Hydrastis. Kanadische Gelbwurz. Ranunculaceae.
Name: Hydrástis canadénsis L. Kanadische Gelbwurz, Kanadisches Wasserkraut. Französisch: Hydrastis; englisch: Canadian orange root, golden seal; dänisch: Hydrastis rod; italienisch: Idraste; polnisch: Gorzknik; russisch: Zeltokorien kanadskij; schwedisch: Hydrastisrot; tschechisch: Vodilka kanadská.
Namensursprung: Die Erklärung des Namens Hydrastis ist unklar. Nach einer Auslegung soll er aus dem griechischen _θωρ (hýdor) = Wasser und δρ_ω (dráo) = füllen, anfüllen entstanden sein, nach einer anderen Auffassung soll die Pflanze zu Ehren einer Amerikanerin so benannt worden sein; Gelbwurz, in bezug auf die hellgelbe Farbe der Wurzel.
Botanisches: Das ausdauernde Kraut entwickelt alljährlich aus seinem stark bewurzelten, kriechenden Rhizom einen blütentragenden Sproß mit einer endständigen Blüte und zwei handförmig fünflappigen Blättern, von denen das untere gestielt, das obere sitzend ist. Die kleinen Blüten bestehen aus drei blumenblattartigen, breit-eiförmigen, ausgehöhlten grünlich-weißen Kelchblättern und zahlreichen Staubgefäßen und zwölf oder mehr Fruchtknoten. Die Frucht ist einer Brombeere ähnlich, hochrot. Die 20-30 cm hohe Pflanze wächst in den feuchten Wäldern von Kanada und in den nordöstlichen Vereinigten Staaten. Sie verlangt schattigen Standort und humusreichen Boden, verträgt jedoch keine Kalidüngung. Freiliegende Wurzelstöcke trocknen rasch aus und sterben dann ab. Blütezeit: Juni bis Juli.
Geschichtliches und Allgemeines:
Die Wurzel wird gegen das Wechselfieber und als tonisches, antiperiodisches und antiphlogistisches Mittel schon lange in Nordamerika benutzt. Nach Europa kam die Droge durch P. Miller, der sie im Jahre 1759 in England einführte und eine Abbildung unter dem Namen Warneria veröffentlichte. Sie geriet jedoch bald in Vergessenheit und wurde erst in neuerer Zeit durch Smith wieder in Erinnerung gebracht. Bis 1831 wurde sie im wesentlichen nur als Gerbmittel benutzt.
Hydrastis wird in großen Mengen in den Vereinigten Staaten angebaut, nur etwa 5% der im Handel befindlichen Droge stammt von wildwachsenden Pflanzen.
Wirkung
Die Anwendung der von Miller (Miller, zit. i. Coll. Journ. of Medic. Sciences, Bd. 3, S. 485.) 1759 in den englischen Arzneischatz, aber erst 1883 durch Schatz (Schatz, Mitteil. anl. d. 56. dtsch. Naturforschervers. Freiburg 1883; Archiv f. Gynäkol., Bd. 22, Nr. 1, 2.) in Deutschland eingeführten Hydrastiswurzel erstreckt sich hier vorwiegend auf gynäkologische Erkrankungen, während ihr in Nordamerika ein weitaus größerer Indikationsbereich zukommt. Sie dient dort als tonisierendes Stomachikum, Fiebermittel, mildes Laxans und Antiseptikum; ihr Extrakt wird sehr geschätzt zur Behandlung von Intermittens, chronischer Malaria, aller Arten von Katarrh, insbesondere des Magens, Duodenums, der Gallenblase, des Uterus und der Vagina, von Drüsenschwellungen, Ikterus und chronischer Dyspepsie; lokale Anwendung findet er bei Gonorrhöe, chronischem Magenkatarrh, syphilitischen Affektionen, schwer heilenden, auch kanzerösen Ulzerationen, Stomatitis, Fissuren, Fisteln, Prolaps, Hämorrhoiden, Zervix-Erosionen und Konjunktivitis (Potter, Mat. med., 1898, S. 310.).
Bartholow (Bartholow, Materia medica and Therapeutics, 1887.) gab Hydrastis mit Erfolg bei Wechselfieber, ausgehend von dem Gedanken, daß das Berberin der Hydrastis auch der wirksame Stoff von Berberis vulgaris ist, welcher schon früher gegen die gleiche Krankheit gegeben wurde.
Die deutsche Medizin gebraucht Hydrastis-Extrakt namentlich gegen profuse Menstruationen, dysmenorrhoische Beschwerden, myomatöse und endometritische Blutungen.
Nach Klemperer-Rost (Klemperer-Rost, Arzneiverordnungslehre, S. 443, 15. Aufl., Berlin 1929.) besitzen die Hydrastisalkaloide kaum uteruskontrahierende, wehenanregende Wirkung, so daß sie nur bei Menstruations- und Endometritisblutungen angezeigt erscheinen. Die behaupteten blutstillenden Wirkungen auf sonstige Organe sind umstritten.
Nach Mays (Mays, Therap. Gazette, 3, 289, 1886.) und Bunge (Bunge, Arb. aus d. pharmakol. Inst. d. Univ. Dorpat, Bd. 11, II, Stuttgart 1895.) hat sich Hydrastis auch gegen Magenbeschwerden, besonders während der Schwangerschaft, bewährt.
Über die Anwendung in der Homöopathie schreiben Hughes-Donner (Hughes-Donner, Einführung in d. hom. Arzneimittellehre, S. 135; Stauffer, Klin. hom. Arzneimittellehre, S. 520.): "Hydrastis wird besonders bei chronischen Katarrhen gereicht. Dr. Hale und Dr. Philipp berichten ausführlich darüber, wie sie und andere Ärzte das Mittel bei solchen Erkrankungen mit Erfolg gegeben haben. Sie sprechen von luetischem Schnupfen, allen Arten von Erkrankungen der Mundschleimhäute, chronischen Rachenkatarrhen, chronischen Bindehautkatarrhen, Ohrenausflüssen, Ozaena und Leukorrhöe. Bei derartigen Erkrankungen wurde Hydrastis sowohl äußerlich als auch innerlich (in Tinktur) verordnet. Innerlich gegeben schätzt man ihre Wirkung ferner bei all den Schleimhautkatarrhen, die einer lokalen Behandlung nicht zugänglich sind, so z. B. bei Erkrankungen der Gallenwege. Zudem ist sie angezeigt bei chronischem Nasenkatarrh, besonders wenn dauernd Schleim durch die Choanen in den Rachen herabtropft." Nach Stauffer wird Hydrastis äußerlich gebraucht bei Lupus, Haut- und Krebsgeschwüren in Form von Umschlägen (1 : 10) oder als Hydrastisglyzerin (1 : 20) bei Schleimhautgeschwüren und chronischen Katarrhen der Nase und des Uterus in Form von Bepinselungen oder Tampons.
In der Wurzel finden sich drei Alkaloide: Hydrastin (3,1%), Berberin und Canadin. Durch Oxydation des Hydrastins entsteht ein anderes Alkaloid, das Hydrastinin und Opiansäure (Wehmer, Die Pflanzenstoffe, S. 310.).
Nach G. Joachimoglu und E. Keeser (Joachimoglu u. Keeser, in Heffter-Heubners Handb. der experim. Pharmakol., Bd. II, 2, S. 1121, Berlin 1924.) steigert das Hydrastin beim Kaltblüter die Reflexerregbarkeit und ruft zentral bedingte, strychninähnliche Krämpfe hervor. An der Injektionsstelle gerät der Muskel in einen Zustand der Starre. Es tritt ebenfalls eine Empfindlichkeitssteigerung ein, und die Tiere zucken bei der leichtesten Berührung heftig zusammen. Werden an sich nicht toxische Dosen mehrere Tage hintereinander verabfolgt, so tritt Kumulation ein, und es entstehen die Symptome einer schweren Intoxikation. Der Blutdruck wird gesteigert durch Reizung des vasomotorischen Zentrums in der Medulla. Nach subkutaner Injektion von kleinen mittleren Dosen tritt eine Anämie des Intestinaltraktus ein. Hydrastinhydrochlorid ruft bei Hunden und Kaninchen Uteruskontraktionen hervor, die bei graviden Tieren zur Frühgeburt führen können. Auch beim Warmblüter tritt nach größeren Hydrastingaben ein heftiger klonischer Krampfzustand ein, an Stelle der Anämie des Intestinaltraktus tritt eine Hyperämie auf, die beschleunigte Atmung wird langsamer, der Tod erfolgt durch Lähmung des Respirationszentrums, nach Falk durch Herzlähmung. Das Hydrastin wird unverändert und vollständig im Urin wieder ausgeschieden. Nach Pellacani (Pellacani, Bull. d. Acad. di Genova, 2, 148, 1886; Seconda communicazione fatta alla r. Acad. di med. Genova, 7, 8, 1886, zit. nach 10.) kann durch 1-2 g weinsaures Hydrastin beim Menschen jede Blutung zum Stillstand gebracht werden, während 0,5 g antipyretisch wirken sollen. Als Herzgift wirkt Hydrastin insofern, als es zunächst unter Reizung der motorischen Herzganglien eine Pulsbeschleunigung hervorruft, bis dann durch zentrale Vagusreizung die Herztätigkeit verlangsamt wird (Cerna, Therap. Gazette 1891, S. 289; Marfori, Arch. f. exp. Path. 1890, Bd. 27, S. 165.).
Büsch (Büsch, Zentralblatt f. Gynäkologie 1931, Nr. 26, S. 2038.) konnte gute Erfolge von Hydrastingaben in Verbindung mit Viburnum prunifol. bei Dysmenorrhöe beobachten. Rutherford (Rutherford, Brit. Med. Journal 1879, I, S. 31.) kam auf Grund seiner Versuche zu der Ansicht, daß Hydrastin ein mildes Stimulans der Leber und des Darmes sei. Cerna ((Vgl. 12.) konnte diese cholagoge Wirkung bestätigen und zugleich Förderung der Darmperistaltik und der Salivation wie auch einen Einfluß auf die Pupillen feststellen.
Das Hydrastinin wirkt ähnlich wie das Hydrastin. Besonders bemerkenswert ist, daß weiße Ratten die dreifache tödliche Strychnininjektion vertragen, wenn man ihnen gleichzeitig in geringer Menge Hydrastinin gibt. Hydrastininvergiftungssymptome können durch Strychnin wieder aufgehoben werden ((Vgl. 10).).
Die Wirkung des Berberins ist in dem Kapitel Berberis vulgaris ausführlich besprochen worden.
Die Untersuchungen von Langecker (Langecker, Naunyn-Schmiedebergs Arch. f. experim. Path. und Pharmakol., 118, 49, 1926.) zeigten, daß beim Extractum Hydrastis fluidum die Alkaloide nicht die einzigen wirksamen Bestandteile sind, da die Umkehr der Adrenalinwirkung, die für einige Drogen charakteristisch ist, auch zustandekommt, wenn dem Extrakt Hydrastis die wirksamen Alkaloide entzogen werden.
Wird Hydrastisextrakt längere Zeit genommen, dann ruft er leichte Verdauungsstörungen und Obstipation hervor und hemmt die Bewegung der weißen Blutkörperchen ((Vgl. 3).).
Nach größeren Dosen wurden Aufregungszustände und geistige Trägheit, Depression, Halluzinationen mit schwachem, frequentem Puls, Delirien mit kurz dauernder Bewußtlosigkeit, Erbrechen, Druck in der Herzgegend, Zyanose, erweiterte Pupillen und subnormale Temperaturen beobachtet (Seifert, Nebenwirkungen moderner Arzneimittel, S. 205, Würzburg 1915.). Nach Hirose und Langenham (Hirose and Langenham, Journ. Amer. Pharmac. Assoc., 19, 449, 1930.) ist das Rhizom reicher an Alkaloid als die Wurzel, das Verhältnis variiert aber stark. Beim Trocknen von gepulverter Hydrastis bei höherer Temperatur traten sehr hohe Alkaloidverluste ein, selbst bei 35° gingen 10-20% Alkaloide verloren. Für die Sterilisation von Hydrastinlösungen ergibt sich nach Dietzel (R. Dietzel, Fortschritte der Therapie 1937, H. 3, S. 155.), da Hydrastin durch hohe Temperaturen ungünstig beeinflußt wird, daß diejenigen Verfahren am zweckmäßigsten sind, bei denen eine Temperaturerhöhung möglichst vermieden wird. Im Gegensatz zu dem Hydrastin ist das Hydrastinin sehr stabil.
Hydrastinlösungen bzw. Hydrastinzubereitungen leuchten im ultravioletten Licht in prächtiger, hellgelber Farbe auf.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Hydrastis wird hauptsächlich angewandt als Hämostatikum bei uterinen Blutungen, die nicht mit der Geburt zusammenhängen, sondern entstanden sind infolge kongestiver Dysmenorrhöe, submuköser Myome und hämorrhagischer Endometritis. Bei Blutungen nach der Geburt wirkt Secale cornutum weit besser, während bei Polymenorrhöen der Mädchen in der Pubertät ohne pathologischen Tastbefund Hydrastis oft von spezifischer Wirkung ist. Auch bei Blutungen anderer Genese wie Epistaxis, Hämoptoe, Magen- und Darmblutungen kann das Mittel gute Dienste leisten, doch ist die Wirkung hier unsicher.
In der Homöopathie gebraucht man es weiter bei allen chronischen Katarrhen mit dickem, zähem, gelblichem Sekret. Man gibt es daher häufig, aber mit wechselndem Erfolge, bei: Rhinitis chronica, Retronasalkatarrh, Kiefern- und Stirnhöhlenkatarrh, Ozaena, auch bei Nasenpolypen, Pharyngitis, Tonsillitis chronica, Colitis und Gastritis chronica mit viel Schleimabsonderung, insbesondere bei alten Rauchern, Magenschmerzen und -druck (hier im Wechsel mit Nux vomica und Bryonia), Dickdarmkatarrhen mit Obstipation, Dyspepsie, Cholecystitis, Cystitis und Mittelohreiterung. Besonders gern wird es bei Gonorrhöe, Prostatorrhöe, Leukorrhöe (im Wechsel mit Pulsatilla und auch zu Spülungen) und Pruritus vaginae angewandt.
Als zweites wichtiges Indikationsgebiet der Homöopathie können dyskratische und äußere, karzinomatöse Leiden genannt werden. Einzelindikationen sind hier: maligne Ulzera, häufig mit Neigung zu Blutungen, Epitheliome, Drüsenschwellungen, Exantheme, Ekzeme, Zunahme von Eiterungen. Auch bei Hämorrhoiden, Prolapsus ani und Leberschwellung mit Ikterus ist es angezeigt. Janke konnte eine 46jährige Frau mit plötzlich auftretendem, heftigem und schmerzhaftem Blasenausschlag an Händen und Füßen mit Hydrastis D 4 in 14 Tagen heilen.
Schließlich wird Hydrastis noch bei Skorbut, Stomatitis, chronischer Konjunktivitis (bei den vorstehenden Indikationen auch in lokaler Anwendung), Migräne, Scharlach-Marasmus und Abmagerung genannt. Hydrastis "Teep" D 2 wird als homöopathisches Codein beim Zubettgehen bezeichnet.
Als Wundspülung empfiehlt Klumpen eine Mischung von Hydrastis, Myrrha und Pyrethrum.
Als Wechselmittel werden u. a. Bryonia, Pulsatilla und Arnica erwähnt.
Angewandter Pflanzenteil:
Die Angaben in der Literatur beziehen sich alle auf das Rhizom und erwähnen meist auch noch, daß es samt den anhängenden Wurzeln gesammelt wird.
Während Clarke die Tinktur aus dem frischen Wurzelstock herstellen läßt, wird die Pflanze in Deutschland in getrocknetem Zustande verwendet. Nach Zörnig und Hager soll der Wurzelstock nur von dreijährigen Pflanzen genommen werden, geerntet im Herbst nach der Samenreife. Solange noch keine frischen Rhizome zur Verfügung stehen, wird das "Teep" aus den getrockneten, bewurzelten Wurzelstöcken bereitet. Aus getrockneten Rhizomen mit anhängenden Wurzeln wird auch die homöopathische Urtinktur nach dem HAB. hergestellt (§ 4).
Dosierung:
Übliche Dosis:20-40 Tropfen des Fluidextraktes mehrmals täglich (Marfori-Bachem);
In der Homöopathie:
Maximaldosis:1 g pro dosi, 4 g pro die des Fluidextraktes (Internationaler Vorschlag);
Rezeptpflichtig:Extractum Hydrastis, Extractum Hydrastis fluidum, Hydrastininum chloratum.
Rezepte:
Bei Menorhagien und Dysmenorrhöe (nach Marfori-Bachem):
- Rp.:
Oder:
- Rp.:
Bei Hämoptoe und Epistaxis (nach Asmus):
- Rp.:
Bei Uterusblutungen (nach Klemperer-Rost):
- Rp.:
Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.