Cannabis sativa. Hanf. Moraceae.
Related entry: Cannabis indica
Name: Cánnabis satíva L. Hanf. Französisch: Chanvre; englisch: Hemp; italienisch: Canapa, Canape; dänisch: Hamp; litauisch: Kanapé; polnisch: Konopie; russisch: Konopla; tschechisch: Konopí seté; ungarisch: Kender.
Weiteres Vorkommen: Ostindien, Persien.
Namensursprung: Erklärung zu Cannabis und Hanf s. Cannabis indica; sativa = angebaut.
Volkstümliche Bezeichnungen: Das Wort Hanf (althochdeutsch hanaf; mittelhochdeutsch hanef) ist gemeingermanisch; es findet sich (als Lehnwort) auch im Griechischen sowie im Slawischen. Mundartliche Formen sind: Hamp, Hemp (nordwestliches Deutschland), Hännep (Emsland), Hennup (Münsterland), Hanef, Honif, Hunnef, Honef (bayrischösterreichisch), Hampf, Hauf (Schweiz). Der männliche Hanf wird meist als Fimmel, Femmel bezeichnet, der weibliche dagegen als Mastel, Mäsch (Stedinger Land), Maskl (Niederösterreich), Mäschel, Mäschele(n), Maschele Mausch (Schweiz). Während die beiden erstgenannten Bezeichnungen auf das lateinische femella (scil. cannabis = der weibliche Hanf) zurückgehen, stammt Mäschel usw. von mascula (scil. cannabis = der männliche Hanf) ab. Diese Umkehrung der deutschen Bezeichnung ist wohl zustande gekommen, daß der sinnlichen Anschauung des Volkes die schwächere, unansehnlichere männliche (im botanischen Sinne) Hanfpflanze als die größere, stärkere (fruchttragende) weibliche dagegen als die männliche Pflanze erscheint. In Ostfriesland heißt der (keine Frucht ansetzende) männliche Hanf Geilhemp, Geljehemp, von "gelt" = unfruchtbar.
Botanisches: Die aus Asien stammende einjährige bis 2 ½ m hohe, stark betäubend riechende Pflanze hat unten gegen-, oben wechselständige langgestielte, handförmig drei- bis siebenzählige Blätter mit lanzettlichen, grob gesägten, spitzen Abschnitten, die drüsig und borstig behaart sind. Die männlichen Blütenstände sind locker, cymös-rispig, die weiblichen dichtgedrängt. Die Frucht ist eine einsamige Nuß. Cannabis sativa wird auch in Europa bis an die Grenze der Getreidepflanzen angetroffen, zuweilen auch auf Schutt und an Zäunen verwildert. Da der Hanf für seine Entwicklung nur 90-105 Tage beansprucht, läßt er sich weit in den Norden hinauf kultivieren. Es gibt männliche und weibliche Pflanzen. Als Faserpflanze wird im allgemeinen die wenig belaubte und kleinere männliche Pflanze vorgezogen. Blütezeit: Juli bis August.
Geschichtliches und Allgemeines:
Die ursprüngliche Heimat von Cannabis sativa ist das westliche Asien und Indien, wo er des Bastes und der ölreichen Früchte wegen schon im 8. oder 9. Jahrh. v. Chr. kultiviert worden sein soll. In Griechenland wurde er durch die Angaben Herodots bekannt, der u. a. von ihm schreibt: "Wollen die Scythen baden, so stellen sie drei Stangen gegeneinander, ziehen wollene Decken darüber, schließen alles recht fest, legen glühende Steine unter dieses Zelt und streuen Hanfsamen auf die Steine, worauf ein Rauch und Dampf entsteht, als wenn es ein hellenisches Schwitzbad wäre; den Scythen aber ist das ihrige so angenehm, daß sie vor Wohlbehagen brüllen." Dioskurides kennt die innerliche Anwendung der Samen zu abortiven Zwecken und die des frischen Saftes gegen Ohrenschmerzen. Nach Nordeuropa kam der Hanf wahrscheinlich vor der Auswanderung der Angelsachsen. Er wurde hauptsächlich zur Gewinnung der Fasern, aus denen Kleidungsstücke und Taue angefertigt wurden, angebaut. Offizinell waren die Samen, die in den mittelalterlichen Kräuterbüchern als Hustenmittel genannt werden. Nach Bock wurde das frische Kraut auch gegen Ohrenschmerzen und zur Vertreibung von Ohrwürmern angewandt. Ferner war der Hanf auch eine beliebte Zutat zu verschiedenen Speisen, doch warnt Matthiolus wegen der anaphrodisierenden Wirkung vor zu häufigem Gebrauch. Daher auch folgender Vers:
In Lettland wird der grüne Hanf als Mittel gegen Sodbrennen gegessen. Heute steht Rußland in der Reihe der Hanf anbauenden Länder an erster Stelle. Das Hanföl diente während der strengen und langen griechischen Fasten fast als einziges Nahrungsmittel. In der Veterinärpraxis wird es bei übermäßiger Milchsekretion als Einreibungsmittel gebraucht. Allgemein verbreitet ist die Hanffrucht als Vogelfutter. Vgl. auch über den Hanf die große italienische Monographie von Briosi und Tognini, Mailand 1894/96.
Wirkung
Von Paracelsus (Paracelsus Sämtl. Werke, Bd. 2, S. 97, 98.) wird der Hanf in Rezepten für Balsam zur Heilung von Kontrakturen angegeben.
Für den innerlichen Gebrauch, und zwar gegen trockenen Husten, verwendet Bock (Bock, Kreutterbuch, 1565, S. 129.) nur die Samen, während er das Kraut zu Umschlägen bei Hitze des Kopfes und der Glieder wie auch bei Podagra anwenden läßt. Matthiolus (Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 316.) warnt vor dem täglichen Genuß des Hanfsamens in Speisen, da er anaphrodisierend wirke und Kopfweh verursache; der Saft aus dem grünen Kraut soll Ohrenschmerzen vertreiben; der Dampf von Hanfabkochung gegen "kalten Harn" dienlich sein und schließlich das Öl zirrhöse Geschwülste lindern.
Auch v. Haller (v. Haller, Medicin. Lexicon, 1755, S. 289.) kennt nur den Gebrauch des - betäubend, schlafbringend und beschwerend auf Kopf und Magen wirkenden - Hanfsamens, gegen Husten, Seitenstechen, Gelbsucht, Würmer, zu starke Pollutionen und als Anaphrodisiakum.
Friedrich (Friedrich, Sammlg. v. Volksarzneimitteln, 1845, S. 64.) verordnet die Krautspitzen bei schmerzhaftem Urinieren mit Brennen und Stechen, gegen beginnenden Tripper - wobei er den Hanf als radikal heilendes Mittel bezeichnet - bei großer Augenschwäche mit Flimmern und Hornhautflecken (innerlich und äußerlich anzuwenden), schließlich bei heftiger Angina pectoris und Erstickungsanfällen. Die äußere Anwendung des Mittels empfiehlt er bei Schmerzen des Samenstranges und der Hoden, wie auch zur Milchzerteilung nach dem Entwöhnen. In verschiedenen Gegenden Rußlands ist der Hanf ein beliebtes Volksmittel, das nach Demitsch (W. Demitsch, in Histor. Studien des pharm. Inst. d. Univ. Dorpat, Teil I, S. 189, 1889.) äußerlich eine Rolle bei der Behandlung von Verbrennungen, Ausschlägen, Verletzungen usw., und zwar als Öl und Kataplasma, spielt. Innerlich dient das Mittel als Emetikum (mit Zusätzen z. B. von Salz), Diuretikum, Anthelmintikum, bei Verdauungsstörungen und Wehenschwäche. Die Samenemulsion gilt allgemein als gutes Antigonorrhoikum.
In der chinesischen Medizin wird der Hanf als Antidiabetikum verwandt; er bewirkt zuerst Hyperglykämie, nach zwei bis drei Stunden allmählich Hypoglykämie (Min, Jap. J. med. Sci. Trans. IV Pharmacol. 1930, Bd. 5, S. 71.).
Nach Stauffer (Stauffer, Klin. hom. Arzneimittell., S. 294.) hat man die besten Erfolge mit Cannabis sativa bei akutem Tripper.
Die Hanfblätter enthalten u. a. Carotin, Calciummalat und Bitterstoff (Arnaud, Cpt. r. 1889, Bd. 109, S. 911; Schlesinger, Buchn. Rep., 1840, Bd. 21, S. 190.).
In den Samen findet sich u. a. fettes Öl, Hanföl, 30-35%, welches hauptsächlich Linolsäure enthält, ferner Harz, Zucker, Eiweißstoffe, Alkaloid Trigonellin, Cholin, Protein, Edestin, kristallisiertes Globulin, Nuclein, Lecithin, Cholesterin (Wehmer, Die Pflanzenstoffe, Bd. 1, S. 246.).
Der deutsche Hanf enthält meist keine narkotischen Bestandteile, wie sie der indische Hanf in großen Mengen aufweist.
Nach Esdorn (Esdorn, Angewandte Chemie, Jahrgang 48, S. 256.) ist der Nachweis gelungen, daß nur Rassenunterschiede und nicht klimatische Ursachen den Harzreichtum im Hanf bedingen.
Versuche ergaben, daß die blühende Pflanze wachstumshemmend auf Aspergillus wirkt (Nach eigenen Untersuchungen.).
Die Urtinktur ruft am Katzenauge bei einer Verdünnung von 1 : 3 noch deutliche Pupillenerweiterung hervor (Vgl. 10).). Hinsichtlich der Erhaltung der Fermente in Zubereitungen aus Cannabis sativa wurde festgestellt, daß Peroxydase und Oxydase im "Teep"-Präparat erhalten waren, während die Oxydase in der Tinktur überhaupt nicht und die Peroxydase nur schwächer nachweisbar waren (Vgl. 10); vgl. auch Kuhn u. Schäfer, Pharm. Ztg., 80, 1029, 1935.).
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Dänemark: Innerlich gegen Gonorrhöe und Fluor albus, mit Milch zusammen gegen trockenen Husten; äußerlich als kühlendes Mittel.
Italien: Als Beruhigungsmittel bei Asthma.
Litauen: In der Tierheilkunde wird Oleum Cannabis äußerlich gegen Räude der Schafe angewandt. Durch Verfütterung von Hanfsamen an Hühner soll der Eierertrag gesteigert werden.
Polen: Das frische Kraut mit Schweineschmalz als Wundheilmittel.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Cannabis sativa wird vornehmlich bei Reizungen und entzündlichen Erkrankungen des Urogenitaltraktus
Auch bei anderen entzündlichen Affektionen wie Pleuritis, Pneumonie und Perikarditis hat der Hanf erfolgreich gewirkt und wird als Expektorans gelegentlich bei trockenem, heißem Husten (hier die Samen in Milch gesotten und warm getrunken), Tuberkulose und Asthma empfohlen. Dorn läßt bei Ohrenfluß Hanfsamenmilch einspritzen.
Bei gichtischen (Fußgicht) und rheumatischen Affektionen, insbesondere bei solchen durch Nierenreizung und bei Tripperrheuma (hier nach M. Flähmig ganz ausgezeichnet bewährt) wird Cannabis innerlich und äußerlich (in Form von Breiauflagen) geschätzt, ebenso bei skrofulöser Augenentzündung und Trübung der Cornea.
Hauer lobt ferner die Wirkung bei Hysterie infolge starken Blutandranges nach der Gebärmutter. In der Veterinärmedizin ist das Mittel noch gegen Rotlauf indiziert. Als Wechselmittel bei Erkrankungen des Urogenitaltraktus sind Cantharis, Uva ursi, Copaiva, Linum usitatissimum, Equisetum und Berberis beliebt.
+) Beispiel für die Anwendung: (Nach Engelstädter, "Allgemeine Homöopathische Zeitung" 1924, S. 130.) 50jähriger Angestellter. Schon als Kind blasenleidend gewesen, bemerkt seit längerer Zeit Trübung des Urins, Harndrang, Brennen beim Wasserlassen. Befund: Innere Organe o. B. bis auf geringe Atherosklerose bei einem Blutdruck von 175 mm Hg nach Riva Rocci. Der Urin ist trüb und enthält einen "Bodensatz", der allerdings die Hälfte des Urins ausmacht, aus gelbem, zerrigem Schleimeiter. Eiweiß 1 ½ ‰ Esbach.
Mikroskopisch: Eiter und Bakterien in enormer Menge neben harn- und phosphorsauren Salzen. Keine Nierenelemente. Bakteriologisch: Diplokokken. Meine anfängliche Vermutung, es handele sich um Tuberkulose, bestätigte sich nicht.
Nach Cannabis D 4 zweistündlich im Wechsel mit Cantharis D 4 trat Besserung ein, auch klärte sich anfangs der Urin. Das klinische Bild änderte sich insofern, als die harnsauren Salze aus dem Urin verschwanden, der nur noch große Mengen eines mit Phosphaten angereicherten Schleims enthielt. Als weitere Mittel kamen in Anwendung Hepar sulf. kal. D 4, Natr. phosph. D 6, Copaiva D 4, Nitri acidum D 4. Mein vorübergehender Verdacht auf Vorhandensein eines Blasensteins wurde zerstreut durch die Röntgenaufnahme. Die Behandlung dauerte vom 23. August bis 15. Dezember 1922 und führte zur absoluten Heilung.
Angewandter Pflanzenteil:
Bock wendet nur die Samen innerlich an, das Kraut äußerlich.
Ebenso verordnet Matthiolus den Samen innerlich, Kraut und Wurzel äußerlich.
Friedrich empfiehlt die Krautspitzen der kaum blühenden Pflanze und die Samen.
Nach Geiger war der Samen, Semen Cannabis, offizinell, doch erwähnt er auch die stark narkotische Wirkung des Krautes.
Zörnig führt den Samen an.
Nach v. Haller gebraucht man als Arzneimittel hauptsächlich den Samen.
Das HAB. schreibt die frischen Stengelspitzen mit den Blüten und Blättern, sowohl von den weiblichen als auch von den männlichen Pflanzen vor (§ 1). Das "Teep" wird aus Blüten und Blättern der unbefruchteten, weiblichen Pflanzen hergestellt.
Dosierung:
- Übliche Dosis:
In der Homöopathie:
Maximaldosis:
Rezepte:
Bei entzündlichen Affektionen der Harnorgane:
- Rp.:
1 Teelöffel voll wiegt 5,6 g. Der Tee wird zweckmäßig kalt unter Verwendung von höchstens ½ Teelöffel voll auf 1 Teeglas angesetzt.).
Bei Gonorrhöe (nach Kroeber):
- Rp.:
Bei fieberhafter Bronchitis und trockenem Husten:
- Rp.:
Gegen rheumatische und gichtische Schmerzen:
Bei Blasenentzündungen (nach Dinand):
- Rp.:
Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.