Leonurus cardiaca. Herzgespann, Löwenschwanz. Labiatae.
Name: Leonúrus cardíaca L. (= L. campestris Andrz., = Cardiaca vulgaris Moench) Herzgespann, Löwenschwanz, Herzheil. Französisch: Agripaume, agrimaume, cardiaque; englisch: Motherwort; italienisch: Cardiaco, corda di leone; dänisch: Hjertespand; norwegisch: Lövehale; polnisch: Serdecznik; russisch: Kropiwnik; schwedisch: Hjärtstilla; tschechisch: Srdečnik; ungarisch: Gyöngyajak.
Verbreitungsgebiet: In Europa eingebürgert. Eingeschleppt in Nordamerika.
Namensursprung: Leonurus ist von Breyn auf Grund des Aussehens der Scheinähren aus dem lateinischen leo, Gen. leonis = Löwe und dem griechischen ο_ρ_ (urá) = Schwanz gebildet worden. Der sich schon bei Theophrast vorfindende Name Cardiaca ist aus dem griechischen χαρδ_α (kardía) = Herz in bezug auf die das Herz oder den Magen heilende Wirkung entstanden und auf unsere Art wohl zuerst von Fuchs oder Dodanaeus übertragen worden. Herzgespann bezeichnete früher den Magenkrampf, gegen den die Pflanze benutzt wurde.
Botanisches: Pflanze ausdauernd, mit kurzem, waagerechtem, dicht bewurzeltem Wurzelstock. Stengel aufrecht, ½- 1 ½ m hoch, vierkantig, gerillt, hohl, oft rotviolett, Sprosse meist dicht mit abstehenden Gliederhaaren besetzt. Die langgestielten Blätter sind unterseits hellgrün, die unteren handförmig-fünfspaltig, am Grunde herzförmig, die oberen dreispaltig oder dreilappig, am Grunde keilig. Die Blüten bilden dicht- und reichblütige Scheinquirle, die in kurzen Abständen übereinander an den Hauptstengeln und Ästen zu dichtbeblätterten Scheinähren vereinigt sind. Die sitzenden Blüten haben pfriemliche, aufwärts gekrümmte oder abstehende Vorblätter. Der trichterförmige Kelch hat fünf kräftig hervortretende Nerven und dreieckige, starre, begrannte, auswärts gekrümmte Zähne. Die Krone ist fleischrosa, zottig behaart und wenig länger als der Kelch, am Grunde mit einer nektarführenden Aussackung, die von einem schief vorwärts geneigtem Haarkreuz überdacht ist. Die Oberlippe ist elliptisch, wenig gewölbt und außen dicht mit weißen Haaren besetzt. Die Unterlippe ist kürzer mit drei fast ganzrandigen, braunrot gezeichneten Lappen. Die Staubblätter unter der Oberlippe aufsteigend, die vorderen aus dem Kelchschlund kaum hervorragend. Die Pollensäcke im rechten Winkel spreizend. Blütezeit: Juli bis August.
Die Heimat dürfte das gemäßigte Asien bis zum Himalaja und dem östlichen Sibirien sein. In Europa fast in allen Ländern eingebürgert. In Deutschland ziemlich verbreitet, früher in Bauerngärten kultiviert. Auf Schutt, an Dorfwegen, Zäunen, Hecken, auf trockenen Weiden.
Geschichtliches und Allgemeines:
Schon das erste in deutscher Sprache erschienene Kräuterbuch, der "Hortus Sanitatis" (Mainz 1485), empfiehlt das "Hertzgespan-Cordiata" gegen Magendrücken, Herzkrämpfe, bei Engbrüstigkeit und lahmen Gliedern. Auch die späteren Kräuterbücher bringen dieselben Anwendungsweisen.
Wirkung
Im Hortus Sanitatis (Hortus Sanitatis, Gart der Gesuntheit, gedruckt bei Peter Schöffer, Mainz 1485 (unter C = Cordiaca).), bei Lonicerus (Lonicerus, Kreuterbuch, 1564, S. 361 D.) und Matthiolus (Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1565, S. 397.) wird das Herzgespann als herzkräftigend, gegen "Herzweh", Herzklopfen und -zittern, Krampf, Gliederlähmung und Fallsucht gerühmt.
Auch Weinmann (Weinmann, Phytanthoza iconographia, Regensburg 1737, Bd. 2, S. 47.) kennt den Gebrauch bei Herzklopfen und -stechen, als Diuretikum, Emmenagogum und Expektorans. Äußerlich wurde es gegen Gliederkrämpfe, Lähmungen und frische Wunden gebraucht.
Schulz (Schulz, Wirkg. u. Anwendg. d. dtsch. Arzneipfl., S. 181.) gibt als Indikation Meteorismus mit Herzklopfen und Anfällen von Beängstigung an (im Volksmund "Herzgesperr" der Kinder genannt) (v. Haller, Medicin. Lexicon, 1755, S. 303.).
Nach Kahnt (Kahnt, Die Phytotherapie, Berlin 1906.) soll es bei Herzklopfen wie Baldrian wirken und bei Verschleimung, Katarrhen mit reichlicher Sekretion, Magendrücken und Engbrüstigkeit heilsam sein.
Pater (Pater, Pharmaz. Mon.-H. 1930, Nr. 7, S. 154; Pharm. Mon.-H. 1933, S. 171.) konnte diese Wirkungen bestätigen und berichtet außerdem über seine günstigen Erfahrungen bei Prostatahypertrophie (die er allerdings später widerruft), Kropf und klimakterischen Beschwerden, neuerdings bei Epilepsie. Vier von ihm angeführte englische Autoren (Holms, King, Lloyd, Murnbray) empfehlen Leonurus card. bei Hysterie, nervösen Störungen mit Gereiztheit, Unruhe, Delirium tremens, Rückenmarksirritationen, Neuralgien, Herzklopfen, schwacher Herzfunktion mit ausbleibendem Puls.
Nach Zelenyak (Zit. bei 7.) sollen gute Erfolge mit Leonurus cardiaca als Expektorans und Stopfmittel erzielt werden.
Bei Römheldschem Symptomenkomplex verwendet Janson (Janson, ärztliche Sammelblätter 1937, S. 155.) das Herzgespann im Teegemisch mit Baldrian, Melisse, Kümmel und Fenchel.
Der wirksame Bestandteil ist wohl der Bitterstoff "Leonurin" (Wehmer, Die Pflanzenstoffe, 1931, S. 1038.).
Balansard (Balansard, Bull. des Sciences pharmacol. 1936, Nr. 43, S. 148.) fand 0,17% Glukosid und 0,21% saures Saponin.
Peyer und Vollmer (Peyer und Vollmer, Pharm. Zentralh. 1935, Nr. 7, S. 97.) konnten in Tierversuchen keinerlei Herzwirkung, dagegen aber eine stopfende Wirkung nachweisen. Diese führen sie auf den Gehalt der Pflanze an Gerbstoff zurück. Die Versuche sprechen für eine Verwendbarkeit bei gastrokardialem Symptomenkomplex. Weiterhin wurde die Anwesenheit einer uteruskontrahierenden Substanz festgestellt.
Nach Swerew (Swerew, Bull. Wiss. Chem.-Pharm. Forsch.-Inst. (russ.) 1931, S. 281-83 (C. C. 1931.) konnten nach Darreichung des Extraktes am Versuchstier keinerlei toxische Wirkungen beobachtet werden. Der Extrakt wirkte stark auf die peripheren Gefäße des Kaninchenohrs und betäubend auf das Nervensystem. Auf das zentrale Nervensystem des Frosches wirkte er drei- bis viermal stärker als die Baldrianpräparate gleicher Konzentration.
Eine Verwandte, Leonurus sibirica, wird in China "Gras zum Segen der Mutter" genannt, und der Samen gegen postpartale Blutungen und Dysmenorrhöe angewandt.
Sehr ausführliche Angaben über die Verwendung von Leonurus sibirica in der chinesischen und mongolischen Medizin bringt auch Hübotter (Hübotter, Beiträge zur Kenntnis der chinesischen sowie tibetisch-mongolischen Pharmakologie, S. 117, Berlin 1913.), die ich nachstehend wörtlich zitiere:
"Heilt Hitze des Herzens und Frauenkrankheiten.
P. Einer nennt die Pflanze ... (Chinesisches Schriftzeichen), sie bringt Stockungen des Blutes in Fluß und erzeugt neues Blut.
Scharf, wenig bitter, kalt, dringt es bis zu den Hand- und Fußkommunikationen der .... (chinesisches Schriftzeichen) Gefäße (die dem Herzbeutel und der Leber entsprechen), bringt Wasser im Körper zum Abfließen und das Blut in Bewegung, beseitigt Stauungen, bringt neues Blut hervor, regelt die Menstruation, hebt die Wirkung von Giften auf. Die Pflanze wirkt heilend auf das Blut bei Eindringen von Wind, bei Ohnmacht infolge Blutverlust, bei Schmerzen, welche das Blut verursacht, bei Blutharnen, bei Schmerzen in der Uterusgegend, bei schwerer Geburt, Menorhagie und Vaginalausfluß. Sie ist eine auf Menstruation und Geburtsverlauf gut wirkende Arznei, sie erweicht Schwären ... (chinesisches Schriftzeichen) und Blutgeschwulst (Ca), wirkt befördernd auf Stuhl und Urin, ist eine scharfe, zerteilende Arznei.
Die Pflanze regelt die Menstruation, mehrt das Sperma, macht das Auge klar, belebt das Blut, bringt das Pneuma in das richtige Verhältnis, beseitigt den Wind. Sie ist eine Arznei, welche das Innere in Umlauf bringt und eine unterstützende Heilwirkung hat auf Hitze des Herzens und auf Kopfschmerzen.
Diese Arznei verhilft den Frauen zu Kindern, gleichgültig, ob sie ungeschwängert oder schon geschwängert sind, oder ob sie mit Ausfluß resp. Menorhagie behaftet sind."
Bei intravenöser Injektion wirkt das Blätterdekokt am Hunde blutdrucksenkend, nierenvolumenvermindernd, peristaltiksteigernd und uteruskontrahierend (Chu, S., M. Chen u. K. K. Chen, Proc. of the soc. f. exp. biol. a. med. 1926, Bd. 24, Nr. 1, S. 4.). Das aus Leonurus sibirica isolierte Leonurin besitzt starke zentrale Wirkungen, vorwiegend auf Atem- und Vasomotorenzentrum (Kubota and Nakashima, Jap. J. med. Sci., 1930, Trans. IV, Pharmacol. Bd. 4, Nr. 3, S. 7.). Es bewirkt Vasokonstriktion und macht Hämolyse (Kubota and Nakashima, Fol. pharmacol. jap. 1930, Bd. 11, Nr. 2, S. 11.).
Bei Untersuchungen über Toxingehalt wurden in Leonurus cardiaca durchschnittliche Mengen von ausfällbarem Eiweiß von starker Giftigkeit festgestellt (Nach eigenen Untersuchungen.).
Kroeber (Kroeber, Pflanzenbuch, I, 1936, S. 165.) konnte auch noch Zucker und eisengrünende Gerbstoffe nachweisen.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Leonurus cardiaca wird bei Meteorismus mit Herzklopfen und Angstgefühl, Kardialgie der Kinder, Dyspnoe und Angina pectoris, speziell bei Frauen, verordnet.
Weitere Indikationen sind: Klimakterische Beschwerden, Amenorrhöe, Dysmenorrhöe, Sterilität, Bleichsucht, Blutarmut. Auch als Diuretikum wird es genannt.
Angewandter Pflanzenteil:
Nur vom Kraut ist die Rede im Hortus Sanitatis, bei Matthiolus und Lonicerus sowie bei v. Haller. Nach Geiger waren die Blätter offizinell. Auch neuerdings verwendet man nur das blühende Kraut (Dragendorff, Thoms, Clarke), das auch das HAB. nennt (§ 3). Aus frischen, blühenden Pflanzen ohne Wurzel wird auch das "Teep" gewonnen.
Sammelzeit: Juli.
Dosierung:
- Übliche Dosis:
Maximaldosis:Nicht festgesetzt.
Rezepte:
Als Emmenagogum: (nach Wittlich):
- Rp.:
Bei Wunden (nach Droz):
- Rp.:
Bei Römheldschem Symptomenkomplex:
- Rp.:
1 Teelöffel voll wiegt etwa 0,5 g. Im Hinblick auf die geringen Unterschiede zwischen kalter und heißer Zubereitung kann der Tee kalt oder heiß unter Verwendung von 1 Teelöffel voll auf 1 Teeglas bereitet werden.).
Bei nervösen Herzbeschwerden (nach Meyer):
- Rp.:
Bei Angina pectoris (nach Aschner und Kißner):
- Rp.:
Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.