Galeopsis ochroleuca. Ockergelber Hohlzahn. Labiatae.
Name: Galeópsis ochroléuca Lam. (= Galeopsis dubia Leers, = G. villosa Hudson, = G. prostata Vill., G. grandiflora Roth, = G. cannabina Pollich non Roth nec Gmel., = G. latifolia Suter non Hoffm., = G. parviflora Murith non Lam., = Ladanum luteum Gilib., = Tetrahit longiflorum Moench, = Galeopsis elegans Boreau, = G. landanum var. villosa Ascherson und var. ochroleuca O. Kuntze, = Ladanum dubium O. Kuntze p. p.). Zottige Hanfnessel, Ockergelber Hohlzahn. Französisch: Chanvre sauvage, galiope; englisch: Hemp-nettle; italienisch: Gallinaccia, gallinella, galeopside; dänisch: Gul Hanekro; polnisch: Poziewnik; russisch: Pikulnik, Zabrej; schwedisch: Då tschechisch: Konopice huňatá ungarisch: Kenderkefü.
Verbreitungsgebiet: In Österreich, Ungarn, Kroatien und Rumänien vielleicht nur adventiv oder als Kulturrelikt
Namensursprung: Der von Dioskurides und Plinius für Scrophularia peregrina gebrauchte Name Galeopsis wird meistens vom griechischen γαλ_α, γαλί (galea, gale) = Iltis, Marder, Wiesel und _ψις (opsis) = Aussehen, Gesicht wegen der Iltisköpfen ähnelnden Blüten abgeleitet; ochroleuca bezeichnet die blaßgelbe Farbe der Blüten. Die hanfähnlichen Blätter veranlaßten den Namen Hanfnessel, während die Bezeichnung Hohlzahn auf das Vorhandensein je eines hohlen spitzen Zähnchens auf beiden Seiten der Blütenunterlippe zurückzuführen ist.
Volkstümliche Bezeichnungen (für verschiedene Galeopsis-Arten): Doan (Salzburg), Tauara (St. Gallen), Dangel (Ostfriesland), Daünettel (niederdeutsch), Dahndistel (Eifel), Daanesel (Hunsrück), Daoeßl (Schwäb. Alb), Danoisen (bayr. Schwaben). Auch sonst wird die Pflanze oft mit einer Nessel verglichen: Hårte Nessel (Nordböhmen), Wildi, Neßle, Brunnessel (Aargau), Stachelnessel (Nahegebiet). Die Lippenblüte wird nicht selten mit einem Kopf oder Gesicht verglichen, daher Dickköppe (Westfalen), Hahnenkopf (Südböhmen), (stechender) Lueger (oberdeutsch, besonders schweizerisch "luegen" = ausschauen) (Böhmerwald), Luege (Schweiz), Glure (schweiz. lugen) (Thurgau). Im Schwäbischen wird der Pflanzenname häufig in Verbindung mit "brennen" gebracht: Brenn-, Brandkraut (Schwäbische Alb).
Botanisches: Der Ockergelbe Hohlzahn hat einen etwa 30 cm hohen, stumpf-vierkantigen Stengel, der an den Knoten nicht verdickt und kurz-flaumig behaart ist. Er ist außerdem, vor allem im oberen Teile, mit Drüsenhaaren besetzt. Die eiförmigen bis eiförmig-lanzettlichen Blätter sind unten am Stengel lang gestielt und werden nach oben immer kleiner und kürzer gestielt bis sitzend. Die Farbe der 25-30 mm langen Kronen der Lippenblüten ist weißlich-gelb (im Ahrtal auch rot). Die kalkfliehende Pflanze wächst auf sandigen Äckern, auf Kies und Schiefer und kommt besonders im westlichen Deutschland vor, während sie in Ostdeutschland fehlt. Frisch riecht sie eigentümlich, aber schwach aromatisch, trocken gar nicht. Sie schmeckt salzig-bitterlich. Blütezeit: Juli bis Oktober. Verbreitungsgebiet: Europa.
Geschichtliches und Allgemeines:
Die Pflanze, von der schon Dioskurides eine botanische Beschreibung gibt, wurde ehedem unter der Bezeichnung Sideritis arvensis als Mittel gegen Lungenkrankheiten sehr geschätzt. Von Gerhard wurde sie außerdem noch zur Heilung von Wunden und von Caesalpinus gegen Tertianfieber empfohlen. In Baldringers Magazin für Ärzte 1775-1778 wurde vielfach auf die Heilkraft vom Hohlzahn bei ernsten Lungenerkrankungen hingewiesen. 1792 erwähnt der Stiftsvikar Martinstock in der "Flora von Bern", daß Galeopsis in der Rheingegend als Volksmittel bei Schwindsucht gebraucht wurde. Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts genoß sie als Bestandteil verschiedener, teilweise als Geheimmittel geltender Tees (Blankenheimer Tee, Brockhaus-Johannistee, Lieberscher Kräutertee, Brusttrank der Dem. Libert in Malmedy), die als Universalmittel gegen Schwindsucht gerühmt wurden, großes Ansehen und wurde zu sehr hohen Preisen verkauft, bis 1824 durch ein Verbot der Behörden diesem schwunghaften Handel ein Ende bereitet wurde. Zu besonders hohen Preisen wurde von dem Regierungsrat Lieber in Kamberg der Tee als Geheimmittel in den Handel gebracht. Er verlangte für ein Viertelpfund des Originalpaketes einen Gulden. Unter drei Originalpaketen wurde der Tee nicht abgegeben. Der Apotheker Stein in Frankfurt am Main fand in dem Tee den Samen und zog daraus die Pflanze. Dadurch wurde bekannt, daß es sich um Galeopsis handelte.
Wirkung
Bock (Bock, Kreutterbuch, 1565, S. 2.) und Matthiolus (Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 395.) zählen Galeopsis zu den Nesseln, denen sie allgemein erweichende, blähungstreibende, diuretische und wundreinigende Kräfte zusprechen und die auch bei Krebs, Wolf, Beulen und Geschwülsten dienlich sein sollen.
Infolge seines Kieselsäuregehaltes (vgl. auch Equisetum) gilt der Hohlzahn als Volksheilmittel bei Lungenleiden (Kobert, Lehrb. d. Pharmakother., S. 504.) und ist ein Bestandteil des Kobert-Kühnschen "Kieseltees", dessen Heilwirkung bei leichten Lungenspitzenkatarrhen Kühn beobachtet hat (Zit. in Kroeber, Das neuzeitliche Kräuterbuch, S. 171.).
Schon Lejeune (Lejeune, Annales génerales des Sciences physiques, 1820, Sept.) und Wesener (Wesener, i. Hufelands Journal Bd. 58, V., S. 64.) berichteten von der Heilkraft dieses Mittels bei chronischen Lungenkatarrhen, Phthisis pituitosa und chronischer Affektion der Magenschleimhäute. Lejeune hatte den Hohlzahn als angesehenes Volksmittel in den Ardennen kennengelernt.
H. Schulz (H. Schulz, Pflügers Arch. 1901, Bd. 84, S. 67; 1902, Bd. 89, S. 112.) hat gezeigt, daß der Kieselsäuregehalt in den menschlichen Geweben mit dem Altern abnimmt. Smithlen (Smithlen, Wien. med. Wschr. 1923, S. 614.) konnte durch intravenöse Zufuhr von Na-Silikat-Lösung Heilung bei senilem Ekzem und Pruritus erzielen.
Rademacher (Rademacher, Erfahrungsheill., Bd. 1, S. 210.) bezeichnet Herba Galeopsid. grandifl. als ein berühmtes Milzmittel der alten Zeit, welches nicht zu verachten sei.
Küchenmeister (Küchenmeister, zit. b. Clarus, Handb. d. spec. Arzneimittell., S. 1056.) fand, daß es Milzkontraktionen verursacht.
Nach Bohn (Bohn, Die Heilwerte heimischer Pflanzen, S. 46.) steht seine Mineralsalz-Zusammensetzung der des menschlichen Blutes am nächsten.
Der Kieselsäuregehalt der Pflanze schwankt stark nach Alter und Boden. Gaudard (Gaudard, Pharm. Acta Helv. 1929, Nr. 4, S. 157.) fand bei seinen Untersuchungen 0,72-0,90 v. H. und kommt zu dem Urteil, daß dieser Gehalt zu gering ist, um die Pflanze zu den typischen Kieseldrogen zu rechnen.
Die expektorierende Wirkung und die Wirkung bei äußerlicher Anwendung werden durch die Anwesenheit von Saponin (Kroeber, Pharm. Zentralhalle 1923, Nr. 64, S. 353.) und von rund 6% Gerbstoff erklärt (Vollmer, Naunyn-Schmiedebergs Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1934, Bd. 176, S. 207.). Außerdem ist ein glykosidischer Bitterstoff vorhanden (Wehmer, Die Pflanzenstoffe, S. 1029.). Hinsichtlich der Erhaltung der Fermente in Zubereitungen aus Galeopsis wurde festgestellt, daß Peroxydase und Oxydase im "Teep"-Präparat gut erhalten waren, während in der homöopathischen Tinktur Oxydase nicht und Peroxydase nur bedeutend schwächer nachweisbar waren (Nach eigenen Untersuchungen; vgl. auch Kuhn u. Schäfer, Pharm. Ztg., 80, 1029, 1935.).
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Dänemark: Gegen Darmleiden.
Polen: Gegen Lungenleiden und Darmerkrankungen:
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Galeopsis ochroleuca ist ein sehr beliebtes Mittel bei Lungentuberkulose, das auch bei Bronchitis mit starker Verschleimung, Husten und Asthma bronchiale Anwendung findet. Zu berücksichtigen ist es ferner bei Anämie, Milzleiden, Darmschwäche und schließlich Furunkulose.
Galeopsis wird häufig im Teegemisch mit Cetraria islandica, Salvia, Equisetum, Polygonum aviculare, Plantago lanceolata u. a. verordnet.
Angewandter Pflanzenteil:
Bock und Matthiolus, die Galeopsis zu den Nesseln zählen, empfehlen das Kraut, außerdem führt Matthiolus noch einzeln die Blüten, Wurzeln und Samen an.
Geiger kennt den Gebrauch der blühenden Pflanze ohne Wurzel.
Bohn nennt die blühende Pflanze, Kobert das Kraut.
Zörnig und Thoms erwähnen das blühende Kraut.
Für die Zubereitungen empfehle ich das frische blühende Kraut (Sammelzeit: Juli bis August), aus dem auch das "Teep" hergestellt wird. Homöopathische Essenz nach dem HAB.: Frische blühende Pflanze ohne Wurzel (§ 1).
Herba Galeopsidis ist in Österreich und in der Schweiz offizinell.
Dosierung:
- Übliche Dosis:
Maximaldosis:
Rezepte:
Bei Lungentuberkulose und Bronchitis:
- Rp.:
1 Teelöffel voll wiegt 1,9 g. Man kann für 1 Teeglas bis zu 1 Teelöffel voll verwenden und setzt zweckmäßig heiß an.).
Bei Husten und Brustverschleimung (nach Rose):
- Rp.:
Bei Lungenkrankheiten (nach Wittlich):
- Rp.:
Bei Bronchitis (nach Ulrich).
- Rp.:
Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.