Convallaria majalis. Maiglöckchen. Liliaceae.
Name: Convallária majális L. (= C. Linnaei Gärtn., = Polygonatum majale All.). Maiglöckchen, Maiblume, Zauke. Französisch: Muget, Lis des vallées; englisch: Lily of the valley; italienisch: Mughetto, Giglio delle convalli; dänisch: Liljekonval; litauisch: Glūdišins, Pakalnuté; polnisch: Konwalja, lanuszka; russisch: Landysz; schwedisch: Liljekonvalje; tschechisch: Konvalinka vonná; ungarisch: Gyöngyvirág.
Weiteres Vorkommen: Gemäßigtes Asien (bis Japan), Nordamerika.
Namensursprung: In einigen Kräuterbüchern des 16. Jahrhunderts (z. B. bei H. Bock) wurde das Maiglöckchen als lilium convallium ("Lilie der Täler") bezeichnet, daraus ist dann Convallaria entstanden. Majalis kennzeichnet die Blütezeit im Mai, ebenso der deutsche Name Maiglöckchen.
Volkstümliche Bezeichnungen: Auf die Blütezeit der duftenden Glöckchen ("Schellchen") im Mai gehen Volksnamen wie: Maiblome (Wesergebiet), Meibloum(e) (Waldeck), Maiblümchen (Gotha), Maibleaml (Niederösterreich), Maibleamla (Schwäbische Alb), Maililljen (Schwäbische Alb), Maierösle (Vorarlberg), Maierisli (Schweiz), Maililljen (Hannover), Maiglocken (Wesergebiet), Maiglöckskes (Westfalen), Meïglöckl, Meeglöckl (Nordböhmen), Maiglöckl(e) (Schwäbische Alb), Maieglöckle (Vorarlberg), Maischellchen (Henneberg, Gotha, Salzungen). Eine zweite Gruppe von Volksbenennungen, die besonders in den niederdeutschen und bayrischen Mundarten verbreitet zu sein scheinen, leitet sich ab von der alten offizinellen Bezeichnung der Maiblume lilium convallium, welche beiden Worte zusammengezogen im Volksmund zu geradezu grotesken Wortformen sich ausbilden (der zweite Teil manchmal volksetymologisch an "Veilchen" angelehnt!): Liljenkonvalljen, Lieljenkonveilchen, Hillgenkummveilchen (Oldenburg usw.), Lilienkonfalgen (Ostseegebiet), Lilienkonvall (Schleswig), Liliumfallum (Tirol, Kärnten), Fillumfallum (Kärnten, Salzburg), Fildron-Faldron (Linz), Philldron-Chaldron (Tirol), Fillifalliblüh (Steiermark), Convajerl (aus Convallaria) (Kärnten: Raibl).
Botanisches: Das Maiglöckchen, das vor allem in Laubwäldern, auf Kalk und Urgestein verbreitet ist, blüht nur an lichten Stellen reichlich. Es hat einen ausläuferartigen, kriechenden, verzweigten Wurzelstock, der an den Spitzen jährlich weiterwächst. Der Wurzelstock trägt am Ende die zwei bis drei Laubblätter, die unten meist von einer häutigen Scheide umgeben sind. Sie sind langgestielt, elliptisch bis lanzettlich und zugespitzt. Der kantige Blütenstengel ist unbeblättert, wird bis zu 20 cm hoch und trägt eine einseitswendige Traube weißer nickender Blüten. Die Blütenhülle ist breit-glockig und hat sechs zurückgeschlagene Zipfel. Sie hat sechs Staubgefäße und einen dreifächrigen Fruchtknoten, ist honiglos, aber stark duftend, bietet also den besuchenden Honigbienen nur Blütenstaub dar. Die Frucht ist eine rote Beere von Erbsengröße, die zwei blaue Samen enthält. Blumen und Blätter sind giftig.
Blütezeit: Mai bis Anfang Juni.
Convallaria majalis steht in Deutschland teilweise (unterirdische Teile) unter Naturschutz. Die Blüten dürfen gepflückt werden.
Geschichtliches und Allgemeines:
In den Schriften der Antike scheint Convallaria majalis nicht erwähnt zu sein, was durch die Tatsache zu erklären ist, daß die Pflanze in Griechenland äußerst selten vorkommt. Vom 15. Jahrhundert an wird sie dagegen häufig in den Kräuterbüchern aufgeführt und auch als Heilpflanze erwähnt. Brunfels gibt aus dem Destillierbuch des Hieronymus Brunschwygk (1500) eine Reihe von Verwendungen an, nach denen das "Meyenblümleinwasser" gut gegen Gift und Ohnmacht sei, Herz, Sinne und Hirn stärke und eingerieben das Zittern der Hände und Arme vertreibe usw. Allerdings ist es unklar, auf welche Quellen die Verwendungen zurückgehen. Auch Matthiolus rühmt das Maiglöckchen als stärkendes Mittel für Hirn, Herz und alle edlen Teile des Körpers. In Rußland wurde die Pflanze seit alters her viel vom Landvolke gegen verschiedene Erkrankungen des Herzens, gegen Wassersucht, Epilepsie, Schlaganfälle usw. gebraucht. Die Russen glaubten, daß beim Gebrauch des alkoholischen Auszuges der Blüten gegen Epilepsie der Kranke mit so viel Tropfen der Tinktur beginnen müsse, wie er Jahre zähle. Vielfach finden die Blüten Verwendung als Niespulver (Schneeberger Schnupftabak)) und auch als Schönheitsmittel gegen Sommersprossen. Im 18. Jahrhundert verschwindet das Maiglöckchen wieder aus dem Arzneischatz und wird nur noch in der russischen Volksmedizin in der alten Weise angewandt. Erst im 19. Jahrhundert beschäftigte man sich dann wieder eingehender mit der Droge. In Mähren hat man früher eine Abkochung des Maiglöckchens bei Tollwut getrunken und als Umschlag aufgelegt. Auch gegen drohenden Abort ist ein solches Dekokt dort beliebt. Über nähere Einzelheiten zur Geschichte vgl. auch Hirschfeld, Kyklos, Jahrb. d. Inst. f. Geschichte der Medizin 2, S. 145, 1929.
Fahrenkamp (Karl Fahrenkamp, Vom Aufbau und Abbau des Lebendigen. Stuttgart 1937, Hippokrates-Verlag) prüfte ein Gemisch der Extrakte von Digitalis purpurea, Digitalis lanata, Nerium oleander, Scilla maritima, Convallaria majalis und Adonis auf ihre konservierenden Eigenschaften an Blumen, Gemüse und Früchten. Bei Rosen prüfte er Convallaria, Scilla, Adonis oder Digitalis. Er fand, daß Convallaria Rosenknospen zum Aufblühen und längerem Blühen brachte gegenüber der Kontrolle und daß Freilandastern mumifizierten. Spritzte er in Fenchel oder in Birnen 1 ccm einer Convallarialösung ein, so blieben sie sehr lange frisch, behielten ihren Geschmack, während die Vergleichsstücke längst verfault und ungenießbar waren. Bei Birnen spritzte er die Flüssigkeit am Kelchrest ein. Wirsingblätter und Salatköpfe, die in Convallarialösung gestellt waren, zeigten ganz erhebliche Unterschiede gegenüber solchen, die in Wasser gestellt waren, z. B. waren nach 24 Tagen die Salatköpfe, die in Wasser gestellt waren, verfault, die in Convallarialösung dagegen zeigten noch frische und grüne Herzblätter, selbst noch nach weiteren 14 Tagen. Auch die so gespritzten Tomaten zeigten tadellose Haltbarkeit. Grundsätzlich ist eine solche lebensverlängernde Wirkung möglich. Auch schon in der Medizin der Antike wurde verschiedentlich Pflanzen mit Digitalisglykosiden, so z. B. Helleborus niger und Scilla, eine lebensverlängernde Wirkung zugeschrieben. Doch muß man den diesbezüglichen Versuchen vorläufig wohl noch recht kritisch gegenüberstehen. So ergab meine erste Nachprüfung der Fahrenkampschen Versuche keine positiven Resultate.
Wirkung
Paracelsus (Paracelsus Sämtl. Werke, Bd. 1, S. 729, Bd. 2, S. 135, 434.) erwähnt die Maiblume öfters als Stärkungsmittel bei Apoplexie, Gliederzittern und für Schwangere.
Lonicerus (Lonicerus, Kreuterbuch, 1564, S. 263.) hält Maiblumenwein für "besser denn Gold" und rühmt ihn als Vorbeugungsmittel gegen Apoplexie; auf Hinterkopf und Stirn gestrichen soll er "gar gute Vernunft machen". Das aus den Blüten gebrannte Wasser wirkt nach ihm entzündungswidrig, gedächtnis-, herz- und hirnstärkend, geburtserleichternd, antiepileptisch, galaktagog, gegen Harnwinde, Herzstechen, entzündete Leber und Dysmenorrhöe.
Matthiolus (Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 286 B.) lobt Maiblumen als ein gutes Mittel "für Hirn und Herz".
Als nervenstärkendes Mittel werden die Blüten nach v. Haller (v. Haller, Medicin. Lexicon, 1755, S. 904.) gegen Schwindel, Apoplexie, Gedächtnisschwäche, verlorene Sprache, Ohnmacht, Herzklopfen und Gliederlähmungen gebraucht; der Spiritus Liliorum convall. sei "ein zuverlässiges Mittel wider die Zahnschmerzen" und die getrockneten Blüten benütze man infolge ihrer niesenerregenden Eigenschaft zu Schnupftabaken (Schneeberger Schnupftabak).
Auch Osiander (Osiander, Volksarzneymittel, S. 45, 118.) nennt Convallaria.
Über die in Rußland übliche, ausgedehnte Verwendung in der Volksmedizin gibt der folgende, von W. Demitsch (W. Demitsch, in Histor. Studien des pharm. Inst. d. Univ. Dorpat, 1889, Bd. I, S. 196.) zusammengestellte Abschnitt eine Übersicht:
"Nach Krebel (Volksmedicin und Volksmittel verschiedener Volksstämme Rußlands. Skizzen. Leipzig und Heidelberg 1858) werden die Blüten des Maiblümchens mit Branntwein infundiert, tropfenweise, gegen Epilepsie gegeben. - Der Arzt Pawlow (Moskauer Medicin. Zeitung 1858, Nr. 5) beschrieb ausführlich die Behandlung der Fallsucht beim Volke. Die frischen Blüten der Convallaria majalis werden in eine Flasche getan und mit Branntwein 3 Monate lang kalt infundiert. Nach der Filtration wird die Flüssigkeit einen ganzen Monat hindurch tropfenweise, nüchtern, in ein halbes Spitzgläschen Wasser hinein, eingenommen. Das Volk glaubt, daß man mit so vielen Tropfen anfangen muß, wie der Kranke Jahre zählt. Pawlow hat selbst das Mittel bei Epilepsie versucht und will dadurch zwei Kranke geheilt haben. - Prof. Inosemzew hatte bei dieser Behandlung keinen Erfolg und modifizierte dieselbe (das Nähere darüber vgl. Moskauer Medicin. Zeitung 1861, Nr. 1). - Im Gouvernement Kiew wäscht man mit einer Abkochung der Pflanze den Kopf bei Flechten. (T. Werschbizki, Pflanzen, die als arzneiliche vom Volke der hiesigen Gegend gebraucht werden. Kiewsche Gouvernements-Zeitung 1867.) - Ferner wird das Mittel zu Augenumschlägen verwendet. Eine Blätterabkochung davon wird im Gouvernement Nischegorod bei Herzschmerzen getrunken. Im Gouvernement Saratow behandelt man mit einem Branntweinaufguß der Pflanze Fieber, im Gouvernement Kaluga verschiedene nervöse Leiden (N. Annenkow, Botanisches Lexicon. St. Petersburg 1878, S. 106). - Ein kaltes Infus der frischen Blüten mit Essig ist ein Volksmittel bei Kopfschmerzen, eine Tinktur dient gegen Epilepsie (J. Beresin, Russ. encyklopaedisches Wörterbuch. St. Petersburg 1875, S. 1125. - Nach einem Kräuterbuch vom Jahre 1771 wirken die Blüten der Pflanze schlafmachend, antispasmodisch und zuweilen abführend; sie haben antifebrile Kraft und sind gegen Epilepsie nützlich; die letzteren werden auch bei Kopfschmerzen, Hysterie und Ohnmacht gebraucht. - In Kleinrußland trinkt man eine Blütenabkochung der Convallaria majalis als Tee oder man nimmt eine daraus bereitete Tinktur, tropfenweise, bei hysterischen und epileptischen Krämpfen ein (K. S. Gornitzki, Bemerkungen über einige wildwachsende und angebaute Pflanzen der Ukraine-Flora, die als Volksheilmittel im Gebrauche sind. Charkow 1887, S. 55). - Im Gouvernement Witebsk wird die Wurzel bei Fieber, eine Tinktur aus frischen Blüten bei Konvulsionen und Epilepsie, eine Blätterabkochung bei Herzschmerzen innerlich verwendet (A. Antonow, über die wildwachsenden Pflanzen des Gouvernements Witebsk, welche von der Landbevölkerung als Heilmittel gebraucht werden. Witebsk 1888, S. 10). - Ganz allgemein ist ferner die Benutzung der Pflanze in verschiedenen Teilen Rußlands gegen Hydrops und als Diuretikum."
Aber nicht nur die Volksmedizin bediente sich in Rußland der Heilkräfte des Maiglöckchens, sondern auch von ärztlicher Seite wurde schon in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts in verschiedenen Veröffentlichungen auf sie hingewiesen.
So lobt Troitzki (Troitzki, Wratsch, Medic. Ztschr., herausgegeben v. Prof. Manassein, 1880, Nr. 47, S. 773; zit. nach 6.) den wäßrigen Blüteninfus (0,6 : 180 g) eßlöffelweise bei Herzklappenfehlern, insbesondere Mitralinsuffizienz. Ebenso wandte Kalmikow (Kalmikow, Beilagen zu den Protokollen der Charkowschen medic. Ges. 1881, Lief. 1; zit. nach 6.) die Convallariatinktur mit gutem Erfolge bei organischen Herzkrankheiten an, und Simanowski (Simanowski Botkin, Klin. Wschr. 1881, Nr. 10, S. 161; zit. nach 6.) beschreibt einen Fall, wo bei einer an Herzneurose leidenden Patientin durch die Blütentinktur (viermal täglich 10 Tropfen) verschiedene nervöse Schmerzen und anfallsweise auftretende Symptome von Angina cordis beseitigt wurden. 1881 veröffentlichte Bogojawlensky (Bogojawlensky, Dissert. St. Petersburg 1881; zit. nach Kobert, Schmidts Jahrbücher der ges. Medicin, Bd. 197, S. 188.) eine Dissertation über den pharmakologischen und klinischen Einfluß der Convallariablüten auf das Herz. In Frankreich war es G. Sée (G. Sée, Du diagnostic et du traitement des maladies du coeur, 1883.), der die Droge wieder in die ärztliche Praxis einführte und bei einer Reihe von verschiedenen Herzleiden Erfolge hatte. Besonders auffallend war die diuretische Wirkung. Ebenso wird nach Filhoud - Lavergne (Filhoud-Lavergne, Etude sur la convallaria maïalis, physiol. et thérap., Thèse de Paris, 1883.) die Diurese erheblich erhöht. Leclerc (Leclerc, Précis de Phytothérapie, S. 311.) ist dagegen der Ansicht, daß Convallaria als diuretisches Herzmittel von untergeordneter Bedeutung ist, während es ausgezeichnete Dienste als Herzsedativum bei nervösen Aufregungszuständen leistet.
Nach Potter (Potter, Mat. med., S. 253.) verursachen letale Dosen der Wurzelpräparate zunächst Unregelmäßigkeit der Herzaktion, Spasmen der respiratorischen Muskeln, hohen Blutdruck und sehr beschleunigten Puls; nachher verminderten Blutdruck, sehr langsame und tiefe Atmung, schließlich Stillstand des Herzens in Systole. Sie wirken durch direkte Erregung des Pneumogastrikus, während die zerebralen Funktionen unberührt bleiben. Das darin enthaltene Convallarin ist - nach Potter in Dosen von 0,18 g - ein kräftiges Purgans. Außer der Verwendung als digitalisähnliches Herztonikum ohne kumulative Wirkung empfiehlt Potter die Droge auch bei Pneumonien, typhösen Fiebern und Hydrops.
Lewin (Lewin, Nebenwirkungen der Arzneimittel, S. 571.) sah als Nebenwirkungen Nausea, Flatulenz und Diarrhöen, Vertigo und hochgradiges Schwächegefühl auftreten; nach Gaben von 0,006-0,03 Convallamarin Salivation, Nausea, Gastralgie, Vomitus und Diarrhöe.
Als Kontraindikation der Convallariamedikation gibt Desplats (Desplats, Journ. des sciences med. de Lille, 1882, 20. Oktober.) an: Gastrointestinalkatarrh, akute Leber-, Nieren- und Milzerkrankungen und fettige Degeneration des Herzmuskels.
In neuester Zeit haben sich verschiedene Forscher mit Untersuchungen der Maiblumen befaßt und dabei folgendes festgestellt: Die Convallariaglykoside wirken am Froschherzen strophanthinähnlich (Walser, Ann. méd. 1926, Nr. 20, S. 288; von der Zijp, Acta neerl. Phys. 1932, Nr. 2, S. 210.) (vgl. auch das Kapitel Digitalis purpurea und Strophanthus). Convallaria wirkt dabei mehr diuretisch. Experimentell hat sich vor allen Dingen Costopanagiotis (Costopanagiotis, Naunyn-Schmiedebergs Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1932, Bd. 167, S. 660.) mit der diuretischen Wirkung der Convallariaglykoside beschäftigt. Er stellte an der isolierten durchströmten Froschniere eine besonders starke Wirkung der Glykoside (Diuresesteigerung bereits bei der Konzentration 1 : 50 Millionen) fest.
Convallaria erhöht den Blutdruck (Gordonoff u. Daum, Dtsch. med. Wschr. 1928, Bd. 54, Nr. 12, S. 469.), und zwar infolge Kontraktion der Blutgefäße (Vartiainen, Acta Soc. Medic. fenn. Duodecim A 1929, Bd. 13, H. 1, Nr. 1, S. 1.). Das Glykosid Convallamarin ruft in starken Dosen systolischen Herzstillstand hervor (Ogawa, Folia pharmacol. jap. 1928, Bd. 7, S. 335.) mit hämolytischer Infiltratbildung (Weicker, Naunyn-Schmiedebergs Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1932, Bd. 178, S. 743.). Schon 1909 hatte Noguera (Noguera, Gazeta Medica catalana 1909, IX.) es bei Mitralinsuffizienz mit Dekompensation und Herzdilatation, ferner bei Herzhypertrophie mit Dyspnoe und beim Bauchtyphus gelobt. Nach ihm wird dieses Glykosid folgendermaßen dosiert: Für Erwachsene 0,02-0,2 g pro Dosis, für Kinder 0,02-0,04 g peroral in Pillen- oder Mixturform täglich. Für Erwachsene ist als vorteilhafteste Dosis 0,03 g zweimal täglich zu verzeichnen. Als Kontraindikation für die Anwendung dieses Glykosides gilt starke Degeneration cordis sowie Leber- und Nierenerkrankungen.
Das zweite Glykosid, das Convallatoxin, ist ein sehr starkes, aber auch gefährliches Kardiakum. 1 g des reinen Glykosides entspricht nach Karrer (Karrer, Helvetica chim. Act. 1929, Nr. 3.) etwa 3-3 ½ Millionen FD. Demgegenüber hat 1 g Digitoxin nur 270 000 FD pro Gramm.
Auburtin, Lévy und Wester (Auburtin, Lévy et Wester, Paris médical 1932, Nr. 19.) prüften dieses kristallisierte Glykosid an 32 Patienten mit einer schweren Herzinsuffizienz. Sie gaben pro Dosis 0,000143 g und erzielten bei 26 Fällen befriedigende Resultate. Auch noch 0,25 mg wurden gut vertragen. Als intravenöse Injektion gab man zweimal täglich 0,143 mg. Ein Patient erhielt auf diese Weise 250 intravenöse Injektionen.
Das dritte Saponinglykosid wird Convallarin genannt. Es wirkt nicht auf das Herz, sondern ist ein drastisches Laxans, das im Halse kratzt und auch Brechreiz hervorrufen kann. Dieses Saponin ist in der Lage, die Wirkung der anderen Glykoside so anzuregen, daß eine Wirkungssteigerung beobachtet werden kann. Manche Ärzte geben der Verordnung der Volldroge den Vorzug, weil sie nicht nur das Herz, wie die Digitalis, sondern auch die Gefäße beeinflußt (K. Müller, Zeitgenössisches medizinisches Herbarium der tschechoslowakischen Flora, Prag 1936.).
Angaben über die geringe Kumulation der Convallaria finden sich neben den weiter unten folgenden u. a. bei Fromherz und Welsch (Fromherz u. Welsch, Naunyn-Schmiedebergs Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1931, Bd. 161, S. 266.). Die Wirkung der Convallariaglykoside klingt beim Warmblüter nach 4 bis 8 Stunden ab (Vgl. 23), S. 306.).
Nach Karrer (Karrer, Helv. chim. Acta 1929, Nr. 12, S. 506.) entsprechen 1 g des Krautes 3000-6600 FD., 1 g der Blüten 10 000 FD. und 1 g der Wurzel 4000-5000 FD. Digitalisblätter haben dazu im Vergleich 1500-2000 FD. Dieser Vergleich sagt allerdings für die Therapie wenig aus, weil die Convallaria-Wirkstoffe, wie bereits erwähnt, als Digitalisglykoside zweiter Ordnung (Digitaloide) sehr wenig kumulieren.
Nach neueren Untersuchungen von Straub (Straub, Münchn. med. Wschr. 1936, Nr. 83, S. 386.) bestehen diese Glykoside aus dem kristallisierenden, von Karrer dargestellten Convallatoxin und einem nicht kristallinischen Gemisch, dem man den Namen Convallamarin gegeben hat. Straub hat die wirksamen Glykoside in einem Gesamtpräparat abgetrennt, welches er Convallan nennt und welches zu 20% aus Convallatoxin und zu 80% aus Convallamarin besteht. Die Wirksamkeit dieser Mischung der Gesamtglykoside beträgt je nach dem Anfangsmaterial 4000-8000 FD.
Dieses Convallan wurde von Büttner (Büttner, Münchn. med. Wschr. 1936, S. 387.) therapeutisch geprüft. Es zeigte sich in vielen Fällen der Wirkung der Digitalis überlegen, kann aber ebenso wie die Digitalisglykoside in ganz schweren Fällen versagen. Vor allem ist es bei mittelschweren und leichten Fällen sehr geeignet und übertrifft hinsichtlich der Wasserausscheidung Digitalis und auch Strophanthin. Die Kumulation ist sehr gering. Bemerkenswert ist noch seine beruhigende Wirkung auf die Herzmuskulatur, da es Extrasystolen zu beseitigen vermag.
In der ambulanten Praxis ist nach Hauke (Hauke, Dtsch. med. Wschr. 1937, S. 1047.) das Convallan zur Therapie der Herzinsuffizienz bei leichten und mittelschweren Fällen für eine Anwendung über längere Zeit besonders geeignet. Das chronisch insuffiziente Herz bedarf einer protrahierten Therapie mit gefahrlosen und nebenwirkungsfreien Mitteln. Hauke hat in poliklinischer Behandlung Convallan in über 100 Fällen angewendet. Die Dosis betrug im allgemeinen dreimal täglich 2-3 Dragées Convallan. Jedes Dragée entspricht 1000 FD. Schembra (Schembra, Med. Klinik 1936, Nr. 22.), der auch über seine Erfahrungen mit Convallan berichtet, hebt besonders die Möglichkeit einer Dauerbehandlung hervor, da Kumulationserscheinungen nicht zu befürchten wären.
In allerneuester Zeit hat Tschesche (Tschesche, Ber. d. dtsch. chem. Ges. 1936, Nr. 69, S. 459.) im Verlaufe seiner Untersuchungen über pflanzliche Herzgifte die Konstitution des Convallatoxigenins geklärt, das im Convallatoxin an Rhamnose gebunden ist und dem Strophanthidin außerordentlich nahesteht.
Außer den Glykosiden wurden noch Asparagin-, Äpfel-, Zitronen- und Chelidonsäure, Harze und besonders in den Blüten ätherische Öle nachgewiesen (Wehmer, Die Pflanzenstoffe, Bd. 1, S. 160.).
Nach Weese (Weese, Digitalis, S. 66, Leipzig 1936.) ist die außerordentliche Zersetzbarkeit der Convallariaglykoside im Wasser bekannt. In keiner Pharmakopöe wird eine flüssige Zubereitung genannt. Ich prüfte diese Angabe nach und fand, daß die wäßrige Convallarialösung, die 8 Wochen im Kühlschrank aufbewahrt worden war, an Wirkung (berechnet auf Froschdosen) nichts verloren hatte. Die homöopathische Urtinktur enthält pro 1 ccm 385-453 FD. (Nach eigenen Untersuchungen.). In der Homöopathie (Schmidt, Lehrb. d. hom. Arzneimittell., S. 115; Stauffer, Hom. Taschenb., S. 219; Clarke, A Dict. of Mat. med., Bd. 1, S. 589.) wird Convallaria bei verlangsamtem Puls und gesteigertem Blutdruck, Arhythmie, Herzschwäche, nervösen Herzbeschwerden, Herzklopfen in Verbindung mit Uterusbeschwerden gegeben, ferner bei Bauch- und Unterleibsplethora, Jod- und Nikotinvergiftung, Diarrhöe usw.
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Litauen: Gegen Herzleiden.
Norwegen: Die Blätter bei Erkältungen, Schnupfen und Heiserkeit; früher der Blätterabsud unter dem Namen "slagvann" (Schlagwasser) auch bei Apoplexie (I. R.-K.).
Rußland (nach Mitteilung eines in Warschau lebenden Russen): Gegen Wassersucht.
Steiermark: Gegen Herzleiden und als Purgans.
Ungarn: Gegen Kopfschmerzen, Augenleiden und Gicht.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Convallaria ist ein gutes Herzmittel, das in seiner Wirkung der Digitalis ähnelt. Es unterscheidet sich von der Digitalis durch die geringere Haftfähigkeit am Herzmuskel und größere Gefäßwirkung. Der Organismus gewöhnt sich leichter an Convallaria und schon nach 5-6 Tagen muß man die Dosis erhöhen, um den gleichen Effekt zu haben. Bei Hydrops und schweren Stauungserscheinungen wird man der Digitalis stets den Vorzug geben. Hingegen lassen sich die nervösen Herzbeschwerden, wie sie z. B. während des Klimakteriums und der Schwangerschaft oder bei zu starker körperlicher Betätigung auftreten, besser mit Convallaria als mit Digitalis behandeln. Bei akuter und chronischer Endokarditis kann man es gelegentlich als Wechselmittel mit anderen geeigneten Kardiaka anwenden.
Nachzuprüfen wäre vielleicht auch noch die in Rußland weitverbreitete Anwendung gegen Epilepsie.
Von homöopathischer Seite wird es gelobt bei Arhythmie, Extrasystolen und Herzneurosen mit Sternaldruck (hier Convallaria D 3 in Verbindung mit Strophanthus D 2, dreimal täglich 8 Tropfen). Häufig genannt wird Convallaria auch bei Herzstörungen der Jugendlichen und solcher Patientinnen, die gleichzeitig an Unterleibsbeschwerden (Dysmenorrhöe, habitueller Menorhagie, Hydrops uteri usw.) leiden. Auch bei Asthma, basedowoiden Erscheinungen, Folgen von Jod- und Nikotinvergiftung wird das Mittel genannt.
Äußerlich wird es seit alters her in der Form des Niespulvers bei chronischem Schnupfen und als alkoholischer Auszug zu Einreibungen bei Rheuma und Podagra gebraucht.
Angewandter Pflanzenteil:
Bei Paracelsus findet sich bei drei Belegstellen einmal die bestimmte Angabe der Verwendung der Blüten.
Lonicerus nennt die Blüten kräftiger als das Kraut.
Matthiolus und v. Haller erwähnen nur die Blüten.
Potter nennt in erster Linie den Wurzelstock und die Wurzeln, außerdem noch die Blüten, Stengel und Blätter.
Geiger gibt den Gebrauch der Blüten, Zörnig den des getrockneten, blühenden Krautes, Hager den des getrockneten Krautes, außerdem den der Blüten und des Wurzelstockes an.
Marfori-Bachem erwähnt die frühere Benutzung der ganzen Pflanze als Ersatz für Digitalis.
Für den wirksamsten Ausgangsstoff der Präparate halte ich die ganze blühende Pflanze, aus der auch das "Teep" hergestellt wird. Homöopathische Urtinktur nach dem HAB.: Frische blühende Pflanze ohne Wurzel (§ 3). Herba Convallariae ist offizinell in Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Schweiz und Spanien.
Dosierung:
- Übliche Dosis:
In der Homöopathie: dil. D 3-4, dreimal täglich 10 Tropfen.
Maximaldosis: 1 g pro dosi, 3 g pro die der Tinktur (Ergänzb.).
Rezepte:
Bei leichten Herzstörungen (nach Rost-Klemperer):
- Rp.:
Oder (nach Antwerp. Ap.-V.):
- Rp.:
Bei Herzschwäche (nach Lhoták):
- Rp.:
Bei nervösen Herzerkrankungen (nach Rost-Klemperer):
- Rp.:
Grüner Schneeberger Schnupftabak gegen Schnupfen (nach Hager):
- Rp.:
Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.