit den Samen, Herba et Semen Anethi, offizinell.
In der neueren Literatur (Zörnig, Schulz. Brit. Pharm. Codex, Hager) wird nur die Verwendung der Dillsamen erwähnt.
Als wirksame Substanz für die Herstellung der Arzneimittel sind die im Herbst gesammelten frischen Samen vorzuziehen, jedoch kann auch das blühende frische Kraut Verwendung finden. Das "Teep" wird aus den frischen Samen hergestellt.
Dosierung:
- Übliche Dosis:
In der Homöopathie:
Maximaldosis:
Rezepte:
Als Carminativum, Galaktagogum und gegen Schlaflosigkeit:
- Rp.:
1 Teelöffel voll wiegt 3 g. Auf Grund dieser Befunde wird der Tee zweckmäßig heiß unter Verwendung von 1 knappen Teelöffel voll auf 1 Teeglas verwendet.).
Als Beruhigungsmittel (nach Kroeber):
- Rp.:
Bei Insomnie (nach Meyer):
- Rp.:
Zur Förderung der Milchsekretion (nach Meyer):
- Rp.:
Äußerlich bei Geschwülsten (nach Dinand):
- Rp.:
Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.