Rubus fruticosus. Brombeere. Rosaceae.

Botanical name: 

Name: Rúbus fruticósus L. Brombeere. Französisch: Ronce, mûrier sauvage; englisch: Bramble, blackberry; italienisch: Rovo, roveda, roveda bianca; dänisch: Brombaer; litauisch: Gervuoge juodoji; norwegisch: Björnebaer; polnisch: Jerzyna; russisch: Jezewika; schwedisch: Björnhallon; tschechisch: Ostružiník; ungarisch: Szeder.

Weiteres Vorkommen: Asien.

Namensursprung: Der lateinische Name Rubus wurde für verschiedene Rubusarten, daneben aber auch für Wildrosen gebraucht; fruticosus vom lateinischen frutex = Strauch bedeutet demnach strauchig; neben fruticosus findet sich auch die Schreibweise fructicosus. Brombeere wird auf das mittelhochdeutsche brâme, das ganz allgemein Dornstrauch bezeichnete, zurückgeführt.

Botanisches: Die sommergrüne, stark abändernde Staude wird bis zu 2 m hoch und ist in der subarktischen und kühleren gemäßigten Zone der nördlichen Halbkugel allgemein verbreitet. Die Sprosse der Brombeeren sind durchweg bestachelt und tragen in der Regel nur im zweiten Jahre die weißen Rosenblüten. Dann sterben sie ab. Die drei- bis fünfzählig gefiederten Blätter sind nach Form und Bekleidung recht verschieden. Feuchtigkeit und Sonnenbestrahlung können die Pflanze stark beeinflussen, so daß die Blattunterseiten an sonnigen, trockenen Orten filzig behaart sind, während an sehr feuchten Stellen die Behaarung derselben Art bis auf wenige Haare reduziert ist. Die Brombeere gedeiht am besten auf einem lockeren, nährstoffreichen, aber nicht zu trockenen Boden. In kühlen, feuchten Gegenden bevorzugt sie mehr trockene, sonnige Lagen und umgekehrt. Im allgemeinen sind jedoch ihre Standortsansprüche gering. Blütezeit: Juni bis Juli.

Geschichtliches und Allgemeines:

Der Brombeerstrauch gehört zu den ältesten Heilpflanzen, dessen Früchte und Blätter bereits in den hippokratischen Schriften als Arzneimittel Erwähnung finden. Die Hippokratiker gebrauchten die Früchte bei eiternden und leicht blutenden Geschwüren. Scribonius Largo gab den Saft der frischen Beeren innerlich bei Kolik und als Essigmazerat bei Milzerkrankungen. Dioskurides, der für den Strauch Batos eine ganze Reihe von Namen aufführt, spricht von den Brombeeren als Haarfärbemittel und empfiehlt das Kauen der Blätter als Mittel zur Festigung des Zahnfleisches und die Blätter als Umschlag gegen Geschwüre und Hautkrankheiten. Plinius weiß von der Verwendung der Schößlinge gegen Durchfall und Blutflüsse zu berichten, und Galenus nennt die Wurzel als steinlösendes Mittel. Die mittelalterlichen Kräuterbücher, die ihr Wissen wie gewöhnlich hauptsächlich aus den antiken Quellen schöpfen, bringen die Verwendung der Wurzeln, Schößlinge, Blätter, Blüten und Früchte als Blutreinigungsmittel, gegen Dysenterie, Fluor albus, Diarrhöe, Erkältungskrankheiten usw. Boerhaave bezeichnet die im Februar und März gesammelte Wurzel als ein gutes Mittel gegen Wassersucht. Dodonaeus empfahl den Saft der frischen, halbreifen Früchte zur Festigung des Zahnfleisches. - Mit dem Brombeerstrauch ist auch eine ganze Reihe von Sagen und Gebräuchen verknüpft, die sich zum Teil auch auf die von ihm ausgehende Heilwirkung beziehen. So soll es gegen verschiedene Krankheiten helfen, wenn man unter den Zweigen des Brombeerstrauches durchkriecht (z. B. läßt man in England [Sussex] Kinder, die an Hautausschlag leiden, neunmal an neun aufeinanderfolgenden Tagen bei Sonnenaufgang unter einem Brombeerstrauch durchkriechen). Auch soll man mit Hilfe des Strauches Verborgenes sehen und Hexen erkennen können. Näheres darüber siehe H. Marzell: Unsere Heilpflanzen.

Bei den Arabern soll der Brombeerstrauch auch als Aphrodisiakum gelten.

Wirkung

Lonicerus (Lonicerus, Kreuterbuch, 1564, S. 104 D.) führt das Brombeerlaub als kühlendes, "roten Bauchfluß" und zu starke Menses stopfendes Mittel an und verordnet es äußerlich gegen Mundfäule, lockere Zähne, Angina tonsillaris, "fließende geschwer" und Grind.

Zerstoßene Blätter auf den Magen gelegt, sollen nach Matthiolus (Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 347.) dauerndes Erbrechen stillen.

Auch v. Haller (v. Haller, Medicin. Lexicon, 1755, S. 1192.) erwähnt die adstringierende Wirkung der Blätter und verordnet sie in Gurgelwässern.

Von den zeitgenössischen Autoren empfiehlt Meyer (Meyer, Pflanzl. Therapie, 1935, S. 158, 163.) die Brombeerblätter als Stopfmittel bei Diarrhöen und zu Frühlingskräutertees.

In der Volksmedizin waren die Brombeerblätter (namentlich die jungen) seit jeher ein beliebtes Mittel bei Diarrhöen, Dysenterie, Fluor albus und Menorhagie, mit den jungen Schößlingen zubereitet auch bei chronischen Hautausschlägen aller Art (Schulz, Wirkg. u. Anwendg. d. dtsch. Arzneipfl., S. 223; Dinand, Heilpfl.-Kunde, S. 132.).

In der russischen Volksmedizin gelten die getrockneten Brombeerfrüchte, Baccae Rubi vulgaris sive nigri sive Mori Rubi, in Form von Infusen seit alters her bei Hydrops als harn- und schweißtreibendes Mittel, eine Anwendung, die sich bis in die neuere Zeit gehalten hat und von der v. Henrici (v. Henrici, in Histor, Studien aus dem pharm. Inst. d. Univ. Dorpat, Bd. IV, S. 61, Halle 1894.) schreibt, daß bei dieser Pflanze das russische Volk mehr zu wissen scheine als die Wissenschaft.

Nach Leclerc (H. Leclerc, Précis de Phytothérapie, S. 107, Paris 1927.) werden die Blätter vorteilhaft zu Gurgelungen bei Angina verwendet.

Eigene Erfahrungen ergaben die Wirksamkeit der Brombeerblätter bei Diabetes mellitus. (Verf.)

Neuerdings wird aus ihnen durch Fermentation ein wohlschmeckender Ersatz für chinesischen Tee gewonnen (Thoms, Handb. d. pr. u. wiss. Pharm., Bd. 5, S. 1024.).

Die wichtigsten Bestandteile der Folia Rubi frut. sind Magnesiumlactat, Milch-, Bernstein-, Äpfel- und Oxalsäure, Gerbstoff und etwas Inosit (Wehmer, Pflanzenstoffe, S. 457.).

Versuche ergaben, daß die Blätter von Rubus fruticosus schwach bakterizid bzw. fungizid wirken, auf Aspergillus niger sind sie wirkungslos, doch töten sie Oidium lactis (Nach eigenen Untersuchungen.).

Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):

Dänemark: Kraut und Blüten gegen Diarrhöe und Blutungen; äußerlich die Blätter gegen Kopfausschlag, der Beerensaft gegen wunde Stellen der Mundhöhle.

Litauen: Das Wurzelinfus als Beruhigungsmittel bei Aufregungszuständen, das Dekokt gegen Diarrhöe.

Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:

Rubus fruticosus ist vorwiegend als Antidiarrhoikum und Antidiabetikum indiziert. Gute Erfahrungen machte Feldmann auch bei blutiger Diarrhöe der Säuglinge auf tuberkulöser Grundlage.

In seiner adstringierenden Eigenschaft hat sich das Mittel weiter bei Enteritis, Menorhagie, Magenblutungen und Fluor albus bewährt. Bei chronischer Blinddarmreizung ist der Tee, längere Zeit hindurch getrunken, von guter Wirkung.

Außerdem werden die Brombeerblätter als Expektorans, auch zu Gurgelwässern, bei Erkrankungen der Atmungsorgane wie Bronchitis, Husten und Lungenkatarrh, zur Blutreinigung (Flechten, Exantheme), bei Bleichsucht, Erkältungsfieber und als beruhigendes Mittel bei nächtlicher Erregtheit und Schlaflosigkeit genannt. Auch Nephrolithiasis soll günstig beeinflußt werden, und Brünner, Frankfurt, gibt Rubus zur Auflockerung der Weichteile vor der Geburt. Die getrockneten Beeren und die Wurzel werden gern als Diuretikum und Diaphoretikum bei Wassersucht angewendet.

Schematische Darstellung der Häufigkeit der Anwendung von:

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Rubus fruticosus wird häufig im Teegemisch verordnet.

Angewandter Pflanzenteil:

Lonicerus, Matthiolus, v. Haller, Meyer kennen die Verwendung der Blätter. Geiger nennt die Beeren als Heilmittel.

Die Blätter führen auch an: Dragendorff (der auch die Wurzel erwähnt), Kroeber und Hager.

Thoms nennt ebenfalls Blätter und Wurzeln.

Das HAB. kennt die Verwendung von Rubus nicht.

Zur Herstellung des "Teep" werden die frischen Blätter verwendet.

Sammelzeit: Mai bis Juni und August bis September.

Dosierung:

Übliche Dosis:
4 Teelöffel voll (= 4,4 g) der Blätter zum heißen Infus täglich.
½ Teelöffel voll der Frischpflanzenverreibung "Teep" dreimal täglich.
(Die "Teep"-Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt.)

Maximaldosis:

Nicht festgesetzt.

Rezepte:

Bei Erkältungskatarrhen (nach Georg):

Rp.:
Fol. Rubi fruticosi (= Brombeerblätter)
Fol. Fragariae vescae (= Erdbeerblätter)
Rad. Liquiritiae . . . aa 20 (= Süßholzwurzel)
C.m.f. species.
D.s.: 4 Teelöffel voll auf 2 Glas Wasser, vgl. Zubereitung von Teemischungen S. 291.
Rezepturpreis ad chart. etwa -.67 RM.

Als Blutreinigungsmittel bei Flechten und Hautausschlägen (nach M. Müller):

Rp.:
Fol. Rubi fruticosi (= Brombeerblätter)
Fol. Urticae dioicae . . . aa 25 (= Blätter der Großen Brennessel)
C.m.f. species.
D.s.: 3 Teelöffel voll auf 2 Glas Wasser, vgl. Zubereitung von Teemischungen S. 291.
Rezepturpreis ad chart. etwa -.53 RM.

Bei Diabetes mellitus:

Rp.:
Fol. Rubi fruticosi conc. . . . 50 (= Brombeerblätter)
D.s.: 4 Teelöffel voll mit 2 Glas Wasser heiß ansetzen, 10 Minuten ziehen lassen und tagsüber trinken.
(Teezubereitung: Der aus den Blättern im Verhältnis 1 : 10 heiß angesetzte Tee gibt einen Extraktgehalt von 2,33% gegenüber 2,08% beim kalt bereiteten Tee. Der Glührückstand beträgt 0,32% beiheißer und 0,29% bei kalter Zubereitung. Die Peroxydasereaktion ist in beiden Zubereitungen negativ. Der heiß bereitete Tee schmeckt stärker. Ein Ansatz 1 : 50 ist noch trinkbar.
1 Teelöffel voll wiegt 1,1 g. Man rechnet für einen Tee bei heißer Zubereitung 2 Teelöffel voll auf 1 Teeglas.).
Preis nach Arzneitaxe 10 g -.05 RM.

Zur Auflockerung der Weichteile vor der Geburt (nach Brünner):

Rp.:
Fol. Rubi fruticosi (= Brombeerblätter)
Cort. Cinnamomi (= Zimtrinde)
Hb. Millefolii (= Schafgarbenkraut)
Hb. Marrubii (= Andornkraut)
Hb. Pulsatillae . . . aa 20 (= Kuhschellenkraut)
C.m.f. species.
D.s.: 1 Teelöffel voll auf 1 Glas Wasser, vgl. Zubereitung von Teemischungen S. 291.
Rezepturpreis ad scat. etwa 1.33 RM.

Als Abendgetränk an Stelle von chinesischem Tee (nach Peyer):

Frische Himbeerblätter
Frische junge Brombeerblätter . . . aa 250
Frische Blätter der schwarzen Johannisbeere . . . 500
Schlehenblätter . . . 25

Zubereitung:

Die möglichst stielfrei gepflückten Blätter werden zunächst 24-36 Stunden auf einen Haufen geschüttet und zum Abwelken liegen gelassen. Nach dieser Zeit werden sie mit der Hand auf einem Tisch gerollt. Die gerollten Blätter werden nun in ein Tuch gebunden oder in einen Leinwandsack gefüllt und in Wasserdampf 30 Minuten gedämpft. Im Leinensack gelassen, werden sie zwischen zwei Bretter gelegt, beschwert und an einem gut warmen Ort über Nacht zum Zwecke der Gärung (Fermentation) gelegt. Das Rollen, Dämpfen und Fermentieren wird dann noch zweimal wiederholt; hierauf wird der Tee nochmals gerollt, falls dies nötig erscheinen sollte, und dann auf mit Tüchern bespannten Holzrahmen in dünner Schicht ausgebreitet und in der Sonne oder einem gut geheizten Trockenraum unter öfterem Umwenden möglichst rasch getrocknet.


Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.