Chimaphila umbellata. Doldenblütiges Winterlieb (-grün). Pirolaceae.

Botanical name: 

Photo 136. Doldenblütiges Wintergrün. Karte 096. Chimaphila umbellata. Name: Chimáphila umbelláta Nutt. (= Ch. corymbosa, = Pirola umbellata L.). Doldenblütiges Winterlieb, Wintergrün, Harn-, Nabel- oder Gichtkraut, Waldmangold, Walddolde. Französisch: Poirier en ombelle, herbe à pisser, pirole ombellée; englisch: Winter-green, ground holly, noble pine, king's cure, rheumatism weed, round-leaved consumption cure, shin leaf, white leaf; dänisch: Skärneblomstret Vintergrön; polnisch: Gruszyczka, Limozielon; russisch: Gruszanka; tschechisch: Zimozelen okoličnatý; ungarisch: Ernyös körtike.

Weiteres Vorkommen: Zentralasien (vom Altai bis Amurgebiet und Japan) Nordamerika (von Alaska, Canada bis Alabama, Sierra -Nevada) Mexiko, Antillen.

Namensursprung: Chimaphila ist abgeleitet vom griechischen χεΐμα (cheima) = Winter und __λος = liebend. Pursh, der Schöpfer des Namens, schreibt in seiner Flora Americana Septentrionalis, daß er ihn in Anlehnung an die Bedeutung des gebräuchlichen Namens "Winter-green" gebildet habe. Umbellata = in Dolden blühend.

Botanisches: Der bis 25 cm hohe Halbstrauch mit kriechendem Wurzelstock lebt meist gesellig in den sandigen trockenen Kiefernwäldern Europas. In Misch- oder reinen Laubwäldern ist er selten anzutreffen. Die immergrünen ledrigen bitter schmekkenden Laubblätter, die drei bis fünf Winter überdauern können, stehen nach Jahrestrieben gehäuft; sie sind eiförmig-spatelig bis fast lineal und von der Mitte zur Spitze hin scharf gesägt. Bis 10 cm lange Blütenschäfte tragen die Doldentrauben mit rosa Blüten, aus denen sich Kapselfrüchte entwickeln. - Die Pflanze bevorzugt Kieselböden und ist gegen Veränderungen ihrer Standortverhältnisse, z. B. durch Forstkultur, sehr empfindlich; durch Streurechen wird sie vielfach ausgerottet. Blütezeit: Juni bis Juli.

Chimaphila umbellata darf in Deutschland zum Sammeln für den Handel und für gewerbliche Zwecke nicht freigegeben werden.

Geschichtliches und Allgemeines:

Clusius (16. Jahrhundert) beschrieb zuerst die Pflanze und lieferte auch eine gute Abbildung, jedoch blieben ihre Heilkräfte in Europa unbekannt, bis amerikanische Ärzte darauf aufmerksam machten. In Deutschland werden die Blätter (Folia Chimaphilae) seit 1810 pharmazeutisch verwendet, und zwar als Diuretikum und als Harnsteine auflösendes Mittel. Eine sehr gute Monographie der Pflanze schrieb Radius 1829 in Leipzig.

Wirkung

Schon von Paracelsus (Paracelsus Sämtl. Werke, Bd. 1, S. 857, 868.) wird das Wintergrün verordnet und als "Waltmangolt" von Bock (Bock, Kreutterbuch, 1565, S. 264.) sehr gerühmt bei Wunden, "alten fließenden Schäden" und zum Stopfen der Bauchflüsse; "zu frischen wunden ist kaum ein kraut das größer ruhm hat zu heylen", schreibt er.

Tabernaemontanus (Tabernaemontanus, Kreuterbuch, 1591, T1. 2, S. 432.) betrachtet es als "sehr dienlich den schwürigen Niefen".

Als wirksames Wundkraut wird es bei v. Haller (v. Haller, Medicin. Lexicon, 1755, S. 1162.) angeführt.

Abet (Abet, Bull. gén. de Thér., Juli 1889.) stellte aus 300 g Blättern 95 g eines wäßrig-alkoholischen weichen Extraktes her, das für Tiere ungiftig war, von Menschen gut vertragen wurde und in der Dosis von 8-15 g täglich bei 10 von 11 Herzkranken mit Dyspnoe und Ödemen starke Diurese machte. Dabei stieg in einigen Fällen die tägliche Harnausscheidung bis auf 5 Liter. Herzwirkung wurde nicht beobachtet.

Potter (Potter, Mat. med., 1898, S. 219.) zählt es als Diuretikum zur gleichen Gruppe wie Uva ursi, Pareira und Spart. scoparium, die es aber an Wirksamkeit übertreffen soll. Er läßt es daher bei Hydrops, chronischen Nierenkrankheiten und Albuminurie, bei Hämaturie, Ischurie, Dysurie und Gonorrhöe, aber auch bei Gicht und Rheuma anwenden; äußerlich soll es gegen Ulzera und Tumoren nützlich sein.

Auch die Britische Pharmakopöe (Brit. Pharm. Codex, 1923, S. 307.) führt Chimaphila als Diuretikum bei Herz- und Nierenaffektionen an.

Schulz (Schulz, Wirkg. u. Anwendg. d. dtsch. Arzneipfl., S. 188.) nennt die Chimaphila ein altes Volksmittel als Diuretikum bei hydropischen Beschwerden, auch bei chronischen Blasenkatarrhen, wobei sie den Magen gar nicht belästige.

Soules (Soules, New York Med. Journ. 1908, Nr. 20.) erzielte gute Erfolge mit der Verabreichung der Droge bei Diabetes mellitus, wobei im Laufe eines Monats die Glykosurie verschwinden soll. (Vermeidung stärkehaltiger Nahrung!)

Seit langer Zeit ist Chimaphila von den amerikanischen Pflanzenärzten als einzig dastehendes Heilmittel bei Skrofulose empfohlen worden (Bohn, Heilwerte heimischer Pflanzen, S. 121, 1935.).

Hale und Paine (Zit. bei Stauffer, Klin. hom. Arzneimittell., S. 346.) berichten über Heilung von Mammatumoren mit Besserung des Allgemeinbefindens durch Verabreichung der Tinktur (dreimal täglich 40 Tropfen).

H. Schwarz, Ebenhausen (H. Schwarz, Heil- und Gewürzpflanzen, 1928/29, Bd. II, S. 29.), beobachtete nach dem Trinken einiger Tassen des Blätteraufgusses das Verschwinden einer hartnäckigen Trübung des Urins, welche jahrelang Chemikalien und Balsamika getrotzt hatte.

Durch klinische Untersuchungen wurde festgestellt, daß der Fluidextrakt diuretisch wirkt, ohne Reizerscheinungen hervorzurufen, während der konzentrierte Extrakt lokal reizt (Angef. b. Kroeber, Das neuzeitl. Kräuterbuch, S. 395.). Zugleich mit der Diurese wird auch die Chlor- und Stickstoffausscheidung erhöht (Busquet, zit b. Kroeber, vgl. 11).). Es steigert den Appetit und fördert die Verdauung (Vgl. 5).). Die frisch zerquetschten Blätter wirken auf der Haut rötend und blasenziehend (Vgl. 5).). Als vorwiegend wirksame Bestandteile sind die Glykoside Ericolin und Arbutin, die Bitterstoffe Chimaphilin und Urson und schließlich Tannin anzusprechen (Smith, Amer. J. Pharm. 1881, Bd. 11, S. 549; Zwenger u. Himmelmann, Ann. Chem. 1864, Bd. 129, S. 203; Fairbank, Amer. J. Pharm., 1860, Bd. 32, S. 254.). Nach Geßner (O. Geßner, Die Gift- und Arzneipflanzen von Mitteleuropa, S. 162, Heidelberg 1931.) bezeichnet man eine Mischung von Arbutin, Ericolin und Urson als Chimaphilin.

Zur Wertbestimmung bedient man sich der Untersuchung auf den Gehalt an Arbutin und Hydrochinon. Es wurden für die homöopathische Tinktur 0,37% Arbutin und 0,01% Hydrochinon gefunden. Es waren also 6,6% des Glykosids gespalten (Nach eigenen Untersuchungen; vgl. auch Kuhn u. Schäfer, Dtsch. Apoth.-Ztg., 50, 1800, 1935.).

Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):

Polen: Als Diuretikum und Harndesinfiziens, bei Prostatahypertrophie.

Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:

Chimaphila umbellata ist in erster Linie bei chronischer Cystitis mit schleimigem Sediment und übelriechendem, trübem Harn indiziert. Ähnlich wie Uva ursi wirkt es auch bei anderen Blasenleiden (lästigem, schlafstörendem Harndrang) und Nierenleiden (nach Donner, Berlin, spaltet es Hydrochinon ab), Retentio urinae, bei Hydrops, Ödemen infolge von Kardio- und Hepatopathien bei Prostataaffektionen, insbesondere Hypertrophie. Janke schreibt mir, daß er Blasenleiden, die mehrfach als unheilbar bezeichnet worden waren, mit Chimaphila und Equisetum in zweistündlichem Wechsel 4 Tropfen in 3-4 Wochen geheilt habe.

Auch bei Skrofulose, Mammatumoren (Cysten), Hepatopathien, hartnäckiger Obstipation und Hämorrhoiden hat es sich gelegentlich bewährt und wird vereinzelt bei Lungenverschleimung, Mund- und Rachenkatarrh und grauem Star genannt. Retschlag empfiehlt es bei Darmtuberkulose und -skrofulose (hier mit Conium im Wechsel) und bei Schwellung der Labien.

Äußerliche Anwendung findet Chimaphila gegen Karzinom und Ulzera. Als Wechselmittel bei Erkrankungen der Harnorgane werden Cantharis, Cannabis sativa, Pareira brava, Uvaursi und Equisetum genannt.

Angewandter Pflanzenteil:

Bock und v. Haller nennen das Kraut.

Potter, The Brit. Pharm. Codex, Schulz gebrauchen die Blätter.

Nach Geiger war die zur Blütezeit gesammelte Pflanze offizinell.

Zörnig gibt an, daß mehr die Blätter, weniger das zur Blütezeit gesammelte ganze Kraut gebraucht wird.

Das "Teep" wird aus den frischen, zur Blütezeit gesammelten Blättern hergestellt.

Homöopathische Essenz nach dem HAB.: Frische blühende Pflanze ohne Wurzel (§ 3).

Dosierung:

Übliche Dosis:
1-3g des Fluidextraktes (Brit. Pharm. Codex);
5-30 g im Infus täglich (Bohn).
1 Tablette der Frischpflanzenverreibung "Teep" drei- bis viermal täglich.
(Die "Teep"-Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,125 g Fol. Chimaphilae umb.)

In der Homöopathie:

dil. D 2, dreimal täglich 10 Tropfen.

Maximaldosis:

Nicht festgesetzt.

Rezepte:

Bei veralteter Cystitis (nach Meyer):

Rp.:
Fol. Uvae ursi . . . 60 (=Bärentraubenblätter)
Fol. Chimaphilae umb. . . . 40 (=Wintergrünblätter)
D.s.: 1 Eßlöffel auf 1 Tasse Wasser abkochen. Etwa dreimal täglich 2 Tassen zu nehmen.
Zubereitungsvorschlag des Verfassers: 6 Teelöffel auf 3 Glas Wasser, vgl. Zubereitung von Teemischungen S. 291.
Rezepturpreis ad chart. etwa 1.18 RM.

Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.