Nymphaea alba. Weiße Seerose. Nymphaeaceae.
Name: Nymphaéa álba L. (= Castalia alba [L.] Wood, = C. speciosa Salisb., = Leuconymphaea alba O. Kuntze, = Nymphaea alba L. subsp. melocarpa Aschers et Graebner). Weiße Seerose. Französisch: Nénuphar blanc; englisch: White water-lily; italienisch: Carfano; dänisch: Aakande; litauisch: Undlelija baltoji; norwegisch: Hvid Nökkrose; polnisch: Grzybien; russisch: Kuwszynka; schwedisch: Vit näckros; tschechisch: Leknín bilý; ungarisch: Feher tündérrózsa.
Namensursprung: Der Name Nymphaea erscheint zuerst bei Theophrast. Nach einer alten Sage ist die Pflanze aus einer vor Eifersucht auf Herkules gestorbenen Nymphe entstanden. Seerose bezeichnet den feuchten Standort der Pflanze.
Volkstümliche Bezeichnungen: Weiße Wasserlilie (Anhalt), Wâterrose (nordwestliches Deutschland), Wasserrosa, -bluama (St. Gallen), Weierrose (Niederösterreich), Deikrause = Teichrose (Braunschweig), Maarrose (Eifel), Moosroasa, Grababloma (St. Gallen), Frösche(n)-Bluem (Zürich); nach der kannenförmigen Frucht: Kannelke (Ostfriesland), Käntchen, Käenk, Kenke, Kênblaume, Käntchen (nordwestliches Deutschland), Kahndelblume (Schlesien), Kegel (Braunschweig), Essigkrüegle (Schwaben), Bubbelkes (Ostfriesland), Poppel, Pöppel, Poppelken, Pöppelken, Poppelblome, Pöppelblom, Puppen, Paapaken, Pappenblader, Aupopen (im Plattdeutschen), Mümmel, Mümmelken (Norden Deutschlands), Witte, Aublom, Göske, Buttbladen (Gebiet der unteren Weser).
Botanisches: Die ausdauernde Pflanze besitzt einen starken, kriechenden Wurzelstock. Die sehr langen Blatt- und Blütenstiele erheben sich bis zur Wasseroberfläche und sind grün bis braun gefärbt. Die eirundlichen, lederartigen Blätter liegen flach auf dem Wasser ausgebreitet und sind bis zur Ansatzstelle des Stengels eingeschnitten. Sie sind ganzrandig. Die Nerven treten auf der Unterseite deutlich hervor. Die runde Blütenachse trägt die weiße Blüte. Diese hat vier grüne, später abfallende, länglich-eiförmige Kelchblätter. Die Kronenblätter, ungefähr zwanzig, gehen allmählich in die Staubblätter über. Der kugelige bis eiförmige Fruchtknoten ist fast bis zur Spitze von den Staubblättern bedeckt. Blütezeit: Juni bis September. Die Weiße Seerose ist in fast ganz Europa verbreitet und findet sich ziemlich häufig in stehenden oder träge fließenden Gewässern.
Wie bei verschiedenen anderen Wasserpflanzen sind die frisch aus dem Wasser genommenen Seerosenblätter nicht selten mit einer Kalkinkrustation versehen, welche offenbar durch Zerlegung von Calciumbicarbonat infolge der Assimilation entstanden ist. Die Spaltöffnungen befinden sich nur auf der Blattoberseite. Die Blüten enthalten keinen Honig, sie spenden den Insekten nur Pollen. Sie sind geöffnet von 7-16 Uhr. Der junge Wurzelstock ist reich an Stärke.
Nymphaea alba steht in Deutschland vollkommen unter Naturschutz.
Geschichtliches und Allgemeines:
Im Altertum wurde die Seerose allgemein als Antiaphrodisiakum bezeichnet. Plinius empfiehlt sie gegen erotische Schlaflosigkeit, und die ägyptischen Einsiedler sollen sie - nach Prosper Alpinus - angewandt haben, um die Härte des Zölibates leichter ertragen zu können.
Wirkung
Lonicerus (Lonicerus, Kreuterbuch, 1563, S. 258.) führt an: Die Wurzel gegen die Rote Ruhr, die Blüten als Schlafmittel, gegen "alle unnatürliche Hitz des Haupts, der Leber, Magen und Herzens". Sie sind ein blutstillendes und abführendes Mittel. Die Samen aber stopfen. Der Wurzelsaft heilt die Rote Ruhr. Die Blüten vertreiben Geschwülste, die Wurzeln fördern den Haarwuchs, Seerosenwasser wirkt gegen Gelbsucht, Husten, Brustgeschwüre, Darmgeschwüre, Entzündungen der Leber und Milz, Herzklopfen. "Das Wasser tötet und erkältet die gebärende Kraft der Natur."
Bock (Bock, Kreutterbuch, 1565, S. 260.) schreibt: "Seeblumen mögen zu allen hitzigen Leiden im Leib und außerhalb angewendet werden." Ähnliches berichtet auch Weinmann (Weinmann, Phytanthoza iconographia, Bd. III, S. 455, Regensburg 1742.).
v. Haller (v. Haller, Medicin. Lexicon, 1597-1633, S. 1074.) nennt die kühlende Kraft der Seerose, doch wirke sie vermutlich nicht allzu stark, ebensowenig wie die gedörrten Blumen im Tee und Gurgelwasser. In Sirup, Öl und Salbe werden Seerosen gegen Tollwut und Satyriasis gegeben, ebenso wie die Samen und die Wurzel. Auch gegen Weißen Fluß führt er sie an.
Gerard (Gerard, History of plants, 1787, S. 820.) weiß u. a. von der laxierenden Wirkung der Pflanze und einer solchen gegen Haarsausfall und wollüstige Träume zu berichten.
Geiger (Geiger, Handbuch der Pharmazie, 1839, II, S. 1815.) verzeichnet von der Wurzel die adstringierende, von den Blüten die kühlende Wirkung.
Dragendorff (Dragendorff, Die Heilpflanzen, 1898, S. 210.) schreibt, daß der Wurzelstock in Toscana auch gegen Goldene Ader angewendet wird.
Leclerc (Leclerc, Précis de Phytothérapie, 1927, S. 255.) ist der Ansicht, daß, obgleich viele modernen Ärzte ihre Wirkung belächeln, sie doch als Antiaphrodisiakum mit Erfolg verwendet werden könnte. Er führt einige diesbezügliche Fälle an.
Nymphaea alba übt als Wurzelpulver in täglichen Dosen von 0,5 g per os im Tierversuch keinen Einfluß auf den Östrus der Ratten aus (Nach eigenen Untersuchungen.).
Muszynski (Muszynski, Heil- und Gewürzpfl., Bd. 17, S. 31.) berichtet, daß im Wilnaschen Kreise die Blüten vom Volke gegen Erysipel verwendet würden. In den Blüten dieser ehemals in Zeiten der Hungersnot gegessenen Pflanze wurde von Modrakowski (J. Modrakowski, Bull. Acad. Polon. des Scienc. et des Lettres, Classe de Médecine, 1933, S. 201; Modrakowski et Sikowski, ibidem, 1934, S. 365.) ein kristallinisches Glykosid, daß er Nymphalin nannte, gefunden. Das Nymphalin besitzt eine ausgeprägte, die Herztätigkeit stärkende Wirkung. Weiter stellte Modrakowski (Bulajewski et Modrakowski, Bull. internat. Acad. pol. Sci., Cl. Méd., 1934, S. 437; derselbe, Wiadomoski Pharmaceutyczne, 1936, Nr. 41 u. 43.) das Vorhandensein eines sehr leicht zersetzlichen, auf das Zentralnervensystem wirksamen Alkaloids fest. Im Tierexperiment erzeugte dieses Alkaloid zuerst stark erhöhte reflektorische Erregbarkeit und dann Beruhigung, Verminderung des Orientierungsvermögens und einen schlafähnlichen Zustand, aus dem die Tiere durch plötzliche taktile Reize sofort wieder geweckt werden. Bei vorsichtigem Vorgehen lassen sich die Tiere jedoch in diesem Zustand in die merkwürdigsten Körperstellungen bringen, in denen sie wie hypnotisiert verharren. Nach dem Verfasser beruht die Wirkung des Nymphaeaalkaloids auf einer Lähmung des Großhirns. Wahrscheinlich ist dieses Alkaloid identisch mit dem von Bureš; und M. Hoffmann (E. Bureš u. M. Hoffmann, časopis československého lékárnictva 1934.) gefundenen amorphen und inaktiven Alkaloid Nymphaein.
In Blättern und Rhizom finden sich ferner mehrere Gerbsäuren, Metarabinsäure, etwas Fett u. a., in den Blättern außerdem Myricitrin, Phytosterin (Wehmer, Die Pflanzenstoffe, 1929, Bd. I, S. 308.).
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Dänemark: Das Destillat gegen Wechselfieber, Pleuritis, Husten, Leber- und Milzleiden, Diarrhöe und als Anaphrodisiakum, ferner gegen pestartige Krankheiten.
Litauen: Kraut, Blätter und Wurzelstock gegen Blasen- und Nierenentzündungen.
Polen: Bei Erysipel und Phlegmonen.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Nymphaea alba wird als Anaphrodisiakum genannt. Gelegentlich findet sie als kühlendes und adstringierendes Mittel auch bei Fluor albus, Pollutionen, Nieren- und Blasenleiden und Dysenterie Verwendung.
Angewandter Pflanzenteil:
Während die alten Kräuterbücher (Lonicerus, Bock, Matthiolus) die Verwendung von Wurzelstock, Blüte und Samen kennen und auch v. Haller diese Teile der Pflanze erwähnt, bezeichnet Geiger nur Wurzel und Blumen als offizinell.
Dragendorff führt wieder Rhizom, Blüten und Samen an, und Thoms nennt Rhizoma und Flores Nymphaeae albae.
Clarke und die Amerikanische Homöopathische Pharmakopöe sowie das HAB. (§ 3) lassen von der verwandten N. odorata nur den frischen Wurzelstock verwenden. Das "Teep" wird aus dem frischen Rhizom und Blüten von Nymphaea alba bereitet.
Dosierung:
- Übliche Dosis:
Maximaldosis:
Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.