Veronica. Echter Ehrenpreis. Scrophulariaceae.
Name: Veronica officinalis L. Echter Ehrenpreis. Französisch: Thé d'Europe; englisch: Common medicinal-tea, speedwell; dänisch: Ärepris; norwegisch: ærenpris; polnisch: Ozanka; russisch: Wieronika; schwedisch: Ärenpris; ungarisch: Veronika.
Weiteres Vorkommen: Vorderasien. Nordamerika.
Namensursprung: Veronica ist wohl eine Verstümmelung des Namens Betonica, der nach Plinius von dem keltischen Volke der Vetonen stammt. Nach einer anderen Erklärung stammt der Name von "vera unica" = das einzig Wahre. Der deutsche Name Ehrenpreis soll nach Hieronymus Brunschwygk von einem fränkischen König herrühren, der viele Jahre am Aussatz litt, davon erst auf den Rat eines Jägers durch Veronica geheilt wurde und der Pflanze diesen Namen gab. Auf die Heilkraft weisen auch die früher gebräuchlichen Bezeichnungen wie Grindkraut, Stah up und gah davon, Grundheil, Schlangenkraut hin.
Botanisches: Die ausdauernde Pflanze mit kriechendem Wurzelstock ist weit über Europa, Vorderasien und Nordamerika verbreitet. Der 10-30 cm lange Stengel liegt am Boden. Die Äste erheben sich spannenhoch. Die hell-lila, selten weißen Blüten bilden blattachselständige Trauben. Die verkehrt-eiförmigen oder elliptischen Blätter sind kurz gestielt, gekerbt und zerstreut behaart. Veronica officinalis gedeiht in Wäldern und auf Heiden von der Ebene bis in die Bergregion. Sie bevorzugt frisch abgebrannte Waldstellen und Kohlenmeiler. Blütezeit: Juni bis August.
Geschichtliches und Allgemeines:
Es steht nicht fest, ob die Pflanze als Heilmittel im griechischen und römischen Altertum bekannt war. Jedenfalls stand sie im Mittelalter in sehr hohem Ansehen, und die medizinisch-botanischen Klassiker des 16. Jahrhunderts (z. B. Bock, Fuchs, Camerarius) sind ihres Lobes voll. Von Präparaten hatte man Extractum, Conserva, Syrupus, Aqua und Essentia Veronicae, die gebräuchlichste Anwendung war im Teeaufguß. Fr. Hoffmann nennt Veronica den deutschen Tee (Dissertat. de infuso Veronicae praeferendo herba Theae) und empfiehlt sie bei Schwindsucht, Magen- und Darmleiden, Scharbock, Nierensteinen, Kolik, Krätze und vielen anderen Leiden. Auch in der griechischen und italienischen Volksmedizin der neueren Zeit gilt Veronica als gutes Mittel bei Lungenerkrankungen. In Rußland werden die Species Veronica agrestis und arvensis gegen Enuresis nocturna angewendet. Mit der Species Veronica longifolia werden die Wunden zwischen Fingern und Zehen behandelt.
Das junge Kraut wird wie Brunnenkresse als Salat oder Gemüse gegessen. Früher diente es auch als Ersatzmittel für chinesischen Tee.
Wirkung
Als "fürtreffenliche bewerte artznei" rühmt Bock (Bock, Kreutterbuch, 1565, S. 76.) den Ehrenpreis gegen pestilentzische Fieber, Milz-, Magen-, Leber-, Nieren-, Blasen-, Gebärmutter- und Lungenleiden, Schwindel, Gelbsucht (Siehe auch Wittich, Vademecum, 1594, S. 391.), Nierensteine, als Expektorans, blutreinigendes Mittel, Diaphoretikum, äußerlich gegen faule Wunden, Mäler und Flechten.
Matthiolus (Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 236.) schreibt begeistert: "dann kaum ein köstlicher Kraut ist zu der versehrten Lungen / vnd Brust / wider den Husten / schweren Athem / Flüsse / Eyterige Geschwüre / vnd Schwindsucht"; sogar gegen den Aussatz soll es geholfen haben.
Die schon erwähnten Anwendungsarten kennt auch Zwinger (Zwinger, Theatrum botanicum, 1696, S. 664.), der es "zu vielen innerlichen und äußerlichen Gebresten des Leibes / fürnehmlich aber zu der versehrten Lungen" empfiehlt. Nach ihm heilten auch die Hirten ihre lungenkranken Schafe mit Veronica.
Weinmann (Weinmann, Phytanthoza, Regensburg 1742, Bd. IV, S. 488.) fügt dem noch hinzu, daß der Ehrenpreis die "berauschten Leute" wieder nüchtern macht. Das Pulver soll bei fettleibigen Frauen die Sterilität aufheben.
v. Haller (v. Haller, Medicin. Lexicon, 1755, S. 1318.) schreibt dem Ehrenpreis eröffnende, auflösende, harn- und schweißtreibende, stärkende "Brust- und Wundenkraft" zu und gibt das Wasser "alten keichichten Leuten, die zu der Alter-Auszehrung geneigt sind"; dem Ehrenpreis-Sirup komme eine besondere reinigende und ausheilende Kraft in Lungen- und Nierenzuständen zu.
Kneipp (Seb. Kneipp, Das große Kneippbuch, S. 919, München 1935.) nennt die Veronica ein Schutzmittel gegen Schwindsucht und Gichtleiden, da sie den Körper von Schleim befreie. Es genüge, jeden Morgen und Abend eine kleine Tasse Ehrenpreistee zu trinken.
Als Indikationen der Veronica-Anwendung in neuerer Zeit gibt Schulz (Schulz, Wirkg. u. Anwendg. d. dtsch. Arzneipfl., S. 162.) chronische Bronchialkatarrhe, Blasenkatarrh und Pruritus senilis an. Die verwandte Bachbunge, Veron. beccabunga, dient nach ihm als blutreinigender Salat und gegen Zahnfleischblutungen.
Außer bei Erkrankungen der Atmungsorgane bezeichnet Bohn (Bohn, Die Heilwerte heim. Pflanzen, S. 39.) den Ehrenpreis noch als wirksam bei Gelbsucht, Harngrieß und rheumatischen Gliederschmerzen. Er schreibt: "Sein Gebiet ist die schleimige Blutentmischung."
In der französischen Medizin erfreut sich die Veronica nicht der gleichen Wertschätzung. So spricht ihr H. Leclerc (H. Leclerc, Précis de Phytothérapie, S. 145, Paris 1927) jegliche Heilwirkung ab. Als hauptsächlich wirksame Bestandteile werden ätherisches Öl, Bitter- und Gerbstoff, ein Glykosid (Thoms, Handb. d. pr. u. wiss. Pharm., Bd. 5, S. 1578.) und Saponine (Kofler, zit. b. Kroeber, neuzeitl. Kräuterbuch, S. 129.) angegeben.
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Litauen: Das Kraut als Aufguß bei verschiedenen Brustkrankheiten.
Norwegen: Als Tee oder Dekokt, in Brei beigemischt, auf Beulen und nässende Wunden, als Tee innerlich bei Brustkatarrh (I. R.-K.).
Steiermark: Als Tee gegen Nervosität.
Ungarn: Bei Brustbeklemmung, Tuberkulose und Gicht.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Veronica wird bei allen Erkrankungen der Respirationsorgane, die mit starker Verschleimung verbunden sind, verordnet. Einzelindikationen sind: Lungentuberkulose, Hämoptoe, chronische Bronchitis, Lungenkatarrh, Asthmabronchiale (hier im Wechsel mit Quercus "Teep" D 2), Husten und Heiserkeit.
Gute Erfolge mit Veronica als Adjuvans sieht man auch bei Erkrankungen der Harnorgane, insbesondere bei Cystitis, Nephritis, Erkrankung der Nebennieren, Harngrieß und Hämaturie. Seltener kommt das Mittel bei Leberleiden, Ikterus, Adipositas, und umgekehrt Abmagerung, Cholelithiasis, Gicht, Rheuma, Dermatopathien wie chronischen Ekzemen, Altersjucken und Gastro- und Enterospasmen in Betracht.
Äußerlich wird es bei Wunden und Verbrennungen gebraucht.
Veronica wird selten als Einzelmittel, sondern meist in Kombination mit anderen für die Indikation passenden Kräutern verordnet.
Angewandter Pflanzenteil:
Verwendet wird das Kraut nach Bock, Matthiolus, v. Haller, Bohn, Thoms, Hager.
Auch das HAB. läßt das frische, blühende Kraut zur Bereitung der Essenz (§ 2) verwenden.
Das "Teep" wird ebenfalls aus dem frischen, blühenden Kraut gewonnen.
Sammelzeit: Juni bis August.
Herba Veronicae ist offizinell in Frankreich, Dänemark, Portugal, Mexiko.
Dosierung:
- Übliche Dosis:
Maximaldosis:
Rezepte:
Als Expektorans bei starker Verschleimung:
- Rp.:
1 Teelöffel voll wiegt 1,8 g. Da ein Ansatz 1 : 100 bei heißer Herstellung noch sehr bitter ist, kann man höchstens ½ Teelöffel voll auf 1 Teeglas Wasser rechnen. Der Tee wird zweckmäßig heiß hergestellt.).
Bei Hautleiden, Ekzemen, Altersjucken (nach Fischer):
- Rp.:
Bei Brust- und Lungenleiden: (nach Ulrich):
- Rp.:
Bei Lungen- und Leberleiden (nach Kraft):
- Rp.:
Bei trockener Bronchitis (nach Wittlich):
- Rp.:
Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.