Digitalis lanata. Scrophulariaceae.
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Name: Digitális lanáta Ehr. Wolliger Fingerhut. Französisch: Digitalis lanifére; englisch: Woolly foxglove.
Namensursprung: Zu Digitalis und Fingerhut vgl. Digitalis purpurea; lanata = wollig.
Botanisches: Die in Südosteuropa, vereinzelt auch im Leithagebirge vorkommende ausdauernde Pflanze wird über 1 m hoch. Der einfache, aufrechte, vielkantige Stengel ist besonders oberwärts drüsig-flaumig behaart. Er erhebt sich aus einem dichten Schopf grundständiger Blätter, die auch den unteren Teil des Stengels in spiraliger Anordnung dicht besetzen. Sie stehen schräg vom Stengel ab mit übergeneigter Spitze. Sie sind lineal-lanzettlich, über die Mitte am breitesten, ganzrandig, höchstens schwach wellig, kahl und oberseits dunkler, unterseits heller grün. Die Nervatur ist bogenläufig, der Mittelnerv tritt auf der Unterseite scharf hervor, so daß sich oberseits eine Rinne bildet. Die Laubblätter sind sitzend und etwas herablaufend, besonders der Mittelnerv läuft in einen scharfen Kiel aus. Die Blüten stehen in lockerer, allseits wendiger Traube. Die nach oben kürzer werdenden Tragblätter überragen die Blüten um mehr als das Doppelte. Sie sind schmal lanzettlich und am Rande besonders nach dem Grunde zu gewimpert und sitzend. Blüten sitzend, waagerecht vom Stengel abstehend. Kelch fünfteilig. Kelchzipfel schmal, am Rande und unterseits dicht drüsig behaart, 10-13 mm lang. Blüten röhrig-glockig. Unterer Teil der Röhre eng, dann sich bauchig-glockig erweiternd. Oberlippe sehr kurz, ausgerandet. Unterlippe breit nach unten umgerollt mit zwei kleinen Seitenzipfeln. Der enge Teil der Kronenröhre grünlich oder gelblich-weiß, der bauchige Teil auf grünlich- oder gelblich-weißem Grunde gelbbraun (innen erhaben) genetzt. Unterlippe weißlich. Spitze bisweilen rötlich. Länge der Blüte etwa 2,5 cm, außen drüsig behaart. Kapsel eiförmig mit zwei Längsfurchen, drüsig behaart, braun. Digitalis lanata läßt sich als pontische Pflanze noch sehr gut im Osten Deutschlands anbauen. Die Kulturen in Sachsen gedeihen sehr gut, ebenso ergiebig hat sich der Anbau in Ungarn gezeigt. Blütezeit: Juni bis Juli.Geschichtliches und Allgemeines:
Digitalis lanata hat erst in neuerer Zeit Aufnahme in die Arzneikunde gefunden. Nach vergleichenden experimentellen biologischen Untersuchungen von Bertonasco (Bertonasco. G. Farmac. Chim. Sci. affini 1934, Nr. 83, S. 421-24 (C. C. 1935.) liefert Digitalis lanata unter gleichen Kulturbedingungen Blätter mit dreifach höherer physiologischer Wirksamkeit als Digitalis purpurea. Bei Digitalis lanata nahm nach mehreren heißen und trockenen Tagen mit hoher Luftund Bodentemperatur und langer Sonnenscheindauer der Glykosidgehalt zu (Dafert, Himmelbaur u. Loidolt, Sci. pharmaceutica 1935, Nr. 6, S. 45-53 (C. C. 1935).).
Wirkung
Seitdem Wokes (Wokes, Quart. Journ. of Pharmacy and Pharmacol. 1929, Nr. 2, S. 292.) und Dafert und Lasch (Dafert u. Lasch, Pharmac. Act. Helv. 1926, S. 79.) gezeigt haben, daß die Blätter der Digitalis lanata im Vergleich zu denen von Digitalis purpurea qualitativ gleichwertig, quantitativ aber drei- bis fünfmal so stark wirken, kommt Digitalis lanata neuerdings mehr und mehr in Aufnahme. Auch ich konnte in meinem Laboratorium feststellen, daß Proben von Digitalis lanata oft zwei- bis dreimal soviel Froschdosen ergaben als die von Digitalis purpurea.
Chemie der Digitalis-lanata-Wirkstoffe:
Nachdem es gelungen ist, die die Digitalisglykoside zersetzenden Fermente durch schnelle Erhitzung der frischen Blätter oder auch durch Einwirkung von Alkoholdämpfen beschleunigt abzutöten, ist es möglich, die herzwirksamen Glykoside der Digitalispflanzen so gut wie vollständig zu gewinnen und einer genaueren Untersuchung zugänglich zu machen. Bei der Digitalis lanata waren es Stoll und Kreis (Stoll u. Kreis, Münchn. med. Wschr. 1933, Nr. 19, S. 723.), die als erste ein Wirkstoffgemisch dieser Pflanze unter dem Namen Digilanid untersuchten. Dieses ist ein Gemisch der drei isomorph-kristallisierten Lanataglykosiden A+B+C, die neben einem Molekül Glukose noch drei Moleküle Digitoxose und eine Azetylgruppe enthalten. Mit verdünntem Alkali behandelt, lassen sich diese Glykoside überführen in die Desazetyl-Digilanide A+B+C und durch weitere systematische Aufspaltung in die Glykoside Digitoxin, Gitoxin und Digoxin. Die Lanataglykoside A und B unterscheiden sich von den gemeinen Purpureaglykosiden nur durch eine einzige Eigenschaft, nämlich dadurch, daß sie einen mit einem Digitoxosemolekül esterartig gebundenen Azetylrest enthalten. Diese Azetylgruppe läßt sich, wie auch Mohs 1933 bestätigen konnte, durch alkalische Hydrolyse leicht abspalten. Wie Stoll (Stoll, Chemiker-Ztg. 1935, Nr. 76, S. 773.) nachweisen konnte, sind die bisher aus der Digitalis purpurea isolierten Glykoside Digitoxin und Gitoxin bereits Spaltprodukte der genuinen Purpureaglykoside, aus denen sie durch enzymatische Hydrolyse hervorgehen. Das von Mannich und seinen Mitarbeitern (Mannich, Mohs u. Mauß, Arch. Pharmaz. 1930, Bd. 268, S. 435.) aus Digitalis lanata isolierte Lanadigin ist ein Glykosid Digilanid C, das gemischt ist mit nicht geringen Mengen von Digilanid A und B, also eine Art Vollauszug, wie es deren verschiedene im Handel gibt (Pandigal, Digilanid usw.).
Pharmakologisches:
Bei Hunden verursachte Lanadigin (injiziert) Blutdrucksteigerung, erhöhte Herzleistung, dann Gefäßkontraktion und Erregung der Atmung, nach toxischen Gaben Irregularität der Atmung und der Herzfunktion, Vorhofflimmern und schließlich Ventrikelstillstand vor dem Atemstillstand. Die glatte Uterus- und Darmmuskulatur wird durch Lanadigin erregt (Samaan, Quart. J. Pharm. 1934, Bd. 7, S. 192.). An den Herzmuskel ist Lanadigin lockerer gebunden als andere Digitalisglykoside, so daß die Wirkung flüchtiger ist und rascher eintritt (Schwiegk, Münchn. med. Wschr. 1931, Nr. 15, S. 651; Schwab, Med. Klin. 1931, Nr. 30, S. 1112; Seide, Münchn. med. Wschr. 1931, Nr. 30, S. 1259.). Auch Digoxin entfaltet eine rasche Wirkung, die therapeutisch namentlich bei Vorhofflimmern genützt wird (Wayne, Heart 1933, Bd. 1, S. 63.). (über die Pharmakologie der Digitalisglykoside vgl. das Kapitel Digitalis purpurea.)
Ein Unterschied gegenüber der Digitalis purpurea ist die viel geringere kumulative Wirkung des Infuses. Die Tinkturen beider Drogen zeigten dagegen gleichwertige kumulative Wirkung. Bei diesen Untersuchungen stellte Esveld (Esveld, Meded Rijksinst. pharmacother. Onderz. Nr. 20, S. 469.) fest, daß im Gegensatz zu dem nicht kumulierenden, bei 80° bereitetem Infus die kalte Mazeration die kumulative Wirkung zeigte. Er folgert daraus, daß die wirksamen Bestandteile der Digitalis lanata z. T. nicht kumulieren, z. T. eine kumulative Wirkung haben, daß diese letzteren aber bei der Erhitzung zerstört bzw. in nicht kumulierende Stoffe umgewandelt werden.
Rothlin (Rothlin, Verhdlg. Schweiz. Naturforscherges. 1932, S. 437.) fand, daß das Lanataglykosid C am stärksten kumuliert.
Lendle (Lendle, Heffter-Heubners Handb. d. exp. Pharm., Ergänzungswerk Bd. 1.), der diese Angabe bestätigte, ermittelte auch für das Glykosid B eine höhere Kumulationsneigung als für das Glykosid A.
In Untersuchungen über die Wirkungsunterschiede zwischen Digitalis purpurea und Digitalis lanata, die am Kaltblüter durchgeführt wurden, kam Heim (Heim, Naunyn-Schmiedebergs Arch. f. exp. Path. u. Pharm., Bd. 184, H. 2/3, S. 214.) zu folgenden Resultaten:
Unterschiede zwischen Digitalis lanata und purpurea bestehen: 1. Hinsichtlich der Latenzzeit, die am hypodynamen Straub schen Herzen für Digitalis purpurea drei- bis viermal so lang ist als für Digitalis lanata in gleicher Konzentration. 2. Wird die maximale Arbeitsleistung (Minutenvolumen) des durchströmten isolierten Froschherzens durch Digitalis lanata rascher erreicht, als durch Digitalis purpurea gleicher Konzentration. Die therapeutische Phase dagegen dauert bei dem mit Digitalis purpurea durchströmten Froschherzen länger an als mit Digitalis lanata gleicher Konzentration. 3. Bestehen auch hinsichtlich der Wirkung auf die isoliert durchströmten Gefäße der hinteren Extremitäten des Frosches qualitative Unterschiede. 4. Ist an der künstlich durchströmten Froschniere mit Digitalis purpurea eine diuretische Wirkung regelmäßiger zu erzielen als mit Digitalis lanata. Außerdem bestehen hinsichtlich der Reversibilität auf Nierenparenchym und Nierengefäße qualitative Unterschiede zwischen Digitalis purpurea und lanata.
Rothlin (Vgl. 10.) stellte fest, daß der Gesamtauszug aus Digitalis lanata auch peroral sehr günstig wirkt, und daß solche Auszüge noch nach zwei Jahren den gleichen Wirkungswert hatten, also als gut haltbar bezeichnet werden müssen.
Spezielle Angaben über die Pharmakologie der Digitalis lanata und ihrer Inhaltsstoffe siehe auch in den einzelnen Abschnitten der Bücher von Weese (Weese, Digitalis, Leipzig 1936.) und Lendle (Lendle, vgl. 11).).
Klinische Ergebnisse:
An der Morawitzschen Klinik in Leipzig wurde von Hochrein und Lechleitner (Hochrein u. Lechleitner, Münchn. med. Wschr. 1933, Nr. 19, S. 727.) das Digilanid einer gründlichen klinischen Prüfung unterzogen. Bei der Verträglichkeitsprüfung zeigte es sich, daß kreislaufgesunde Kranke in der Mehrzahl dreimal täglich 15-20 Tropfen anstandslos vertragen konnten, nur der leicht bittere Geschmack wirkte störend. Bei den Kreislaufkranken erreichte die Digitaliswirkung nach 2-3 Tagen durch Kumulation die optimale Höhe, die dann durch geringere Dosen aufrechterhalten werden konnte. Gibt man längere Zeit übergroße Dosen von 60-75 Tropfen täglich, so treten bald Rhythmus- und Leitungsstörungen ein. Das Digilanid zeigt schon innerhalb der ersten 24 Stunden eine deutliche Wirkung auf Puls und Diurese. Die Diurese kann man weiter beschleunigen durch Einspritzungen von Salyrgan. Bei der Prüfung der Wirkung auf den Puls zeigt sich folgendes: Von den 28 Kranken, die vor dem Beginn der Behandlung einen Puls von mehr als 90 hatten, reagierten 25 mit deutlicher und anhaltender Pulsverlangsamung, bei den drei Versagern handelte es sich um schwere Herzkranke, die bald darauf starben. Bei 32 Kranken mit einer Pulsfrequenz von unter 90 zeigte sich weniger regelmäßig eine Pulsverlangsamung, nur 16 zeigten eine deutliche Bradykardie und die anderen 16 ließen trotz Besserung der Krankheitserscheinungen jeden Einfluß auf die Pulszahl vermissen.
Nach Ansicht der beiden Kliniker hat Digilanid eine außerordentlich starke diuretische Wirkung, und zwar eine stärkere als die der bisher bekannten Digitalisstoffe. Störungen wie bei der Strophanthin-Salyrganbehandlung traten nach Verabfolgung von Digilanid allein nicht auf. Eine Vorstellung über die diuretische Wirkung gibt der auf der folgenden Seite zitierte Bericht*). Eine Gewichtsabnahme durch die Diurese von 3-6 kg in 5-7 Tagen war keine Seltenheit. Schwere kardiale Hydropsien verloren bis zu 16 kg innerhalb von 14 Tagen.
Von den Stauungserscheinungen wird besonders hervorgehoben die rasche Beseitigung der Stauungsdyspepsien trotz peroraler Anwendung des Digilanids. Bei der Prüfung der Wirkung auf die Arhythmia absoluta bei Vorhofflattern und -flimmern gelang es nur bei drei von 20 Patienten, allein durch Digilanid Regelmäßigkeit des Pulses zu erzielen. Bei sieben Kranken, die mit normaler Reizbildung zur Behandlung kamen, trat ein Umschlag in Arhythmia absoluta ein, dabei in vier Fällen ohne Zusammenhang mit der Digitalistherapie, in drei Fällen im Zusammenhang. Bei diesen drei lagen schwere Myokardschädigungen vor, so daß bei diesen das Auftreten von Vorhofflimmern noch nicht als eine Folge der Digitaliswirkung angesehen werden könnte. Von 12 Patienten mit sporadischen Extrasystolen verloren sechs diese Erscheinungen, bei vier zeigten sich keine Veränderungen, bei zwei Verschlimmerungen. In sieben Fällen traten während der Klinikbehandlung neue Extrasystolen auf, und zwar davon drei während der Digilanidbehandlung. Die Verff. halten hier einen Zusammenhang dieser Unregelmäßigkeit mit der Digitaliswirkung für wahrscheinlich. Nach Ansicht der Verff. ist das Hauptindikationsgebiet des Digilanids das gleiche wie das aller Digitaliskörper, nämlich das insuffiziente Herz. Selbstverständlich wurden auch Versager beobachtet. Bei drei Personen blieb Digilanid völlig wirkungslos. Nach zweitägiger Pause wurde dann Strophanthin eingesetzt, das jedoch nur in einem Falle nach 25 Injektionen innerhalb 45 Tagen Erfolg brachte. Die beiden anderen Fälle (Aneurysma bzw. Myokarditis und rekurrierende Endokarditis) erlagen trotz Strophanthin ihren Leiden.
Digitalis lanata ist an verschiedenen anderen Kliniken geprüft worden. Die Frage, ob es die Purpurea an Wirkung übertrifft, ist jedoch immer noch umstritten. An zahlreichen Kliniken werden Lanata-Präparate gelobt, an anderen wieder abgelehnt. So vertritt Freund (Freund, Schweiz. med. Wschr. 1935, Nr. 41.) die Ansicht, daß Digitalis lanata infolge geringer Haftfähigkeit nie als alleiniges Präparat volle und genügende Digitaliswirkung entfalten und daher die Digitalis purpurea nicht ersetzen kann.
Auch Roth (Roth, Schweiz. med. Wschr. 1935, Nr. 33, S. 741.) beobachtete bei zwei Patienten ein Versagen der Lanata-Therapie. Unter der Behandlung mit Digilanid wurde das subjektive Befinden immer schlechter, die Diurese ging weiter zurück und die Ödeme nahmen zu. In diesen beiden Fällen führte Scilla zu gutem Erfolg. Für die Digitalis lanata-Therapie setzt sich u. a. Schellong (Schellong, Dtsche. med. Wschr. 1937, Nr. 11 und 13.) ein.
Anwendung:
Digitalis lanata hat die gleichen Indikationen wie Digitalis purpurea, wird aber überall da bevorzugt, wo raschere Wirkung erstrebt wird, aber längeres Anhalten der Wirkung nicht erforderlich ist.
+) Beispiel für die Anwendung: (Nach Hochrein und Lechleitner, "Münch. med. Wochenschr." 1933, S. 727.)
N. O., 56jähriger Bäcker. Diagnose: Myokarditis chronica, Mitralinsuffizienz, Arhythmia absoluta. Arteriosklerose. Am 14. März 1932 kam dieser Kranke zum erstenmal in klinische Behandlung mit den Zeichen hochgradiger Dekompensation (Dyspnoe, Zyanose, Bronchitis, Hydrothorax, Leberschwellung, Meteorismus, Aszites, Gastritis, ausgedehnte Ödeme). Wegen des bedrohlichen Zustandes wurde sofort eine Strophanthin-Salyrganbehandlung eingeleitet. Nach drei Tagen begann eine starke Harnflut, durch die alle Stauungserscheinungen innerhalb von drei Wochen bei einem Gewichtsverlust von über 19 kg beseitigt wurden, der Kranke konnte völlig kompensiert nach fünf Wochen entlassen werden. Seitdem kam der Kranke noch dreimal mit annähernd demselben Grad der Herzinsuffizienz zu uns. Während wir früher Digitalis mit Salyrgan kombinieren mußten, gelang es mit Digilanid allein, völlige Kompensation und Ödem-Ausschwemmung mit 11 kg Gewichtsverlust innerhalb von acht Tagen zu erzielen. Der Vergleich des Erfolges während der letzten beiden Behandlungsperioden machte den Einfluß der Dosierung auf den Wirkungseintritt deutlich. Bei anfänglich großen Dosen steigt die Diurese rascher und steiler an.
** missing image **Zur vorstehenden Krankengeschichte.
Dosierung:
Übliche Dosis: 0,06-0,1 g Fol. Digitalis lanatae titrat. zweimal täglich.
Homöopathische Dosis:
Maximaldosis:
Rezeptpflichtig:
Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.