Gaultheria procumbens. Amerikanisches Wintergrün. Ericaceae.
Name: Gaulthéria procúmbens L. Amerikanisches Wintergrün, Kanadischer oder Labradortee. Französisch: Gauthérie, thé de Jersey, thé de montagne; englisch: Winter-green, boxberry, mountain-tea, partridge-berry; dänisch: Vintergrönt; italienisch: Gaulteria; norwegisch: Vintergrönn; polnisch: Starześl, herbata kanadyiska; russisch: Kanadskij czaj; schwedisch: Vintergrön; tschechisch: Gaultherie libavka položená.
Namensursprung: Die Pflanze soll nach dem kanadischen Arzt Gautier, der sie in die Heilkunde eingeführt haben soll, so benannt worden sein. Durch Verstümmelung ist der von Linné geprägte Name Gaultheria entstanden; procumbens = niederlegend, sich lagernd. Wintergrün in bezug auf die immergrünen Blätter.
Botanisches: G. procumbens ist ein niedriger Halbstrauch mit immergrünen Blättern. Das biegsame, federkieldicke Rhizom kriecht flach unter der Erde hin. Aus ihm erheben sich die 5-15 cm hohen, aufrechten, starren Stengel, die rot oder grün gefärbt sind. Jeder trägt etwa fünf, an beiden Enden zugespitzte, kurzgestielte Blätter. Der etwas zurückgebogene Rand ist gesägt. Jeder Zahn endigt in einer starren Borste. Die Blüten stehen auf bogig zurückgekrümmten, roten Stielen meist einzeln in den Blattachseln. Der Kelch ist becherförmig und rosa und zeigt fünf Zipfel. Die blaßrote Blumenkrone bildet eine nach oben sich verengernde Glocke. Die Blüten enthalten zehn Staubgefäße, deren Staubbeutel oben einen gegabelten Fortsatz tragen und die sich mit einem Loch nach innen öffnen. Die Frucht ist eine kugelige Scheinbeere. Die Pflanze liebt Berg-Nadel-wälder. Blütezeit: Juni bis September. Heimat: Nordamerika von den Neuenglandstaaten bis Minnesota und südlich bis Georgia und Alabama.
Geschichtliches und Allgemeines:
Die Blätter der Gaultheria procumbens, Folia Gaultheriae, waren schon lange in Amerika ein beliebtes Kaumittel und dienten zur Herstellung von verschiedenen erfrischenden Getränken. Ferner wurden sie als aromatische Stimulans, Tonikum, Karminativum, Geschmackskorrigens, Emmenagogum und Antiseptikum verwendet. Der Aufguß wird auch heute noch in Nordamerika als Ersatz für den chinesischen Tee getrunken. Die Destillation des flüchtigen Öls, das unter dem Namen Wintergrünöl bekannt ist, dürfte Anfang des 19. Jahrhunderts begonnen haben und fand, da damals in Amerika volkstümliche Heilmittel (sogenannte Patentmedizinen) sehr bevorzugt wurden, als Aroma für pharmazeutische und kosmetische Präparate und als Arzneimittel sehr rasch großen Absatz. Eine der in Amerika erfolgreichsten Volksmedizinen, Swaim's Panacea, wurde mit dem Wintergrünöl aromatisiert. 1842 stellte Cahours und etwas später Procter die Identität des Hauptbestandteils des Wintergrünöls mit dem ätherischen Öl, das aus der Rinde der Betula lenta gewonnen wird, fest. In der Heilkunde wurde es hauptsächlich gegen Gelenkrheumatismus, als Antiseptikum, Desinfektionsmittel und Brechmittel benützt. Die Früchte der Gaultheria procumbens werden als Obst sehr geschätzt, daher wird die Pflanze in ganzen Plantagen kultiviert.
Wirkung
In der englischen Volksmedizin wird die Pflanze als Emmenagogum und Galaktagogum verwandt (Potter, Mat. med., S. 289.).
Bentley und Trimen (Bentley and Trimen, Medicinal Plants, Bd. III.) nennen als bewährte Indikation auch chronische Diarrhöe.
Stauffer (Stauffer, Klin. hom. Arzneimittell., S. 476.) machte gute Erfahrungen bei den verschiedensten Formen von Rheumatismus und Ischias.
Die gleiche Anwendungsweise ist auch Heinigke (Heinigkes Handb. der hom. Arzneiwirkungsl., S. 271.) bekannt.
Der wirksame Bestandteil des aus Wintergrün hergestellten Öles ist der Salizylsäuremethylester, der in hohen Dosen Magen- und Nierenreizung (in einem Falle verursachten 30 g Öl eine so heftige Gastritis, daß der Tod eintrat) (Vgl. 1).), Kollaps, Kongestionen der Genitalorgane, akutes Lungenödem, nervöse Erscheinungen wie Ohrensausen, Taubheit, Gesichtshalluzinationen, Delirien, lokale Hautreizung (Marfori-Bachem, Lehrb. d. klin. Pharmakol., S. 323.), Schädigung des Gefäßsystems, verstärkte Neigung zu Blutungen (Wetzel u. Nourse. Arch. Path. a. Labor. Med. 1926, Bd. 1, S. 182.) hervorruft.
Der flüssige Salicylsäuremethylester wird im Organismus zu einem erheblichen Teil gespalten und als Salicylsäure oder Salicylursäure ausgeschieden. Ein anderer Teil wird zu Methylsalicylesterschwefelsäure gepaart (Baas, Z. f. physiol. Chem., 14, 416, 1890.). Beim Meerschweinchen wurde eine erhebliche Ausscheidung mit der Atemluft und den Hautausdünstungen festgestellt (Rabuteau, Mém. d. l. Soc. d. biol. 1885, 95.). Salicylsäureester dringen infolge ihrer Lipoidlöslichkeit leicht in die Haut ein (Dreser, Therap. Monatsh., 17, 131, 1903; Impens, Pflügers Arch., 120, 1, 1907.). Der Methylester macht nach dem Einreiben in die Haut eine aktive Hyperämie (Ellinger, in Heffter-Heubners Handb. d. exp. Pharm., Bd. 1, S. 999, Berlin 1923.). Er ist für die äußerliche Anwendung auch gegen Läuse empfohlen worden (Blau, Ztschr. Allg. österr. Apoth.-Verein, 53, 173, 1915.). Der Salicylsäuremethylester, der heute im wesentlichen synthetisch dargestellt wird, findet praktisch nur äußerliche Anwendung (Klemperer-Rost, Arzneiverordnungslehre, S. 627, 15. Aufl.).
Die Salizylsäure wirkt vor allem auf das Protoplasma; sie besitzt stark antiseptische Kraft, erweitert nach Pouchet (Zit. in 1.) die Gefäße einiger Muskelhautgebiete, verursacht erhöhte Wärmeabgabe und dadurch Fieberherabsetzung, wirkt diuretisch (infolge Erweiterung der Nierengefäße), cholagog und scheidet sich vorwiegend in die Gelenke aus, wodurch sich wohl ihre Heilwirkung bei Gelenkrheumatismus erklären läßt, weil sie direkt mit dem Krankheitsherd in Berührung kommt (Vgl. 6), S. 317.).
Hinsichtlich des Mechanismus und der Theorie der Antipyrese muß auf die pharmakologische Literatur verwiesen werden (Z. B. Heffter-Heubners Handb. d. exp. Pharm., Bd. I, S. 994; Meyer-Gottlieb, Exp. Pharm., Bd. I, S. 994; Meyer-Gottlieb, Experim. Pharmakol., S. 610, 1933.).
Weitere wirksame Bestandteile der Gaultheria sind u. a. die Glykoside Gaultherin und Arbutin (Procter, Amer. J. of Pharm. 1843, Bd. 15, S. 249 u. a.; Droelle, Amer. J. Pharm. 1872, Bd. 2, S. 250.).
In Ergänzung der Wertbestimmung der Zubereitungen kann man sich der Bestimmung des Gehaltes an Arbutin und Hydrochinon bedienen. Es wurden für die Droge 1,44% Arbutin und 0,12% Hydrochinon festgestellt. In der homöopathischen Tinktur waren 0,03% Arbutin und 0,004% Hydrochinon enthalten. Die Spaltung des Glykosids beträgt also 26,8% in der Tinktur und 21% in der Droge (Nach eigenen Untersuchungen; vgl. auch Kuhn u. Schäfer, Dtsch. Apoth.-Ztg., 50, 1800, 1935.).
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Gaultheria gehört, wie Salix alba, zu den salizylhaltigen Pflanzen und wird vorwiegend bei akutem Gelenkrheumatismus verordnet. Sehr gute Dienste leistet das Wintergrün bei Neuralgien, insbesondere Ischias, Gastralgien, Pleuritis, Pleurodynie, speziell mit Schmerzen im Mediastinum, Ovaralgie, Orchitis, Epididymitis, Diaphragmitis (hier im Wechsel mit Cactus grandiflorus), Arthritis urica und auch bei Menstrualkolik. Vereinzelte Anwendung findet es bei Verschleimungen der Atmungsorgane (bei Pertussis kann auch das Öl inhaliert werden), des Magens und des Darms, bei Skrofeln, Hydrops und nach Falkenhahn bei typhusartigen Fiebern. Äußerlich wird das Öl oft als Hautreiz- und Ableitungsmittel verwendet. Stoephasius, Schwedt, läßt ein Unguentum Gaultheriae bei Schnupfen und verstopfter Nase in beide Nasenlöcher einreiben.
Angewandter Pflanzenteil:
In der Literatur wird die Verwendung der Blätter bzw. des aus den Blättern gewonnenen Öles erwähnt (Potter, The Brit. Pharm. Codex, Dragendorff, Geiger, Zörnig, Thoms u. a.).
Für die Zubereitungen empfehle ich die getrockneten Blätter, da die frischen nicht erhältlich sind. Hiernach richtet sich auch die Herstellung des "Teep". Homöopathische Urtinktur nach dem HAB.: Getrocknete Blätter (§ 4).
Folia Gaultheriae sind in Venezuela offizinell.
Dosierung:
- Übliche Dosis:
Maximaldosis:
In der Homöopathie:
Rezepte:
Bei Gelenkrheumatismus Spiritus Gaultheriae (Amer. VII):
- Rp.:
Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.