Paris quadrifolia. Einbeere, Wolfsbeere. Liliaceae.
Name: Páris quadrifólia L. Vierblätterige Einbeere. Französisch: Herbe à Paris, raisin de renard, étrangle-loup, Parisette; englisch: Herb Paris, One berry; italienisch: Eribacrociola, uva di volpe; dänisch: Etbär, Fireblad; norwegisch: Firblad, Halsbyllbaer; polnisch: Czworolist; russisch: Woronij glaz; schwedisch: Ormbär; tschechisch: Vraní oko čtyřlisté; ungarisch: Varjuszem.
Namensursprung: Nach einer Erklärung soll die Pflanze ihren Namen von dem trojanischen Königssohne Paris haben. Die Beere sollte dann den Erisapfel, die vier Blätter die drei streitenden Göttinnen Hera, Aphrodite, Pallas Athene und den Prinzen Paris versinnbildlichen. Eine andere Lesart leitet den Namen vom lateinischen par = gleich wegen der Regelmäßigkeit der Blätter und Blütenteile ab; quadrifolia = vierblätterig. Einbeere, weil jeder Stengel nur eine einzige Beere trägt.
Volkstümliche Bezeichnungen: Eenbeer (Oldenburg), Eïbeere (Nordböhmen), Oanbeer (Niederösterreich) usw.; Moosbeere (Erzgebirge); Kroache = Krähenauge (Nordostböhmen); Shbuerze Karschen = schwarze Kirschen, Peare (Krain, Gottschee); Giftbeere (Riesengebirge), Giftbeeri (Waldstätten); Sprengberi (Graubünden); Wolfsberi (Uri), Teufelsbeer (Schwäbische Alb, Kärnten), Schlange(n)krut - "Schlange" bedeutet oft Giftigkeit (Elsaß), Schlangenbeeri (Graubünden); kleine Tollkirsch (Schwäbische Alb), Nâchtschadde (Schwäbische Alb). Auch gilt die Beere als Mittel gegen die Pest, daher: Pestbeere (Böhmerwald, Steiermark), Schwarzblatterkraut (bayrisches Schwaben). Nach der kreuzweisen Stellung der vier Blätter heißt die Pflanze in der Schweiz: Chrüzlibeere (Waldstätten), Chrüzli-Chrut (Graubünden), Kreuzblatt (St. Gallen).
Botanisches: Die ausdauernde, 10-40 cm hohe Giftpflanze mit unterirdisch langkriechender Grundachse lebt in humusreichen, etwas feuchten Laubwäldern Europas und Kleinasiens. Der Blütenstengel trägt an seinem oberen Teile vier quirlig genäherte, elliptisch-lanzettliche Blätter und eine endständige, gelblich-grüne Blüte, aus der dann eine kirschengroße, stahlblaue Beere hervorgeht. Die unangenehm riechenden bis 10 cm großen Blätter sind infolge ihrer Größe und ihrer geringen Dicke schattigen Standorten besonders angepaßt. Die nektarund geruchlosen Blüten entwickeln ihre langlebigen Narben lange vor den Staubbeuteln (Proterogynie). Die Pflanze enthält Schwefel. Blütezeit: Mai bis Juni.
Geschichtliches und Allgemeines:
In der Heilkunde wurden die Wurzel, Blätter und Früchte, Radix, Herba et Baccae Paridis, gebraucht, Sehr bekannt war die Anwendung der Wurzel und der ganzen Pflanze als drastisches Abführmittel. Bergius, der die Blätter gegen Keuchhusten und verschiedene Nervenkrankheiten anwandte, rühmte ihre abführende und beruhigende Wirkung. Nach Veleslavín (1596) verwendete man die Beeren gegen Irrsinn, Hämorrhoiden und Pestbeulen. In Schlesien badete man die an Blattern erkrankten Kinder in einem Absud der Paris quadrifolia. In der Steiermark findet ein Dekokt der Beeren gegen Wassersucht Verwendung. In Norwegen soll aus den Beeren eine Tinktur hergestellt werden, die zu Pinselungen bei Halsgeschwüren und Diphtherie benutzt wird.
Die wohl in allen Teilen giftige Pflanze ist schon öfters Kindern, die dem Genuß der Beeren nicht widerstehen konnten, verhängnisvoll geworden. Burghard beobachtete nach ihrem Genuß Magenschmerzen und Erbrechen. Bei Hühnern sollen sie sogar tödlich wirken können. Die unreifen Beeren und Blätter wurden früher als Färbmittel benutzt.
Wirkung
Paracelsus (Paracelsus Sämtl. Werke, Bd. 2, S. 138.) behauptet, daß die Wolfsbeeren "die Vernunft unsinnig machten".
Auch Lonicerus (Lonicerus, Kreuterbuch, 1564, S. 226 D.) bezeichnet die Einbeere als "Dollwurtz", während Matthiolus (Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 382 D.) berichtet, daß Menschen, die ihrer Vernunft beraubt gewesen seien, durch die Einbeere geholfen werden konnte. Beide geben als medizinisches Anwendungsgebiet "hitzige Schäden" an, und lassen Paris quadrifolia vorwiegend als Pflaster oder Umschlag auf geschwollene und entzündete Stellen, namentlich der Genitalien, auf Feigwarzen oder Hämorrhoiden, "pestilentzische Beulen", Karbunkel wie auch auf entzündete Augen legen.
Ich selbst habe den Vollauszug (Paris qu. Plasmolyt) zum Betupfen bei Gangrän wiederholt mit bestem Erfolg empfohlen bei gleichzeitigen innerlichen Gaben von Secale "Teep".
Coste und Willemet empfahlen die Wurzel der Einbeere an Stelle der Ipecacuanha als Emetikum und Purgans (Zit. bei Stephenson and Churchill, Medical Botany, Bd. I, S. 19, London 1834.).
Das Rhizom der verwandten Spezies Paris polyphylla Smith ist in China (Tsutomu Ishidoya, Chinesische Drogen, Teil II, S. 97.) unter dem Namen Tsao-hsiu als Mittel gegen Reizbarkeit und als Anthelmintikum bekannt.
Über den homöopathischen Gebrauch äußert sich Hahnemann (Hahnemann, i. Hufelands Journal, Bd. 2, S. 477.) wie folgt: "Man hat das Kraut der Vierblatteinbeere (Paris quadrifolia) in Krämpfen wirksam befunden. Die Blätter erregen in größerer Gabe selbst wenigstens Magenkrampf, nach den noch unvollständigen Erfahrungen, die wir von den krankhaften Erscheinungen besitzen, die sie hervorbringen mögen."
Kopfschmerzen spinalen Ursprungs, Kehlkopferkrankungen, Rheuma und Neuralgien sind die Indikationen der heutigen homöopathischen Schule (Schmidt, Lehrb. d. hom. Arzneimittell., S. 241; Stauffer, hom. Taschenbuch, S. 274.). Das in Paris quadrifolia enthaltene Glykosid Paridin gleicht in seiner Wirkung den Saponinen (Kobert, Lehrb. d. Intoxik., S. 465.). Das Glykosid Paristyphnin soll ein stark narkotischer Stoff sein. Nach Walz (Walz, zit. nach Weese, Digitalis, S. 74, Leipzig 1936.) besitzen die Glykoside Paridin und Paristyphnin digitalisartige Herzwirkung.
Schroff (Schroff, Historische Studien über Paris quadrifolia, Graz 1890.) gibt als Vergiftungserscheinungen Magenschmerzen, Erbrechen, Durchfälle, Kopfschmerzen und Schwindel an. Weiteres vgl. Geschichtliches.
Nach Fr. Scheermesser (Dissertat. Braunschweig 1936, S. 35.) konnte in Paris quadrifolia entgegen den Angaben der Literatur kein herzwirksamer Stoff nachgewiesen werden.
Außer den genannten Glykosiden enthält Paris quadrifolia u. a. auch Asparagin, Zitronensäure, Äpfelsäure, Pectin (Wehmer, Die Pflanzenstoffe, 1929, Bd. I, S. 161.).
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Die Einbeere wird zur Zeit fast nur von den Homöopathen angewendet. Man gibt sie bei Nackenkopfschmerz und Kongestionen nach dem Kopfe, Vertigo, Schlafsucht, Gehirnerschütterung, Augenschmerz mit und eutlichem Sehen, nervöser Erregung, Palpitatio cordis, Gehörstörungen, Neuralgien, Migräne, Apoplexie und nach Krug, Lörrach, bei Basedow im Wechsel mit Calc. jodatum D 4. Als gutes Mittel hat sich Paris bei Laryngitis und periodisch wiederkehrender Heiserkeit gezeigt, auch wird es bei Bronchialleiden, Rheumatismus (charakteristisch das Gefühl, als ob die Augen in den Kopf hineingezogen würden), Myalgien, Muskelhärten im Nacken und Rücken, Verdauungsstörungen wie Obstipation (hier werden gern die Beeren gegeben) und Erbrechen und von Funke bei Arsenikvergiftung genannt. Äußerlich wendet man die Tinktur bei Gangrän an.
Bei schlecht heilenden Wunden empfiehlt Klöpfer eine Salbe aus der Tinktur mit Bienenwachs und Vaseline anzuwenden.
Angewandter Pflanzenteil:
Paracelsus spricht von "Wolfskörnern", also wohl von den Samen. Die mittelalterlichen Kräuterbücher erwähnen Kraut und Beeren. Nach Geßner enthält die Pflanze in allen Teilen, besonders aber in Wurzelstock und Beeren, als wirksame Stoffe das Saponin Paristyphnin und das Sapogenin Paridin. Allen, die amerikanische Homöopathische Pharmakopöe, Clarke, Schmidt und Stauffer nennen zur Verwendung die frische Pflanze zur Zeit der Fruchtreife. Das HAB. schreibt die frische Pflanze ohne Wurzel vor, während das "Teep" aus der ganzen frischen Pflanze mit Wurzel gewonnen wird.
Dosierung:
- Übliche Dosis:
In der Homöopathie:
Maximaldosis:
Rezepte:
Bei schlecht heilenden Wunden (nach Klöpfer):
- Rp.:
Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.