Uva ursi. Bärentraube. Ericaceae.
Name: Arctostáphylos uva úrsi(L.) Spr. (= Arbutus uva ursiL., = Arctostaphylos officinalis Wimm. et Grab., = Uva ursi buxifolia S. F. Gray, = Uva ursi procumbens E. Mey., = Mairania uva ursi Desv.). Bärentraube. Französisch: Busserole officinale, raisin d'ours, bouisserole, arbousier trainant; englisch: Common Bearberry; italienisch: Uva d'orso, uva ursina; dänisch: Melbärrisblade; norwegisch: Melbaer; polnisch: Macznica, Niedzwiedzie grono; russisch: Toloknianka; schwedisch: Mjölon; tschechisch: Medvědica lékařská; ungarisch: Medveszöllö.
Weiteres Vorkommen: Altai, Baikalgebiet, nördliches Sibirien (72°nördl. Breite) Nowaja- Semlja, Kamtschatka. Gebirge von Nippon, Nordamerika, Ost- v. Westgrönland.
Namensursprung: Arctostaphylos kommt vom griechischen _ρχτος (árktos) = Bär und οταφνλ_ (staphyle) = Traube, also Bärentraube. Die gleiche Bedeutung hat Uva ursi. Das deutsche Wort Bärentraube ist eine Übersetzung von Arctostaphylos. Der Name Arctostaphylos kommt wohl zuerst bei Galenus vor.
Volkstümliche Bezeichnungen: Nach ihrem Standort heißt die Pflanze auch Steenbeere = Steinbeere (z. B. Lüneburger Heide). Rausch, Rauschgranten (Tirol, Graubünden), Granten, Mehl-, Stangranten. Totenmyrte (Schlesien) und Wilder Buchs (Berner Oberland) gehen auf die immergrünen Blätter. Im Wallis (Zermatt) ist die Bezeichnung "Chleckbeere" gebräuchlich.
Botanisches: Der niedrige Halbstrauch mit weitkriechenden Ästen und aufwärts gebogenen Zweigen ist in Europa und Amerika heimisch. Seine immergrünen Blätter sind verkehrt eiförmig. Die rötlich-weißen Blüten stehen in endständigen Trauben. Sie besitzen einen fünfteiligen Kelch und eine fast eirunde, glockige Krone mit fünfspaltigem Saum. Die Frucht ist eine kugelrunde, scharlachrote Beere, die fünf Kerne enthält. Blütezeit: April und Mai. Im Gegensatz zu den Vacciniumarten ist Arctostaphylos uva ursi gegen Bodenfeuchtigkeit sehr empfindlich. Die alte, nordische Heilpflanze bildet in den Kiefernwäldern Norddeutschlands oft große zusammenhängende Teppiche. Auch in den Alpen ist sie nicht selten. Sie geht sogar über die Baumgrenze hinaus und erreicht in 2780 m Höhe am Monte Vago ihren höchsten Standort. Unter dem Einfluß des trockenheißen Klimas der spanischen Sierren hat sich die Kutikula der dort heimischen Bärentraube im Vergleich zu der mitteleuropäischen gegen eine übermäßige Transpiration um das Doppelte verdickt. A. uva ursi ist auch fossil in Diluvialablagerungen zu finden. Sie ist eine Kieselpflanze.
Geschichtliches und Allgemeines:
Als zirkumpolare Pflanze ist die Bärentraube den griechischen und römischen Ärzten unbekannt geblieben. Im Norden ist sie dagegen wohl schon lange als Heilmittel benutzt worden und findet in englischen Kräuterbüchern des 13. Jahrhunderts Erwähnung. Die medizinische Literatur des 16. Jahrhunderts weiß allerdings noch wenig von der Heilpflanze zu berichten, mit der sich erst der berühmte Wiener Arzt de Haen in der Mitte des 18. Jahrhunderts (vgl. Wirkung) eingehender beschäftigte. Im Jahre 1756 machte er auf Grund von Selbststudien seine Beobachtungen bekannt. Um 1770 wurden daraufhin viele Versuche an der Wiener Universität über die steinzerstörende Kraft der Bärentraube angestellt. Wenn sich auch herausstellte, daß die Wirkung hier eine nicht sichere ist, so zeigte sich die Bärentraube doch als ein großes Linderungsmittel. In Frankreich und Italien wurde der Bärentraubenblättertee ein beliebtes Volksmittel. Ältere Literatur: D. C. A. Gerhard, Die Bärentraube chemisch und medizinisch betrachtet, Berlin 1763; D. J. Quer, Vom Nierenstein und dem zuverlässigen Mittel dagegen, der Bärentraube, Nürnberg 1771. Das Kraut wurde früher zum Gerben des Saffians, zum Grau- und Schwarzfärben der Wolle usw. benützt. Die roten mehlhaltigen Beeren werden im Norden dem Brot beigemischt und auch zu Sirup verkocht.
Wirkung
Bei den mittelalterlichen Vätern der Botanik findet die Bärentraube wenig Beachtung; Johnson (Johnson, History of Plants, 1633, S. 1416.) gibt zwar eine Abbildung, bringt aber ihre Wirkung nicht gesondert von der der anderen Vacciniumarten.
Als steinlösendes, Schleim- und Eiterbildung beschränkendes Mittel wurde die Bärentraube bei pathologischen Zuständen der Harnorgane von de Haen (de Haen, zit. i. Köhlers Medizinalpfl.-Atlas, Bd. IV, S. 1.) empfohlen.
Hecker (Hecker, Pract. Arzneimittell., 1814, Bd. 1, S. 355.) bezweifelt die steinlösende Wirkung und ist der Ansicht, daß das Mittel die Sensibilität der Harnwege mindere und den Muskelfasertonus steigere, so daß mit der vermehrten Harnausscheidung auch Grieß, ja selbst kleinere Steine mit ausgeführt würden. Er empfiehlt Uva ursi als nützlich bei Strangurie und Ischurie, schmerzhafter Hämaturie, Blasenkatarrh, Ulzera der Harnorgane, bei Lähmung des Blasenhalses, Fluor albus und Pollutionen. Für kontraindiziert hält er sie bei wirklich entzündlichem Zustand und gespannter Faser.
Hufeland (Hufeland, Enchir. med., S. 409, Journal, Bd. 15, II., S. 73, Bd. 21, II., S. 119, Bd. 30, III., S. 48, Bd. 34, II., S. 29, V., S. 13.) verordnete die Bärentraube gegen Harnsteine, wobei sie zugleich die Schmerzen lindern soll, und gegen Pollutionen; sein Mitarbeiter v. Willich rechnet Uva ursi überhaupt zu den "allervorzüglichsten" Mitteln.
"Recht guten Erfolg" von Uva-ursi-Medikation sah Clarus (Clarus, Handb. d. spec. Arzneimittell., 1860, S. 478.) bei chronischen Harnröhren-, Scheiden- und Blasenkatarrhen selbst in Fällen, die jeder anderen Behandlungsweise, namentlich der mit Injektionen, trotzten. Er empfiehlt sie auch bei atonischen Blutungen und extern bei Blennorrhöen zugänglicher Schleimhäute.
Blasenkatarrhe führt auch Bohn (Bohn, Heilwerte heim. Pflanzen, 1920, S. 31.) als Indikation für Bärentraubenblätter an; außerdem läßt er sie bei Nieren- und Blasenleiden verordnen, die durch Erschlaffung, Bildung von Harngrieß und Schleimhautgeschwüren charakterisiert sind. Auch bei Typhus sollen sie nützlich sein.
Meyer (Meyer, Pflanzl. Ther., S. 147, 148, 172.) gibt in seinen Rezepten die Bärentraubenblätter bei entzündlichen Erkrankungen der Harnorgane, veralteter Cystitis, Nierensteinen und Gonorrhöe an.
Forschungen von Saget und Kajat (Saget et Kajat, Centre méd. et pharm. 1909-10.) bestätigen die diuretischen und antiseptischen Eigenschaften der Uva ursi.
Die Volksmedizin schätzt Uva ursi bei chronischer Cystitis, Nephritis, Strangurie, Enuresis nocturna, Pollutionen, chronischer Leukorrhöe und chronischen Diarrhöen (Schulz, Wirkg. u. Anwendg. d. dtsch. Arzneipfl., S. 186.).
Auch in der englischen Medizin (Bentley and Trimen, Medicinal Plants, 1880, Bd. III, S. 163.) wird Uva ursi als organspezifisches Mittel des Harnapparates bezeichnet und bei Reizungen des Urogenitalsystems wie chronischer Cystitis, Spermatorrhöe, Gonorrhöe, Leukorrhöe und anderen Schleimhautaffektionen genannt.
Folia Uvae ursi enthalten als wichtigste Bestandteile: die Glykoside Arbutin (Kawalier, Ann. Chem. 1852, Bd. 82, S. 241; Laurentz, Dissert. Dorpat 1896.) und Methylarbutin (Habermann, Mon.-H. Chem. 1883, Bd. 4, S. 753.), Urson (Trommsdorf, Arch. Pharm. 1854, Bd. 130, S. 274.), den glykosidischen Bitterstoff Ericolin (Kawalier, vgl. 11).), Gerb- und Farbstoff, Ellagitannin und Chinasäure (Wehmer, Pflanzenstoffe, S. 913.).
Die Verwertung der Folia Uvae ursi als Harndesinfiziens beruht auf ihrem Gehalt an Arbutin und Methylarbutin. Dieses wird in der Niere hydrolytisch gespalten, wobei das desinfizierend wirkende Hydrochinon (bzw. Methylhydrochinon) entsteht (Wasicky, Lehrb. d. Physiopharm., S. 712.).
Bei der Anwendung der Folia Uvae ursi hat sich leider ein gewisser Schematismus insofern herausgebildet, als sie ganz mechanisch bei allen Blasenleiden verordnet werden, obwohl sie bei akutem Blasenkatarrh und den auf arthritischer Grundlage entstandenen Formen völlig wirkungslos sind (Vgl. 9).). Die Anwendung hat nur bei alkalischer Reaktion Sinn, da bei saurer Reaktion das Arbutin nicht gespalten wird. Angezeigt ist daher die Verordnung bei allen Formen von chronischer Cystitis, die mit Eiterbildung der Blasenschleimhaut und Harnzersetzung einhergehen. Hydrochinon und Methylhydrochinon werden oxydiert und der Harn braun gefärbt (worauf man die Patienten besonders hinweisen sollte!). Im Verlaufe der Behandlung geht die Braunfärbung des Harns zurück, wodurch erkennbar wird, daß die Hydrochinonzersetzung, mit ihr die Abscheidung ammonikalischer Substanzen und daher die ursächliche Harnzersetzung gemildert bzw. völlig aufgehoben ist. Zugleich verschwindet auch der üble Geruch des Harns.
In Versuchen an Ratten konnte mit Bärentraubenblättertee diuretische Wirkung beobachtet werden (F. Hildebrandt, Münchn. med. Wschr. 1936, Nr. 49, S. 1999.).
Gelegentlich wurde Idiosynkrasie gegen Uva ursi beobachtet, die sich in starker, juckender Urtikaria äußerte (Lewin, Nebenwirkungen d. Arzneimittel, 1899, S. 573.).
Der hohe Gerbstoffgehalt (bis zu 30% Pyrogallolgerbstoff) bedingt Magenreizungen und Erbrechen, daher ist Vorsicht bei Magenstörungen geboten, ebenso bei Schwangerschaft, da Uva ursi auch Wehen anregend wirken soll (W. Peyer, Pflanzliche Heilmittel, S. 72, Berlin 1937.).
Über die homöopathische Wirkung schreibt Hahnemann (Hahnemann, i. Hufelands Journal, Bd. 26, II., S. 10.) selbst: "Sodvolo heilte, nächst andern, schmerzhaften Abgang eitrigen Harns mit der Bärentraube, welche dieses nicht vermogt hätte, wenn sie nicht vor sich Harnbrennen und Abgang eines schleimigen Urins erzeugen könnte, wie wirklich Sauvages von der Bärentraube entstehen sah."
Zur Wertbestimmung bedient man sich zweckmäßig der Feststellung des Gehaltes an Arbutin und Hydrochinon. Es wurden in der Droge 11% Arbutin und 0,22% Hydrochinon, in der homöopathischen Urtinktur 1,59% Arbutin und 0,045% Hydrochinon gefunden. Die Spaltung des Glykosids ist also in der Tinktur nicht wesentlich größer als in der Droge und liegt zwischen 5 und 7% (Nach eigenen Untersuchungen; vgl. auch Kuhn u. Schäfer, Dtsch. Apoth.-Ztg., 50 1800, 1935 über weitere Arbutinbestimmungen vgl. L. Zechner, Pharm. Monatsh, 1929, Nr. 9; H. Aschenbrenner, Apoth.-Ztg. 1930, Nr. 70.). Auch konnte in der homöopathischen Urtinktur Vitamin C nachgewiesen werden, was in nur wenigen anderen Tinkturen der Fall war (Vgl. 22).).
Ich möchte an dieser Stelle auch auf die Mitteilung von Schneider, Dresden, verweisen, daß in der Volksheilkunde ein Tee von Silene inflata (Schaf- oder Seeglöckl) gegen Blasenleiden sehr geschätzt wird. Er selbst fand diese Wirkung bei chronischem Blasenkatarrh voll bestätigt und wandte den Tee häufig mit gutem Erfolge anstatt Uva ursi an.
Nach Wasicky (R. Wasicky, Wien. med. Wschr. 1918, Nr. 4, S. 197.) können auch Folia Arbuti unedinis (Blätter des Erdbeerbaumes) wie Folia Uvae ursi verwendet werden.
Anwendug in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Uva ursi kann als eines der besten Harndesinfizientia, speziell bei chronischer Cystitis mit Eiterbildung und Harnverhaltung und auch bei Colicystitis, bezeichnet werden. Bei Colicystitis hat sie sich in vielen Fällen in der "Teep"-Form bewährt. Sie ist auch bei Gonorrhöe wirksam.
Weitere Indikationen sind: Enuresis nocturna, Harngrieß und -sand, Nephro- und Cystolithiasis, Nephritis, Strangurie, Pyelitis, Uretheraffektionen, Incontinentiae urinae und Hämaturie, unwillkürlicher Harnabgang, Pollutionen, Blasen- und Nierenschwäche. Bei Albuminurie besonders nach Grippe bewährte sich Schönmehl, Goddelau, die Tinktur in Verbindung mit Acidum tann., Mucilag. Gummi arabici und Tinct. Opii croc. in etwa 30 Fällen.
Schematische Darstellung der Häufigkeit der Anwendung verschiedener Heilpflanzen bei:
** missing image **Bei Erkrankungen der Harnorgane ist Uva ursi bevorzugt anzuwenden, wenn der Urin alkalisch reagiert. Cave und beende die Verordnung bei klarem oder klar gewordenem Urin (vgl. Wirkung)! Auch bei Diabetes mellitus scheint es in "Teep"-Form wirksam zu sein. Von sonstigen Indikationen seien noch erwähnt klimakterische Erscheinungen, Steifheit des Nackens mit unerträglichem Kopfschmerz und schweren Gliedmaßen, Neigung zu täglichen Erkältungen. Auch bei tuberkulösen Erkrankungen des Hodens bewährte sich Uva ursi. Nach zu langem Gebrauch des Bärentraubenblättertees treten Magenstörungen auf, doch sind sie bisher nach dem Gebrauch von Uva ursi "Teep" noch nicht beobachtet worden.
Uva ursi wirkt besonders als "Teep" und wird u. a. gern zusammen mit Berberis vulgaris, Juniperus communis, Equisetum arvense und Cantharis gegeben.
Angewandter Pflanzenteil:
Verwendet werden ausschließlich die Blätter (Hufeland, Wasicky, Dragendorff, Zörnig, Schulz, Thoms, Kroeber, Heinigke, v. Hager).
Das HAB. schreibt frische Blätter zur Gewinnung der Essenz vor (§ 2). Aus diesen wird ebenfalls das "Teep" hergestellt.
Folia Uvae ursi sind offizinell in allen Staaten mit Ausnahme von Spanien und Mexiko.
Dosierung:
- Übliche Dosis:
Maximaldosis:
Rezepte:
Bei chronischer Cystitis, Nephritis und Pyelitis:
- Rp.:
1 Teelöffel voll wiegt 2,7 g, so daß man auf 1 Teeglas etwa 1 Teelöffel rechnen kann.).
Bei Enuresis (nach Kroeber):
- Rp.:
Bei Nierenentzündung und -eiterung (nach M. Müller):
- Rp.:
Bei Cystolithiasis (nach J. Albrecht):
- Rp.:
Bei Hämaturie (nach Meyer):
- Rp.:
Species anticystiticae (Helv. V):
- Rp.:
Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.