Viola odorata. Wohlriechendes Veilchen. Violaceae.
Name: Viola odoráta L. (= Viola Martii var. ß Schimper et Spenner, = subsp. odorata Kirschleger, = Viola odorata var. obtusifolia Neilr., = var. rotundata čelak.). Wohlriechendes Veilchen, Märzveilchen, Hecken-Veilchen. Französisch: Violette de mars, fleur de mars, violette odorante, violette de carême, violette des haies; englisch: Common violet, sweet scented violet; italienisch: Viola mammola, viola zopa; dänisch: Viol; litauisch: Náslaité kvapioji; norwegisch: Marsfiol; schwedisch: Luktviol; tschechisch: Violka vonná.
Weiteres Vorkommen: Selten in Nordamerika.
Namensursprung: Das lateinische Viola ist wohl ein Diminutiv des griechischen ΐον (ion), das schon bei Pindar und Homer bekannt und im Altertum mit der mythologischen Io in Verbindung gebracht wurde; ίοστ_φανος (iostéphanos) = veilchenbekränzt heißt bei Pindar die Stadt Athen. Eine Sage erklärt den Namen dahin, daß ionische Nymphen diese Blume dem Ion bei der Gründung Athens darbrachten. Die antiken Autoren benannten die Viola odorata ΐον μ_λαν (íon mélan), lateinisch viola nigra sive purpurea. Das erst im 17. Jahrhundert aufgekommene deutsche Wort Veilchen ist eine Entlehnung aus dem lateinischen viola. Vorher hatte das Pflänzchen "viel, veiel" geheißen.
Volkstümliche Bezeichnungen: Nach der Blütezeit heißt die Art Märzveilchen (in verschiedenen Mundarten), (blag) Oeschen = Osterchen (Mecklenburg), Osterveigerl (bayrisch-österreichisch). Sie ist auch das Veilchen im engsten Sinne.
Botanisches: Die im Mittelmeergebiet urwüchsige Rosettenstaude mit kurzem, dickem Erdstock und meist 10-20 cm langen Wurzeln ist heute weit über Europa und zum Teil über Nordamerika verbreitet. Die Laubblätter mit 1-5 cm langen Stielen sind rundlich nierenförmig, die Nebenblätter eiförmig zugespitzt. Die langen Blütenstiele mit nach der Blüte erschlaffenden Vorblättern tragen bespornte dunkel purpurviolette, wohlriechende Blüten. Die kugelige Fruchtkapsel ist dicht kurzhaarig. Viola odorata wächst, oft nur als Kulturrelikt, in Hecken und lichten Laubgehölzen auf den verschiedensten Böden. Sie verlangt viel Wärme, Feuchtigkeit und Nährstoffe. Ihr herdenweises Auftreten ist hauptsächlich durch die kräftige Ausläuferbildung bedingt. Blütezeit: März bis April.
Geschichtliches und Allgemeines:
Die alten Ärzte, die schon die heilkräftigen Eigenschaften von Viola kannten, benutzten sie auch gegen die Wirkung des Alkohols. So war es Sitte, sich bei Festen die Stirn mit Veilchen zu bekränzen, und auch die Schule von Salerno preist sie als bestes Mittel gegen den Katzenjammer.
Von Dioskurides wurden die Blätter als Kataplasma bei Gastritis und Mastdarmvorfall, die Blüten bei Schlundmuskelentzündung und Epilepsie der Kinder verwendet. Auch während des Mittelalters zählte das Veilchen zu den beliebten Heilpflanzen, geriet aber dann später in Vergessenheit und kam erst wieder während des Weltkrieges zu Ehren.
Wirkung
Hippokrates (Fuchs, Hippokrates Sämtl. Werke, Bd. 3, S. 346, 566.) gibt Veilchenblüten und -samen in Rezepten für die tote Geburt austreibende Mittel an.
Auch die hl. Hildegard (Der Äbt. Hildegard Causae et Curae, S. 190.) kennt ihre heilkräftige Wirkung.
Bock (Bock, Kreutterbuch, 1565, S. 207.) empfiehlt die Anwendung des Viola-Krautes "zu allen hitzigen kranckheiten", gegen Epilepsie der Kinder, Seitenstechen, äußerlich gegen Kopfschmerzen und Entzündung der Leber; es "behalt den bauch offen und krefftigt das hertz".
Nach Matthiolus (Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 412.) erstreckt sich der Gebrauch des Mittels auch auf Brustleiden, insbesondere Husten, auf Geschwüre, Augenentzündung, Harnbrennen, ferner wirkt es beruhigend und schlafmachend.
Pfarrer Kneipp (Kneipp, Das große Kneippbuch, S. 973, München 1935.) schätzte das Veilchen als gutes Expektorans bei Husten und Keuchhusten der Kinder, Husten Tuberkulöser wie auch bei Dyspnoe.
Bei Kopfschmerzen mit heißem Kopf empfiehlt er Abwaschen des Kopfes, besonders des Hinterkopfes, mit einer Teeabkochung.
Unter den gleichen Indikationen führt es Bohn (Bohn, Die Heilwerte heim. Pfl., S. 70.) an, der es auch bei Bronchialkatarrhen, Verschleimung, äußerlich bei Reizzuständen des Auges und der Augenlider nennt.
Als Mittel gegen Tumore, Syphilis, Skrofeln und Gallenkrankheiten gelangen in China (Tsutomu Ishidoya, Chinesische Drogen, Teil I, S. 31.) verschiedene Violaarten (Viola lactiflora Nakai, Viola Patrini DC. und Viola mandschurica Becker) unter dem Drogennamen Tzu-hua-ti-ling in den Handel.
Viola odorata enthält ein emetisch wirkendes Alkaloid Violin und Salizylsäuremethylester (Wasicky, Lehrb. d. Physiopharm., S. 414.).
Kroeber (Kroeber, Das neuzeitl. Kräuterbuch, S. 359.) konnte Saponingehalt feststellen. Da das Violin in seiner Wirkung dem in Radix Ipecacuanhae enthaltenen Emetin sehr nahe kommt, empfahl Kroeber die klinische Erprobung der Veilchenwurzel als Ersatz der Ipecacuanha; die Erfolge waren durchweg günstig (Vgl. 9.), wie der Kliniker Kerschensteiner bestätigen konnte (Kerschensteiner, Heil- und Gewürzpflanzen, Bd. X, S. 34, Bd. XI, S. 110.).
Auch Linde (Linde, Apoth.-Ztg. 1919, Nr. 9, 38.) und andere, z. B. v. Schrenck (v. Schrenck, Münchn. med. Wschr. 1922, S. 435.) und Grimme (Grimme, Pharm. Zentralh. 1921, S. 694.), stellten fest, daß die expektorierende Wirkung der Veilchenwurzel die der Ipecacuanha ersetzen könne.
H. Leclerc (H. Leclerc, Précis de Phytothérapie, S. 23, Paris 1927.) empfiehlt die Wurzel als Emetikum und gebraucht zu diesem Zwecke 15-20 g der zerkleinerten Wurzeln auf 200 g Wasser, die er auf die Hälfte einkochen läßt. Als Expektorans setzt er die Wurzelmenge auf 4-5 g herab.
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Dänemark: Innerlich bei Herzschwäche und Wechselfieber; äußerlich als: Augenwasser, Mundwasser.
Litauen: Äußerlich der Aufguß des Krautes als Umschlag bei Podagraknoten, innerlich gegen Keuchhusten.
Norwegen: Dekokt der Blätter innerlich und äußerlich bei Krebs (I. R.-K.).
Steiermark: Veilchentee gegen Husten.
Ungarn: Als Schmerzstillungsmittel und gegen Epilepsie.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Rad. Violae odoratae ähnelt in bezug auf ihre Inhaltsstoffe weitgehend der Ipecacuanha und kann wie diese als Emetikum und Expektorans verordnet werden. Im einzelnen gibt man sie bei Keuchhusten, Tussis, Dyspnoe, Bronchialkatarrh und starker Verschleimung der Atmungsorgane. Beruhigend wirkt Viola odorata ferner bei Hysterie, Hypochondrie, Herzklopfen mit Angstgefühl und Atemnot, Kinderkrämpfen, nervöser Überreizung, Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit (hier auch als Fußbad).
Auch Rheuma der kleinen Gelenke (bei rheumatischer Lähmung des Handgelenkes bezeichnet Tobschall die Wirkung geradezu als spezifisch), Fieber (Typhus, Malaria, Masern, Scharlach) und Harndrang reagieren auf das Mittel, das auch zur Blutreinigung bei borkigen Exanthemen, Frieselausschlägen, Ekzemen, Crusta lactea, Skrofulose, ferner bei Gesichts- und Gürtelrose, Chlorose, Anämie, Gaumenlupus, überhaupt allen Entzündungen der Mundschleimhäute (hier zu Spülungen) angewandt wird. Äußerlich gebraucht man es außerdem noch bei Verhärtungen, Verrenkungen, Quetschungen und gegen Augen- und Augenliderkrankungen.
Angewandter Pflanzenteil:
Hippokrates erwähnt die Verwendung der Blüten. Auch Bock spricht von den Blüten.
Nach Bohn sind die ersten Frühlingsblätter zu verwenden.
Flamm-Kroeber geben als Sammelgut Blüten und Blätter an.
Nach Clarke wird die frische, blühende Pflanze benutzt.
Das HAB. verwendet die frische blühende Pflanze ohne Wurzel (§ 3).
Nach Thoms werden Blüten, Blätter und Wurzel verwendet.
Wasicky gibt neben Flores und Folia Violae odoratae auch noch Radix als verwendet an.
Das "Teep" wird aus der frischen Wurzel gewonnen.
Sammelzeit: März bis April.
Flores Violae odoratae sind offizinell in Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Rumänien und in den meisten latein-amerikanischen Staaten.
Dosierung:
- Übliche Dosis:
Maximaldosis:
Rezepte:
Bei Pertussis (nach Kroeber):
- Rp.:
Zur Blutreinigung (nach Zimmermann):
- Rp.:
Bei Husten und Keuchhusten:
- Rp.:
1 Teelöffel voll wiegt 1,6 g. Der Tee kann auf Grund dieser Befunde heiß oder kalt hergestellt werden unter Verwendung von etwa 1 Teelöffel voll auf 1 Teeglas.).
Bei Tussis (nach Peyer):
- Rp.:
Bei nervöser Überreizung, Schlaflosigkeit und Hysterie (nach O. Schmidt):
- Rp.:
Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.