Paeonia officinalis. Pfingstrose. Ranunculaceae.

Botanical name: 

Name: Paeónia femina Garsault (= P. officinalis L. femina L., = P. peregrina Gremli, = P. festiva Tausch.). Pfingstrose. Französisch: Pivoine; englisch: Paeony; italienisch: Peonia; dänisch: Pionrose; litauisch: Bijūnas; norwegisch: Paeon, Bonderose; polnisch: Piwonia; russisch: Pion; tschechisch: Pivoňka lekařská; ungarisch: Pünkösdirózsa.

Weiteres Vorkommen: Vorderasien.

Namensursprung: Die Gattung soll ihren Namen - einer alten Sage nach - Paeon, dem Gott der Heilkunde, verdanken, da dieser mit der bei Theophrast παιων_α (paionia) genannten Pflanze Pluto heilte. Der Name Pfingstrose sowie verschiedene volkstümliche Bezeichnungen beziehen sich auf die Blütezeit.

Volkstümliche Bezeichnungen: Auf die große, runde Blüte dieser in Bauerngärten häufigen Pflanze deuten hin Fustros (nordwestliches Deutschland), Ballerose (Nahegebiet) Knopfrosen nach der Knospengestalt (Kärnten), Pumpelruse (Nordböhmen, Niederösterreich), Pumprose (Gotha), Buërrose (nordwestliches Deutschland), Kaurôse (nordwestliches Deutschland), Perdsros (Luxemburg), Buebarose (Schweiz), auf die dunkelrote Blumenfarbe nehmen Bezug: Schwartrose (Nahegebiet), Kohlrose (Elsaß), Cholrose (Schweiz), Blutrose (Harz, Altbayern, Oberösterreich), Brandrosa, Fürrose (Schweiz). Auch gegen Krankheiten findet unsere Pflanze (bzw. die Samen) mannigfache Verwendung, so gegen den "Schreck" des kleinen Kindes (eclampsia infantium), gegen Ohnmacht und gegen Gicht; eine Kette aus den Samen ("Krallen" = Korallen) hängt man den kleinen Kindern um, damit sie leichter "zahnen". Schreckrose (Nahegebiet), Schreckhorn (Nassau); Amachtsblome (Bremen), Gichtrose (Elsaß, Schweiz), Tänkrallen, Kinnerperlen, für die Samen (Mecklenburg), Chinde(n)wê Bluem, Chindliwehrose (Schweiz). Eine große Gruppe bilden die Benennungen, die nichts weiter als (oft bis ins Unkenntliche gehende) Verstümmelungen des lateinischen "paeonia" sind. Dahin gehören z. B. Pegunje, Pujenge, Bijönje, Bigenge, Bigonnie, Bujenge (West- und Ostpreußen) u. a.

Botanisches: Linné faßt unter der Sammelart Paeonia officinalis die beiden Arten P. corallina Retz. und P. femina Garsault zusammen. Nach Dragendorff ist P. officinalis = P. off. femina und nach Thoms ist P. off. = P. peregrina Miller. Beide sind nach Hegi:

Paeonia femina Garsault, Großblumige Pfingstrose.

Die ausdauernde, krautartige Pflanze wird 30-60 (90) cm hoch und hat Wurzelfasern, die zu länglichen, gegliederten Knollen umgestaltet sind. Der aufrechte, krautige, kahle, unverzweigte Stengel ist einblütig und beblättert. Die Laubblätter sind doppelt-dreizählig, mit schwach behaarter, hellgrüner Unterseite, ihre einzelnen Abschnitte mehr oder weniger breit-lanzettlich, in drei längliche, etwa 10 mm breite ganzrandige Lappen endigend, besonders der mittlere Abschnitt häufig am Stengel herablaufend. Die fünf Kelchblätter sind meist ungleich (grün bis kronenblattartig) ausgebildet und bleibend. Fünf bis acht Kronenblätter, 4-5 cm lang, breit-eiförmig, ganzrandig oder unregelmäßig gebuchtet, dunkelrot, seltener rosa oder gelblich. Die zahlreichen gelben Staubblätter sind am Grunde zu einem kurzen Drüsenring vereinigt. Fruchtknoten bzw. Balgfrüchte zwei bis drei, getrennt, aufrecht oder abstehend, dicht weißfilzig bis verkahlend. Blütezeit: Mai.

Die Pflanze ist verbreitet in Südeuropa, Kleinasien und Armenien. In Deutschland fehlt sie gänzlich. Sie wächst auf lichten, felsigen Berghängen und auf trockenen Kalktriften.

Die Art wird neben anderen, besonders solchen mit gefüllten Blüten, sehr oft in Gärten gezogen.

Geschichtliches und Allgemeines:

Die Pfingst- oder Gichtrose ist im Altertum auch in bezug auf ihre medizinische Verwendung schon lange bekannt gewesen. Unter dem Namen Dactyli idaei soll sie von den Korybaten und Kureten, die man als Gründer der Arzneikunde in Griechenland verehrte, kultiviert und zu verschiedenen Wunderkuren gebraucht worden sein. Theophrast, der nur eine Art der Pfingstrosen kennt, weiß zu berichten, daß man sich beim Ausgraben der Pflanze hüten müsse, da sonst den Augen Gefahr drohe und man leicht Mastdarmvorfall bekommen könne. Dioskurides nennt zwei Arten der Paeonia, und zwar die männliche und die weibliche; er empfiehlt die Wurzeln gegessen als Emmenagogum, in Wein getrunken gegen Magenschmerzen, Gelbsucht, Nieren-und Blasenleiden und Durchfall, die Samen gegen Alpdrücken, Mutterkrämpfe und Mutterschmerzen. Galenus rühmt die Pflanze als Mittel gegen Epilepsie. In der arabischen Zeit finden wir die Paeonie unter den Namen Fâwânija, Ud elsalib, Kahjàna, Ward elhamar; die hl. Hildegard führt sie als Beonia auf. Die botanischen Klassiker des 16. Jahrhunderts (Bock, Ryffius, Tabernaemontanus u. a.) widmen der Pflanze mehr oder weniger ausführliche Kapitel. In der Hauptsache wiederholen sie jedoch die Anwendungsweisen des Galenus und Dioskurides. Früher verwendete man die Blüten der Pfingstrose als Infus bei zu starker Menstruationsblutung. Professor Pieter Camper, Amsterdam (1722-89) gebrauchte die Wurzel bei Epilepsie. Colbatch (London 1748) gab sie mit der Mistel zusammen.

Wirkung

Schon Hippokrates (Fuchs, Hippokrates Sämtl. Werke, Bd. 2, S. 530.), später auch die hl. Hildegard (Der Äbt. Hildegard Causae et Curae, S. 167.) wandten Paeonia gegen Verdauungsstörungen an,

während Paracelsus (Paracelsus Sämtl. Werke, Bd. 1, S. 357, Bd. 2, S. 57, 60, 620, Bd. 3, S. 218, 457, 463, 542 u. a.) sie als Spezifikum bei Epilepsie bezeichnet.

Auch Lonicerus (Lonicerus, Kreuterbuch, 1564, S. 264.), Bock (Bock, Kreutterbuch, 1565, S. 216.) und Matthiolus (Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 314.) rühmen die Paeonienwurzel gegen Epilepsie und glauben, daß sie schon äußerlich - um den Hals getragen - ihre Wirkung entfalte. Sie weisen außerdem auf ihre diuretische, blutreinigende, emmenagoge, herzstärkende Kraft und ihre Wirkung gegen Fraisen derKinder, Leber-, Nieren- und Blasenleiden, gegen Ikterus und Bauchschmerzen hin.

Nach v. Haller (v. Haller, Medicin. Lexicon, 1755, S. 1099.) dient die Paeonienwurzel zur Krampf- und Schmerzstillung (Krämpfe der Säuglinge) und gilt als zuverlässiges Mittel gegen Gicht (daher der volkstümliche Name "Gichtrose").

Als eines der mildesten Antispasmodika für Kinder empfiehlt Hufeland (Hufeland, Enchir. med., S. 440.) die Paeonienwurzel.

Clarus (Clarus, Handb. d. spec. Arzneimittell., 1860, S. 637.) erwähnt ihre Anwendung bei Epilepsie.

Bohn (Bohn, Heilwerte heim. Pflanzen, S. 61.) beobachtete eine Wirkung des Wurzeldekokts auf das Gehirn, weshalb er dieses Mittel bei Epilepsie, bei Eklampsie und bei Asthma mit krampfartigen Erscheinungen anwendet.

In Verbindung mit Radix Artemisiae vulg. findet sich Radix Paeoniae in einem von Meyer (Meyer, Pflanzl. Ther., 1935, S. 121, 169.) angegebenen Rezept gegen Epilepsie.

5-15 Tropfen der Tinktur leisten nach Leclerc. (H. Leclerc, Précis de Phytothérapie, S. 193, Paris 1927.) gute Dienste bei der Behandlung des Keuchhustens.

In der Volksmedizin galt es schon früher als Antiepileptikum (Osiander, Volksarzneymittel, 1826, S. 199.) und wird in der gleichen Eigenschaft auch heute noch geschätzt; außerdem findet es Anwendung gegen spastische Zustände, gichtische Beschwerden und Neuralgia migrans; die Samen der Pfingstrose dienen als Emmenagogum (Schulz, Wirkg. u. Anwendg. d. dtsch. Arzneipfl., S. 112.).

Holste (Holste, Z. experim. path. Therapie 1916, 18, 1.) fand in Samen und Wurzeln der Paeonie ein Alkaloid, Paeonin oder Peregrenin, das den Uterustonus steigert und die Peristaltik kräftigt, also ähnlich dem Secale cornutum, nur etwas schwächer wirkt; es kontrahiert die Nierenkapillaren und erhöht die Blutgerinnungsfähigkeit, ohne Herz und Blutdruck zu beeinflussen. Holste empfiehlt daher klinische Nachprüfung, insbesondere bei Uterusblutungen ohne schwere anatomische Veränderungen, bei Nieren- und Lungenblutungen.

Auch Kionka (Kionka, Die deutsche Heilpflanze, Jahrg. 2, Nr. 7.), der im Hinblick auf die botanisch nahe Verwandtschaft der Pfingstrose mit der als Uterusmittel bekannten ausländischen Droge Hydrastis canadensis die Samen der Pfingstrose untersuchte, fand, daß diese uterusbewegende Substanzen enthielten.

In der Homöopathie wird sie gegen Mastdarm- und Afterleiden, wie Fissura ani und Hämorrhoiden verwandt (Stauffer, Klin. hom. Arzneimittell., S. 746; Clarke, Dict. of Materia Med., Bd. II, S 707.).

Außer dem Alkaloid enthält die Wurzel u. a. ein ätherisches Öl mit Paeonol, ferner Glutamin, Arginin und einen Gerbstoff Paeoniafluorescin (Wehmer, Pflanzenstoffe, S. 310.).

Der trockene Wurzelstock soll fast unwirksam sein (Hallier-Schlechtendahl, Flora von Deutschland, 1880/88.).

Die Blüten mit dem roten Farbstoff Paeonin (Willstätter u. Nolan, Ann. Chem. 1915, Bd. 408, S. 1.) können giftig wirken. So beobachtete Thomsen (Thomsen, Oppenh. Ztschr. 1850, Bd. 43, S. 4.) nach Genuß des Blumeninfuses heftige Reizung des Darmkanals und der Nieren, Schlingbeschwerden, Schmerz, dann Taubheit und Kälte der Extremitäten.

Die in der chinesischen Heilkunde als Antidiabetikum verwandte Paeonia odorata bewirkt experimentell rasche Steigerung der Blutzuckermenge, die nach ½- 1 Stunde ihr Maximum erreicht, allmählich abnimmt und nach 5-6 Stunden zum Ausgangswert zurückkehrt (Sugihara, Fol. pharmacol. jap. 1930, Bd. 11, H. 1.).

Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):

Dänemark: Gegen Gelbsucht, Magenschmerzen, in Wein gekocht gegen Diarrhöe, Urinsteine, Erbrechen.

Litauen: Das Infus des Rhizoms und der Blüten als Emmenagogum.

Polen: Als Nervinum bei Krämpfen.

Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:

Paeonia wird als Antispasmodikum, insbesondere gegen Epilepsie, Kinder-und Zahnkrämpfe verordnet. Sehr beliebt ist die Anwendung in der Homöopathie besonders in Mischung (innerlich und äußerlich) bei Fissura ani, Fistulae ani, Hämorrhoiden, Prolapsus ani, ferner bei Varizen und Flechten. So konnten mit der peroralen Verordnung von Paeonia Oligoplex und Aesculus Oligoplex unter gleichzeitiger lokaler Behandlung mit Hamamelisessig und Apodochmonsalbe in drei Fällen Afterfissuren innerhalb von 8 Tagen heilen.

Recht gute Resultate wurden auch bei Arthritis urica erzielt. Außerdem wird die Pfingstrose noch bei Rheuma, als leber- und nierenreinigendes Mittel, bei Cystitis mit Harndrang und Blutungen genannt.

Angewandter Pflanzenteil:

Bei Hippokrates findet sich eine Angabe über die Verwendung der Samen. Paracelsus kennt daneben auch die Verwendung der Wurzel.

Wurzel, Blüten und Samen kannten auch Matthiolus, Bock, Geiger als verwendet.

Dieselben drei Teile der Pflanze erwähnt auch Thoms, während Kobert nur Blüten und Samen, Schulz aber Samen und Wurzeln anführt.

Hufeland, Bohn, Clarke, Stauffer und das HAB. (§ 3) nennen die frische, im Frühling gegrabene Wurzel. Dieser Pflanzenteil wird auch zur Herstellung des "Teep" benutzt.

Dosierung:

Übliche Dosis:
5-15 Tropfen der Tinktur (Leclerc);
0,3-0,6 g des Wurzelpulvers für Kinder (Clarus);
7,5 g der Wurzelabkochung im Klistier (Clarus).
1 Tablette der Frischpflanzenverreibung "Teep" drei- bis viermal täglich.
(Die "Teep"-Zubereitung ist auf 10% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,025 g Rad. Paeoniae.)

In der Homöopathie:

dil. D 2, dreimal täglich 10 Tropfen.

Maximaldosis:

Nicht festgesetzt.

Rezepte:

Bei Magenkrämpfen und Gicht (nach Walser):

Rp.:
Rad. Paeoniae conc. . . . 10
Coqu. cum vini . . . 50
D.s.: 5-10 Tropfen mehrmals täglich.
Rezepturpreis etwa 1.43 RM.

Als Antispasmodikum (nach M. Müller):

Rp.:
Rad. Paeoniae officinalis (= Pfingstrosenwurzel)
Rad. Artemisiae vulg. . . . aa 25 (= Beifußwurzel)
C.m.f. species.
D.s.: 2 Teelöffel voll auf 2 Glas Wasser, vgl. Zubereitung von Teemischungen S. 291.
Rezepturpreis ad chart. etwa -.78 RM.

Als Antiepileptikum (nach Kroeber):

Rp.:
Rad. Valerianae (= Baldrianwurzel)
Visci albi (= Mistel)
Fol. Aurantii (= Pomeranzenblätter)
Rad. Paeoniae . . . aa 25 (= Pfingstrosenwurzel)
C.m.f. species.
D.s.: 1 Eßlöffel auf 1 Tasse zum Aufguß. Zweimal täglich 1 Tasse warm trinken.
Zubereitungsvorschlag des Verfassers: 2 Teelöffel voll auf 2 Glas Wasser, vgl. Zubereitung Teemischungen S. 291.
Rezepturpreis ad chart. etwa 1.29 RM.

Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.