Phellandrium aquaticum. Wasserfenchel. Umbelliferae.
Name: Phellándrium aquáticum L. (= Oenanthe aquatica (L.) Poiret (1795), = Ligusticum phellandrium Crantz 1767, = Oe. phellandrium Lam. 1799, = Carum petroselinum Benth. et Hook, = Selinum phellandrium E.H.L. Krause, = Ph. divaricatum Gilib. 1781, = Oe. gigantea Zumagl.). Wasserfenchel, Wasser-Rebendolde, Roßfenchel, Roßkümmel, Roßkerbel, Pferdesaat, Butte, Mäusezahl. Französisch: Phellandre, ciguë aquatique, millefeuille aquatique, fenouil d'eau; englisch: Waterfenkel; italienisch: Cicutaria, fellandrio (aquatico), millefoglio acquatico; dänisch: Vandfennikel; polnisch: Galucha; russisch: Konskij ukrop; schwedisch: Stäkra; tschechisch: Vodní konin, halucha vodní; ungarisch: Borgyökér.
Weiteres Vorkommen: Sibirien. Verschleppt in Nordamerika.
Namensursprung: Erklärung für Oenanthe siehe Oenanthe crocata. Phellandrium hat noch keine eindeutige Erklärung gefunden. Da Plinius den Namen für eine Pflanze gebrauchte, die gegen Stein- und Blasenbeschwerden angewandt wurde, wird er nach einer Deutung von dem griechischen φελλεΰς (phelleús) = steiniger Boden und άνδρεΐος (andreíos) = männlich, kräftig abgeleitet, während eine andere ihn mit φελλ_ς (phellós) = Kork und άνδρ_ον (andríon) = Männchen, wegen der bei der Reife wie Kork auf dem Wasser schwimmenden Stengel und Früchte, in Zusammenhang bringt. Zur Bezeichnung Wasserfenchel haben die im Aussehen und Geschmack an Fenchel erinnernden Früchte Veranlassung gegeben.
Botanisches: Die ein- oder zweijährige, bis 150 cm hohe Pflanze mit möhrenförmiger Grundachse und sparrig verästeltem Stengel ist wegen ihrer Verschiedenblättrigkeit den Botanikern schon lange aufgefallen. Die Primärblätter besitzen linealische bis fädliche, verlängerte Zipfel letzter Ordnung. Diese werden bei der Wasserform der Phellandrium aquaticum beibehalten. Die Landform hingegen entwickelt Folgeblätter, die in allen Teilen kleiner, derber und weniger zerteilt sind. Die weißen Dolden sind acht- bis zwölfstrahlig. - Der Wasserfenchel ist in Eurasien beheimatet und bevorzugt seichte Gewässer mit schlammigem Untergrund und luftarmem Wasser, in dem er den ganzen Winter hindurch fortvegetieren kann. Nach einmaligem Fruchten stirbt der Stengel ab. Die Pflanze kann jedoch durch überwinternde Ausläufer ausdauern. Sie gilt als giftverdächtig. Es ist wohl möglich, daß - wie bei manchen Giftpflanzen - der Standort auf einen etwaigen Giftgehalt großen Einfluß ausübt. Blütezeit: Juli bis August.
Geschichtliches und Allgemeines:
Plinius erwähnt unter dem Namen Phellandrium eine medizinisch gebrauchte Wasserpflanze, doch ist seine Beschreibung so lückenhaft, daß sich in ihr weder unser Wasserfenchel noch eine andere Pflanze mit Sicherheit erkennen lassen. In späterer Zeit wurde der Roß- oder Wasserfenchel gegen Pferdekrankheiten, hauptsächlich Kropf und Influenza, gebraucht und wurde von den deutschen Botanikern des Mittelalters als Cicuta aquatica s. palustris und Cicutaria abgebildet und beschrieben. Unter dem Namen Phellandrium finden wir die Pflanze zuerst bei Dodonaeus im Jahre 1583. Äußerlich wurde sie von Boerhaave zur Heilung von Gangrän, von anderen Autoren bei Krebsgeschwülsten und frischen und eiternden Wunden empfohlen. Erst 1739 machte Ernesting in Braunschweig besonders auf den Wasserfenchel aufmerksam und wies auf die Art der Anwendung, speziell als Fiebermittel, hin. Großes Aufsehen erregte der Umstand, daß Ernesting seinen an Lungenschwindsucht leidenden Bruder mit diesem Mittel wiederherstellte. Man gab die Früchte, Fructus Phellandrii s. Foeniculi aquatici als Pulver, in Pillen, Latwergen und als Aufguß. Verwechselungen können mit Cicuta virosa L., Sium latifolium und Berula angustifolia Koch vorkommen.
Wirkung
Lonicerus (Lonicerus, Kreuterbuch, 1564, S. 313.) rechnet den Wasserfenchel unter die Schafgarbenkräuter und schreibt ihm auch deren Wirkung, insbesondere als Wundheilmittel, zu.
Bei Bock (Bock, Kreutterbuch, 1565, S. 157.) gilt er als gift- und steinaustreibend, schmerzstillend; er wird benutzt gegen Ikterus und "schwartz Melancholiam", zu Dampf- und Wasserbädern, um Harn, Stein und Menses zu treiben und als Kosmetikum.
Matthiolus (Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 401 D.) empfiehlt ihn unter der Bezeichnung "Fenchelgarb"; denen, "die gefallen oder gestürtzt sind, ist er gut mit Salz und wasser getrunken".
Johann Heinrich Lange (Johann Heinrich Lange, Wirkungen des Wasserfenchels oder sogenannten Peer-Saat bei verschiedenen Krankheiten, Frankfurt u. Leipzig 1773.) lobt den Wasserfenchel, insbesondere in Verbindung mit Chinarinde als innerliches Mittel bei schweren infizierten Wunden, auch eitrigen Geschwüren der Gebärmutter, Blutspeien und Lungensucht.
Osiander (Osiander, Volksarzneymittel, S. 154.) führt Phellandrium als gebräuchliches Volksmittel gegen Phthisis an;
Hufeland und seine Nachfolger empfahlen es als ausgezeichnetes Heilmittel bei chronischen Bronchialkatarrhen, Bronchoblennorrhöe (Hufeland, zit. b. Husemann, Arzneimittell., S. 1151, u. Hufelands Journal, Bd. 2, S. 14, Bd. 6, S. 237, Bd. 7, I., S. 22, Bd. 9, III., S. 125 (Stern), Bd. 14, IV., S. 115, Bd. 18, III., S. 12, Bd. 25, II., S. 82, Bd. 29, VIII., S. 103, Bd. 30, III., S. 94, Bd. 35, I., S. 89 (Fischer); Hofrat Henning-Zerbst).), Empyem und Lungentuberkulose wie auch bei skrofulösem Knochenfraß.
Bohn (Bohn, Die Heilwerte heim. Pflanzen, S. 75.) hält den Wasserfenchel für "eins der brauchbarsten Pflanzenheilmittel bei Lungenschwindsucht", und zwar bei der sich aus veralteten Katarrhen und Skrofulose entwickelnden Form mit Lungenblutungen und krampfhaften Stichen; auch bei skrofulösen, stark eiternden Ulzerationen hält er ihn für angezeigt.
Als Beruhigungsmittel und Expektorans bei akuten Katarrhen, Keuchhusten und Lungenschwindsucht wird er auch von Inverni (Inverni, C. B., Piante medicinale, Bologna 1933.) empfohlen. In der Homöopathie wird er ebenfalls bei Lungenkrankheiten mit reichlichem, schleimigem Auswurf und zwar meist in der dritten Verdünnung gegeben (Hughes-Donner, Einf. i. d. hom. Arzneimittell., S. 175.). Stauffer (Stauffer, Klin. hom. Arzneimittell., S. 758.) "möchte Phellandrium als Lungenmittel nicht entbehren", warnt aber vor der Anwendung in zu großen Gaben, da es "nach Herausbeförderung des massenhaften Schleims" zu trockenem Husten, ja sogar Blutspeien kommen könnte.
Die Früchte enthalten ätherisches Öl und fettes Öl (Wehmer, Die Pflanzenstoffe, S. 882.).
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Polen: Die Samen als Diuretikum.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Phellandrium aquaticum beeinflußt günstig Lungenkrankheiten mit reichlichem, schleimigem Auswurf. Man gibt es mit gutem Erfolge bei Lungentuberkulose (mit Fieber, Nachtschweißen und anhaltendem Husten), Bronchitis foetida und Bronchiektasie. Auch bei Asthma wurden gute Resultate gezeitigt. Außerdem wird es bei beginnender Mastitis, Kopfschmerzen mit Augenentzündung, bei Trübsichtigkeit, Schwindel und Krampfadergeschwüren (Umschläge mit 30 Tropfen der Tinktur auf ½ Liter Wasser) empfohlen. F. Hilverkus verordnet es auch bei Schmerzen in der Brust stillender Frauen beim Saugakt.
Vereinzelt wird Phellandrium auch eine günstige Wirkung auf die Verdauungsorgane, so z. B. bei Blähungen und üblem Mundgeruch, zugesprochen. J. Bastian nennt als weitere Indikation noch Adipositas.
Phellandrium wird häufig im Teegemisch u. a. mit Salvia, Malva, Anisum, Foeniculum, Farfara und Plantago lanceolata verordnet.
Angewandter Pflanzenteil:
Nur die alten Kräuterbücher erwähnen die Verwendung der ganzen Pflanze (Matthiolus) oder der Wurzel und der Samen (Lonicerus). Später werden nur noch die Samen gebraucht (Geiger, Potter, Clarke, Bohn, Thoms u. a.). Auch das HAB. läßt die Tinktur aus den reifen Samen gewinnen (§ 4). Ebenso wird das "Teep" aus den frischen, reifen Samen bereitet.
Dosierung:
- Übliche Dosis:
In der Homöopathie:
Maximaldosis:
Rezepte:
Bei Lungenkrankheiten:
- Rp.:
1 Teelöffel voll wiegt etwa 1,7 g. Im Hinblick auf die geringen Unterschiede zwischen kalter und heißer Zubereitung kann der Tee kalt oder heiß unter Verwendung von 1 reichlichen Teelöffel voll auf 1 Teeglas angesetzt werden.).
Bei eitriger oder schleimiger Lungentuberkulose als Adjuvans (nach Friedrich):
- Rp.:
Bei Krampfadergeschwüren (nach Fröhlich):
- Rp.:
Als Expektorans (nach Hager):
- Rp.:
Oder (nach Kroeber):
- Rp.:
Bei Lungenkrankheiten (nach Wesenberg):
- Rp.:
Bei Bronchialkatarrh und Asthma (nach P. Flämig):
- Rp.:
Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.