Pulmonaria officinalis. Lungenkraut. Boraginaceae.
Name: Pulmonária officinális L. (P. maculosa Hayne et P. obscura Dum.). Echtes Lungenkraut, Hirschmangold, Hirschkohl, Unserer Lieben Frauen Milchkraut, Blaue Schlüsselblume. Französisch: Pulmonaire, herbe aux poumons, herbe au lait de Notre-Dame, herbe-cœur, sauge de Jérusalem; englisch: Lungwort, dage of Jerusalem; italienisch: Pulmonaria; dänisch: Lungeurt; polnisch: Płucnica; russisch: Miedunica; schwedisch: Lungört; tschechisch: Plicník lekařsky; ungarisch: Tüdöfü.
Namensursprung: Pulmonaria leitet sich vom lateinischen pulmo = Lunge ab mit Bezug auf die Verwendung der Pflanze gegen Lungenkrankheiten oder wegen der weißen Flecken, die meist auf den Blättern zu finden sind und die Blätter wie eine gefleckte Lunge aussehen lassen. Diese weißen Flecke haben auch Veranlassung zu dem Namen "Unserer Lieben Frauen Milchkraut" gegeben, welcher schon im Jahre 1591 von J. Bauhinus in der Schrift "De plantis a Divis Sanctisve nomen habentibus" als "Sanctae Mariae Lac" aufgeführt wird. In England (Grafschaft Chester) heißt das Lungenkraut auch noch jetzt "Lady's Milk Sile" (Unserer Lieben Frauen Milchflecken), da nach ländlichem Glauben die Flecken daher rühren, daß die Milch der hl. Maria darauf tropfte.
Volkstümliche Bezeichnungen: Als Frühlingspflanze und wegen einer Ähnlichkeit mit der Schlüsselblume (Primula officinalis) wird das Lungenkraut genannt: blaue Kirkeschlötel (Niederrhein), râte - rote Himmelschlissel (Nordthüringen), blaue, rote Himmelschlüssel (bayrisch-österreichisch), rote Batenke (Schwäbische Alb), Vater und Mueterschlüssili, Brunneschlüssili (Schaffhausen), Pluderhosa (Schlesien). Viele Bezeichnungen spielen auf die (zuerst rote, dann blaue) Blütenfarbe an, so Bayern und Franzosen (früher Farbe der Uniformen) (Oberbayern), ähnl und Ahnl (Großvater und Großmutter) (Niederösterreich), Fleisch und Blut (z. B. Oberösterreich, Baden), Blutkraut (Oberhessen), Bluetnägele (Schwäbische Alb), Giggeri-Hahner (Oberbayern), Güggili (Baden), Goggahe(n)la, Häãle (Schwäbische Alb). Andere Namen sind noch Kuckucksblumen (z. B. Mittelfranken, Sachsen), Osterblume (Oberösterreich), Wolfsblume (Pfalz), Slangenkrut (Schleswig), Annamiarl, Alte Weiber, Schneiderbleaml (Oberösterreich), Teekraut (Riesengebirge), Königsstiefeli (Schaffhausen).
Botanisches: Die ausdauernde Pflanze mit dünnem Wurzelstock gedeiht in den feuchten Laubwäldern Europas auf kalkreicher wie auch auf kalkarmer Unterlage. Im März und April treibt sie eine aus gestielten eiförmigen, stark behaarten Blättern bestehende Rosette und fast gleichzeitig 10-20 cm hohe wenig beblätterte Blütensprosse. Die anfangs rosa, später violetten Blüten sind zu Doppelwickeln vereinigt. Blattstiel und Sprosse sind dicht drüsig behaart. Die vielfach auftretenden Silberflecken der Blätter werden als besondere Anpassung zur Herabsetzung der Verdunstung und Wärmestrahlung gedeutet. Die Pflanze hat einen hohen Aluminiumgehalt.
Geschichtliches und Allgemeines:
In den Schriften der alten griechischen und römischen Ärzte findet das Lungenkraut scheinbar nirgends Erwähnung, was sich auch schon durch das Fehlen der Pflanze in Griechenland erklären läßt. Unter der in den alten Kräuterbüchern gebrauchten Bezeichnung "Pulmonaria" ist meist die Lungenflechte (Sticta pulmonaria) gemeint, auch läßt es sich nicht mit Sicherheit sagen, ob die "Lungwurtz" der h l. Hildegard (12. Jahrhundert) unsere Pflanze ist. Den Vätern der deutschen Botanik wie Fuchs, Brunfels, H. Bock scheint sie auch noch unbekannt gewesen zu sein. Vielleicht ist sie mit der "klein Walwurtz" von H. Bock gemeint, eine Annahme, wofür die Tatsache spricht, daß die "groß Walwurtz" = Beinwell (Symphytum officinale) ja tatsächlich mit dem Lungenkraut verwandt ist. Eine gute Abbildung unserer Pflanze bringt das Kräuterbuch von Matthiolus. Ein anderer Botaniker des 16. Jahrhunderts, Ruellius, empfiehlt sie als Mittel gegen Lungenschwindsucht, man könnte das Dekokt der Pflanze trinken oder es als Gemüse essen. Mitbestimmend für die Hauptverwendung gegen Lungenkrankheiten wird die eingangs mitgeteilte Signatur der gefleckten Blätter, die an Lungen erinnern soll, gewesen sein. Gmelin empfahl im vorigen Jahrhundert die Droge bei Tuberkulose. Er gab 30 g auf 1 Liter Dekokt. Die Slowaken bereiten auch heute noch einen Tee, der gegen Lungenkrankheiten benutzt wird.
Wirkung
Bei Paracelsus (Paracelsus Sämtl. Werke, Bd. 3, S. 453.) und der hl. Hildegard (Der Äbt. Hildegard Causae et Curae, S. 165.) wird Pulmonaria als Lungenmittel erwähnt (vgl. Geschichtliches).
Matthiolus (Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 363) rühmt die von ihm selbst erprobte "treffenliche Hülff" bei Blutspeien.
Ein Mitarbeiter Hufelands (Hufelands Journal, Bd. 75, III., S. 9.), Hofrat Pitschaft, lobt die Pflanze als vorzügliches Mittel bei Lungenkatarrhen, Profluvien (starke Ausflüsse), Lungensüchten und chronischen Blutungen.
Gleichfalls bei Hämoptoe, außerdem bei Bronchoblennorrhöe und sonstigen Lungenleiden, bei Hämaturie und Incontinentia urinae nennt sie Schulz (Schulz, Wirkg. u. Anwendg. d. dtsch. Arzneipfl., S. 183.), bei Husten und Bronchienreizung Bohn (Bohn, Die Heilwerte heim. Pfl., S. 56.). - Die Wirkung ist wahrscheinlich zum Teil dem Kieselsäuregehalt zuzuschreiben (Wasicky, Lehrb. d. Physiopharmak., S. 481.) (vgl. Equisetum).
Leclerc (H. Leclerc, Précis de Phytothérapie, S. 228, Paris 1927.) schreibt der Pulmonaria dagegen keine Wirkungen auf die Atmungsorgane zu, sondern hält sie nur für ein leichtes Sudorifikum ähnlich dem Borretsch.
Vollmer (Vollmer, Naunyn-Schmiedebergs Arch. f. exper. Path: u. Pharmak., Bd. 176, H. 4/5.) stellte an weißen Mäusen mit einem Infus von Herba Pulmonariae (das lufttrockene Pflanzenmaterial enthielt 9,68% Gerbstoff und 90,7% Trockensubstanz) Versuche an. Die Stopfwirkung war sehr charakteristisch und einwandfrei auf den Gerbstoffgehalt zu beziehen.
Auf die sich in ihrem Pflanzenbrei entwickelnde Mikrobenflora wirkt Pulmonaria wachstumfördernd, ihre Pflanzenrückstände zersetzen sich außerordentlich schnell. Bei Untersuchungen über Toxingehalt wurden durchschnittliche Mengen von ausfällbarem Eiweiß von sehr geringer Giftigkeit gefunden (Nach eigenen Untersuchungen.).
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Dänemark: Gegen Leber- und Lungenleiden, Husten.
Polen: Gegen Lungenkrankheiten.
Ungarn: Tuberkulose.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Die Wirkung bei Bronchialkatarrh und besonders bei Lungentuberkulose ist nicht unbestritten. Pulmonaria wird meistens in Mischung mit anderen Kräutern, die eine Wirkung auf die Atmungsorgane haben, gegeben. Zum Teegemisch mit Pulmonaria werden Plantago lanceolata, Malva und Equisetum bevorzugt.
Angewandter Pflanzenteil:
Das Kraut geben als verwendet an: Die heilige Hildegard, Matthiolus, Buchheim und Thoms.
Wasicky spricht von den oberirdischen Teilen.
Bohn und Flamm-Kroeber lassen nur die Wurzelblätter sammeln.
Auch Zörnig bezeichnet als Sammelgut: das während oder nach der Blütezeit gesammelte Kraut, vor allem die Wurzelblätter.
Das HAB. schreibt zur Bereitung der Essenz das frische blühende Kraut (§ 1) vor. Aus dem frischen blühenden Kraut wird auch das "Teep" hergestellt.
Sammelzeit: April bis Mai.
Dosierung:
- Übliche Dosis:
Maximaldosis:
Rezepte:
Bei Lungen- und Bronchialleiden:
- Rp.:
1 Teelöffel voll wiegt 1,1 g. Man bereitet den Tee zweckmäßig heiß mit 2 Teelöffeln voll auf 1 Teeglas.).
Bei Erkrankungen der Lunge und Hämoptoe als Adjuvans (nach Retsch):
- Rp.:
Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.