Ratanhia. von Krameria triandra. Caesalpiniaceae.

Botanical name: 

Name: Kraméria triándra Ruiz et Pavon. Echte Ratanhia, Ratanhiawurzel. Französisch: Racine de Ratanhia; englisch: Rhatany oder Rhatania root; dänisch: Ratanje; polnisch: Pastwin; russisch: Ratania; schwedisch: Ratanhiarot; tschechisch: Kramerie trojmužna, ratanha.

Namensursprung: Die Ableitung des Namens Ratanhia ist unsicher. Nach einer Erklärung stammt er aus der alten peruanischen Quichuasprache, während eine andere ihn von dem spanischen Worte ratear = kriechen, in bezug auf die horizontal unter der Erde kriechende Wurzel, ableiten will. Den Namen Krameria hat die Gattung nach dem österreichischen Militärarzte J. H. Kramer; triandra wegen der drei Staubgefäße.

Botanisches: Der bis 30 cm hohe Strauch mit bis 1 m langen, niederliegenden behaarten Ästen ist auf den trockenen Abhängen der Anden Boliviens und Perus heimisch. Die starke, rotbraune Wurzel ist reich verzweigt. Die spitzeiförmigen, sitzenden Blätter sind silberweiß seidenhaarig, die blattachselständigen Blüten rot. Der Fruchtknoten ist dicht mit Stacheln bedeckt, die an der Spitze mit Widerhaken versehen sind; auch die kugeligen Früchte sind stachlig. Der Strauch blüht fast das ganze Jahr, besonders reich im Oktober und November.

Geschichtliches und Allgemeines:

Der berühmte Botaniker Ruiz entdeckte im Jahre 1799 die Pflanze, deren Wurzel in Huanuco und Lima schon seit langer Zeit als Zahnerhaltungsmittel gebraucht wurde. Ruiz verwendete sie zuerst als kräftiges Adstringens und lenkte nach seiner Rückkehr nach Europa auch die Aufmerksamkeit anderer spanischer Ärzte auf die Droge. Nach Frankreich und England, wo besonders Reece ihre Anwendung empfahl, gelangte sie im Jahre 1806. In Deutschland machte zuerst Willdenow auf das neue Mittel aufmerksam, größere Verbreitung fand es jedoch erst im 19. Jahrhundert durch Jobst und Klein. Außer zu medizinischen Zwecken diente die blaurote Abkochung der Wurzel zum Färben des Weines.

Wirkung

In ihrer Heimat Peru wird die Ratanhiawurzel als Zahnerhaltungsmittel Mundwässern zugesetzt (Wasicky, Lehrb. d. Physiopharm., S. 271.).

Wegen ihres hohen Gehaltes an Ratanhiagerbsäure (8,5-22 und 42,5% [?] werden angegeben) (Wehmer, Die Pflanzenstoffe, S. 507.) diente sie Hufeland (Hufeland, Enchir. med., S. 239, 245, 280, 289, 434.) als Adstringens und Hämostyptikum und wird auch heute noch innerlich bei Katarrhen der Schleimhäute, Diarrhöen und Blutungen, äußerlich bei Skorbut und anderen Mangelkrankheiten angewandt (Hager, Handb. d. pharm. Praxis, Bd. II, S. 552.).

Klemperer-Rost (Klemperer-Rost, Arzneiverordnungslehre, S. 594, Berlin 1929.) geben in ihrer Arzneiverordnungslehre für den innerlichen Gebrauch als Indikation Diarrhöen an und erwähnen die frühere Anwendung gegen Blutungen. Äußerlich wird die Ratanhiarinde zu Zahnpulvern, in Abkochungen zu Mund- und Gurgelwässern, Injektionen und Klistieren verwendet.

Die gleichen Indikationen finden sich bei Marfori-Bachem (Marfori-Bachem, Lehrb. d. klin. Pharm., S. 228, Leipzig 1928.) und anderen.

In der Homöopathie wird sie außerdem noch gegen Hämorrhoiden (Schmidt, Lehrb. d. hom. Arzneimittell., S. 267.) und Afterfissuren (Hughes-Donner, Einf. i. d. hom. Arzneimittell., S. 182.) gebraucht. Sie ist gut ersetzbar durch die deutsche Tormentillwurzel (Vollmer, Münchn. med. Wschr. 1935, S. 1118.).

Lewith und Langecker (Lewith u. Langecker, Dermat. Wschr. 1930, S. 477) berichten von einem Fall von Ratanhiaüberempfindlichkeit. Bei einem Patienten traten 4 Tage nach Bepinselung des Zahnfleisches mit einem Gemisch von Ratanhia- und Galläpfeltinktur auf: Schwellung der Ober- und Unterlippe und der Gingivalschleimhaut sowie ein periorales Knötchenekzem, das sich langsam auf die ganze linke Gesichtshälfte ausbreitete und zu einem Ödem des Oberund Unterlides führte. Diese Erscheinungen, die einwandfrei auf die Ratanhiatinktur zurückgeführt werden konnten, waren nach 3 Wochen abgeklungen.

Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:

Ratanhia wird peroral und lokal (Pinselungen, Suppositorien) gern bei Fissurae ani und Hämorrhoiden mit stechenden Schmerzen und Brennen im Mastdarm angewandt. Bei Hämorrhoidalleiden werden als Wechselmittel Collinsonia, Hamamelis und Aesculus hippocastanum empfohlen.

Sehr beliebt ist das Mittel auch zu Gurgelungen und Pinselungen bei Erkrankungen im Bereich der Mund- und Rachenhöhle, wie Gingivitis, Odontalgie, Paradentose, Stomakake, Stomatitis simplex et ulcerosa, Zungenrhagaden und -tuberkulose, Pharyngitis (30 Tropfen der Tinktur auf 1 Glas Wasser zum Gurgeln) und Angina. Ebenso leistet es gute Dienste bei Wundentzündung, Pruritus (äußerlich mit Tinktur einreiben) und Pterygium oculi.

Schematische Darstellung der Häufigkeit der Anwendung von:

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In seiner adstringierenden Eigenschaft findet es innerlich Anwendung bei Hämorrhagien (Epistaxis, Nieren- und Harnröhrenblutungen, Zahnfleischblutungen), bei blutigen Diarrhöen, Enteritis, Gastritis (hier nach Romming, Fürth, Tct. Opii und Tct. Ratanhiae aa 10-20 Tropfen drei- bis fünfmal täglich in Eichenrindenabkochung) und Fluor albus. Grafe, Würzburg, gibt die Tinktur gegen Bronchitis. Des weiteren werden Dyspepsie, Muskel- und Blasenkrämpfe, Konvulsionen und Neuralgie, insbesondere Trigeminusneuralgie des 2. und 3. Astes (im Wechsel mit Gelsemium) als Indikationen genannt.

Angewandter Pflanzenteil:

Als Droge gilt allgemein Radix Ratanhiae. Nach Thoms und Hager sind es die Wurzeläste, die verwendet werden.

Auch das HAB. läßt die Tinktur aus der getrockneten Wurzel bereiten (§ 4). Solange noch keine frischen Wurzeln in genügender Menge zur Verfügung stehen, wird auch das "Teep" aus der getrockneten Wurzel gewonnen. Radix Ratanhiae ist offizinell in allen Staaten, außer den Vereinigten Staaten von Nordamerika.

Dosierung:

Übliche Dosis:
20-25 Tropfen der Tinktur (Hager);
0,5-1,5 g des Pulvers (Hager).
1 Tablette der Pflanzenverreibung "Teep" dreimal täglich.
(Die "Teep"-Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,125 g Rad. Ratanhiae.)

Maximaldosis:

Nicht festgesetzt.

Rezepte:

Bei Diarrhöen und Blutungen:

Rp.:
Rad. Ratanhiae . . . 30 (= Ratanhiawurzel)
D.s.: 1 Teelöffel voll auf 1 Glas Wasser, heiß ansetzen, 20 Minuten ziehen lassen und tagsüber trinken.
(Teezubereitung: nDer Extraktgehalt des heiß im Verhältnis 1 : 20 angesetzten Tees beträgt 0,6% gegenüber 0,3% bei kalter Zubereitung. Der Aschengehalt der Extrakte ist sehr klein und beträgt bei heißer Zubereitung 0,01% und bei kalter Zubereitung 0,02%. Die Peroxydasereaktion ist in beiden Zubereitungen negativ. Die kalte Zubereitung ist schwächer adstringierend und von hellerer Farbe als die heiße Zubereitung. Ein Ansatz 1 : 50 ist noch trinkbar.
1 Teelöffel voll wiegt 2,2 g. Es!X! em!X!fiehlt sich, den Tee heiß zu bereiten.).
Rezepturpreis ad chart. etwa -.57 RM.

Bei Darmkatarrh (nach Klemperer-Rost):

Rp.:
Dec. rad. Ratanhiae (10,0) . . . 200
Tinct. aromaticae acidae . . . 10
Sir. Cinnamomi . . . 25
M.d.s.: 1-2stündlich 1 Eßlöffel voll.
Rezepturpreis ad chart. etwa 1.94 RM.

Bei Zahnfleischentzündungen (nach Romming mod. v. Verf.):

Rp.:
Tinct. Ratanhiae
Tinct. Myrrhae . . . aa 10
M.d.s.: Zum Einpinseln, dazu abwechselnd Staubzucker in den Mund einführen.
Rezepturpreis etwa -.82 RM.

Bei Fluor albus (nach Ulrich):

Rp.:
Rad. Ratanhiae (= Ratanhiawurzel)
Cort. Chinae (= Chinarinde)
Cort. Quercus (= Eichenrinde)
Hb. Equiseti (= Schachtelhalmkraut)
Hb. Violae tric. (= Stiefmütterchenkraut)
Fol. Juglandis regiae (= Walnußblätter)
Flor. Lavandulae . . . aa 10 (= Lavendelblüten)
M.f. species.
D.s.: 2 Teelöffel voll auf 2 Glas Wasser, vgl. Zubereitung von Teemischungen S. 291.
Rezepturpreis ad chart. etwa 1.30 RM.

Bei Hämorrhoiden und Fissurae ani: Suppositoria cum Extracto Ratanhiae:

Rp.:
Extr. Ratanhiae sicc. pulv. . . . 0,25
Olei Cacao . . . 2
M.f. suppos. D t. d. X.
D.s.: Stuhlzäpfchen.
Rezepturpreis ad scat. etwa 2.28 RM.

Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.