Prunus padus. Traubenkirsche. Rosaceae.
Name: Prúnus pádus L. (= P. racemosa Lam., = Padus avium Miller, = P. vulgaris Berkh., = P. racemosa C. K. Schneider, = Cerasus padus D C., = Druparia padus Clairv.). Traubenkirsche, Elsebeere, Ahlkirsche, Stinkbeere, Potscherbenbaum, Maibaum, Elfenbusch. Französisch: Putiet, cerisier à grappes; englisch: Bird-cherry, cluster-cherry; italienisch: Pado; dänisch: Hägebär; norwegisch: Hegg; polnisch: Czeremcha; russisch: Czeriomucha; tschechisch: Střemcha; ungarisch: Majusfa.
Weiteres Vorkommen: Afghanistan, Himalaja.
Namensursprung: Die lateinische Bezeichnung Prunus, die ursprünglich nur für Formen von Prunus domestica gebraucht wurde, ist wohl aus dem griechischen Namen für den Baum προΰμνον (prúmnon) gebildet worden, der wahrscheinlich aus Syrien übernommen worden ist. Padus kommt vom griechischen π_δος (pádos), welches bei Theophrast der Name eines schattenliebenden Baumes ist; auf unsere Art wurde der Name wohl zuerst um 1600 angewandt. Traubenkirsche in bezug auf die Anordnung der Früchte.
Volkstümliche Bezeichnungen: Elze (fränkisch), Elsen, Elxen, Elexen (bayrisch-österreichisch), Elsebeer (alemannisch), Helsabeer (Schwäbische Alb), Gelsen (Kärnten), Gelzeboum (Thurgau), Belzebaum, -bub (Baden). Nach dem unangenehmen, fauligen Geruch der Rinde heißt die Traubenkirsche Stinkbôm (Mecklenburg), Stinkholer (Hunsrück), Stinkata Hulla (Karlsbad), Stinkwide (Aargau), Fuulboom, -beeren (niederdeutsch), Fülk'n (Altmark), Faulbaum (z. B. Eifel).
Botanisches: Der in Eurasien heimische Strauch oder bis 15 m hohe Baum bevorzugt mehr kalkarme Böden. Am häufigsten und als Charakterbaum ist die Traubenkirsche in den Auenwäldern längs der Flußläufe in Gesellschaft von Erlen und Weidenarten anzutreffen. Die dünnen eirundlich zugespitzten Blätter tragen an der Spitze ihrer Sägezähne leicht abfallende rotbraune Drüsen. Aus den in traubigen Blütenständen stehenden weißen Blüten gehen schwarzglänzende erbsengroße Steinfrüchte hervor. Blütezeit: Mai.
Geschichtliches und Allgemeines:
Für eine sehr frühzeitige Verwendung der Ahlkirsche als Obst und Arzneimittel sprechen die in den stein- und bronzezeitlichen Pfahlbauten des Alpengebietes aufgefundenen Kerne. Auch weiß Herodot zu berichten, daß die Agrippäer aus den Beeren des Pontikon (Prunus padus) den schwarzen Saft Aschy preßten, wie es noch heute bei den Baschkiren des südlichen Urals Sitte ist. In den mittelalterlichen Schriften wird der Baum meist Cerasus racemosa genannt. Unter seiner heutigen Bezeichnung finden wir ihn zuerst bei Dalechamp im 16. Jahrhundert. Dodonaeus, der ihn Pseudo Ligustrum nennt, empfiehlt seine Kerne als Diuretikum und gegen Steinleiden. Auf die Verwendung der Rinde, die hauptsächlich im Aufguß gegeben wurde, machten besonders Willemet und Coste 1799 aufmerksam. Als Präparat hatte man ein destilliertes Wasser Aqua Pruni padi. Nach Duflos sollte die Rinde im März, die Blätter gleich vor und nach der Blüte am stärksten wirken.
Die Früchte wurden früher roh mit Salz gegessen oder zu Mus verkocht, auch wurde Branntwein aus ihnen hergestellt.
Heute wird die Ahlkirsche in Oberösterreich noch in der Volksmedizin als Abführmittel gegen Kolik gebraucht. Aus den Früchten werden kühlende Getränke bereitet. Ein Infus aus der Rinde wird als Hausmittel gegen Gicht verwendet. Im Volke gilt die Traubenkirsche allgemein als hexen- und dämonenvertreibendes Mittel, weswegen sich allerlei abergläubische Gewohnheiten mit ihr verknüpfen. So schlägt man z.B. im Erzgebirge Zapfen aus Elzbeerbaumholz in Stalltüren und Schwellen und steckt die Blüten des Baumes aufs Dach, um das Haus vor Blitz und Donner zu beschützen. Aus den Steinen der Früchte kann ein Öl gewonnen werden. Die frischen Früchte riechen betäubend und werden vom Ungeziefer gemieden.
Wirkung
Die Rinde, die Laurocerasin (vgl. bei Laurocerasus) enthält, wird von der Volksmedizin als Diuretikum und Diaphoretikum, Antifebrinum und Antirheumatikum, bei Magenschmerzen und Hautleiden gebraucht (Thoms, Handb. d. pr. u. wiss. Pharm., Bd. V, S. 1067.), Blatt und Blüte gegen Lungenerkrankungen (Dragendorff. Die Heilpfl. d. versch. Völker u. Zeiten, S. 286.).
In Rußland ist Prunus padus ein beliebtes Stopfmittel, wie die nachstehende Literaturzusammenstellung von W. Demitsch (W. Demitsch, in Histor. Studien des pharm. Inst. d. Univ. Dorpat, 1889, Bd. I, S. 228.) zeigt:
"Bei sehr hartnäckigem, von Blutspeien begleitetem Husten nahm man früher Knoblauch mit Prunus padus fein gestoßen und gekocht ein, während man sich bei Durchfällen einer Abkochung von letzterem bediente (W. M. Richter, Geschichte der Medicin in Rußland. Moskau 1813-1817, I, S. 111, 112, 135). - Der Rinde schrieb man eine antifebrile Eigenschaft zu. Die Finnen nehmen eine starke Abkochung davon bei Syphilis und blutiger Diarrhöe ein (Gesundheitsfreund 1834, S. 220). - Im Gouvernement Kostroma beobachtete Prof. Rouljé die günstige Wirkung dieses Volksmittels bei Durchfällen mit Tenesmen, und zwar verordnete er einen Beerenaufguß mit Branntwein, zweimal täglich ein Spitzgläschen (Gesundheitsfreund 1840, S. 203). - Iwanow behandelte damit im Gouvernement Kasan epidemische Schleimdiarrhöe mit gutem Erfolge (Gesundheitsfreund 1841, S. 123). - Bujalski empfahl das Mittel bei Augenentzündungen. - Sonst wird es fast überall bei Durchfällen gebraucht. - Im Gouvernement Mohilew ißt man bei Durchfällen eine Handvoll getrockneter Beeren auf einmal (Tscholowski, Entwurf der Flora des Gouvernements Mohilew, in Dembowetzkis "Versuch einer Beschreibung des Gouvernements Mohilew". Mohilew 1882, S. 396-414). - In der Ukraine trinkt man eine Beerenabkochung bei Durchfällen. Eine Blütentinktur wird tropfenweise bei Hysterie eingenommen. Ein Aufguß von der Rinde, den Zweigen und Blüten wird zu Umschlägen bei Entzündung der Augenlider benutzt (K. S. Gornitzki, Bemerkungen über einige wildwachsende und angebaute Pflanzen der Ukraine-Flora, die als Volksmittel im Gebrauche sind. Charkow 1887, S. 131, 132)."
Die in China bekannte Droge Chin-lung-mu besteht aus den Zweigen von Prunus padus var. seoulensis und wurde bereits von den Han-ärzten als Mittel gegen Leibschmerzen empfohlen (Tsutomu Ishidoya, Chinesische Drogen, Teil II, S. 115.).
Die Homöopathie gebraucht Prunus padus bei Kopfschmerzen, Herzleiden und Schmerzen im Mastdarm (Heinigke, Handb. der homöop. Arzneiwirkungslehre, S. 525.).
In starken Gaben erregen Abkochungen der Rinde Kopfschmerz, Vertigo, Vomitus und Diarrhöe (Schulz, Wirkg. u. Anwendg. d. dtsch. Arzneipfl., S. 222.).
Als wirksame Bestandteile der Rinde werden angegeben 1-2,3% amorphes Amygdalin (= Prulaurasin = Laurocerasin) (Winckler, Buchn. Repert. 1839, 17 (2), 156; 1842, 25, 360.) und Gerbstoff (Wehmer, Die Pflanzenstoffe, S. 482.). Durch das neben den Glykosiden vorhandene Ferment Emulsin werden Amygdalin und Prulaurasin in Blausäure, Benzylaldehyd und verschiedene Mengen Traubenzucker zerlegt (Geßner, O., Die Gift- und Arzneipflanzen von Mitteleuropa, S. 103.). In allen Zubereitungen aus Prunus padus, also auch in solchen mit alkalisierenden Zusätzen, war der Nachweis von Vitamin C positiv (Nach eigenen Untersuchungen.).
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Norwegen: Das Rindenextrakt bei Geschwülsten und Wunden, die nicht vernarben wollen, als Umschlag bei Gicht usw. (I. R.-K.).
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Prunus padus wirkt antidiarrhöisch und beruhigend bei spastischen Affektionen.
Angewandter Pflanzenteil:
Osiander erwähnt die Rinde, deren Verwendung auch Thoms angibt. Auch Schulz führt die Rinde zum Gebrauche an.
Dragendorff kennt daneben auch noch den der Blätter, Blüten und Samen.
Zörnig nennt auch nur die Rinde als verwendet.
Nach Klein (Handbuch der Pflanzenanalyse) findet sich das Blausäureglukosid Prunasin in Rinde, Blättern, Blüten und Samen.
Das HAB. schreibt vor, die Essenz e cortice aus der frischen, zur Blütezeit gesammelten Rinde der jungen Zweige zu bereiten (§ 3). Es kennt daneben aber auch eine Essenz e foliis (§ 3). Das "Teep" wird aus der frischen Rinde gewonnen.
Dosierung:
- Übliche Dosis:
In der Homöopathie:
Maximaldosis:
Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.