Rubia tinctorum. Krapp. Rubiaceae.
Also see: Asperula odorata. Waldmeister. - Galium aparine. Klebkraut. - Rubia tinctorum. Krapp.
Name: Rúbia tinctórum L. Krapp, Färberröte. Französisch: Garance des teinturiers; englisch: Madder; italienisch: Robbia; dänisch: Farvekrap, Kraprod, Farver rod; norwegisch: Krapplanten; russisch: Krap; polnisch: Marzanna barwierska; schwedisch: Krapprot; tschechisch: Mořena barvířská, Mařina barvířská.
Verbreitungsgebiet: In Mitteleuropa vielfach verwildert.
Namensursprung: Den Namen Rubia gaben die alten Römer der Färberröte, da die rote Wurzel schon von ihnen zum Färben benützt wurde; auf die gleiche Verwendung geht tinctorum vom lateinischen tinctor = Färber zurück. Der deutsche Name Krapp vom althochdeutschen "Krapso" = Haken findet seine Erklärung in den nach rückwärts gerichteten Stacheln der Stengel und Blätter.
Botanisches: Die Pflanze hat einen stielrunden, gegliederten, stark verzweigten roten Wurzelstock, der etwa federkieldick ist. Die an den Knoten entspringenden Wurzeln kriechen ausläuferartig nach allen Seiten. Er treibt mehrere vierkantige, schlaffe, klimmende oder aufrechte Stengel, die an den Kanten durch rückwärts gerichtete Zähnchen rauh sind. Die Stengel sterben im Herbst bis zum Grunde ab. Die Laubblätter stehen zu vier bis sechs quirlig, sie sind kurz gestielt, oval oder lanzettlich, spitz, einnervig, am Rande und unterseits am Mittelnerv durch kleine Stachelchen rauh, zuerst dünn, später pergamentartig steif, matt hellgrün. Die Blüten stehen in lockeren, end- und blattachselständigen, beblätterten, armblütigen Trugdolden. Die honiggelbe Blumenkrone ist fast bis zum Grunde vierspaltig, mit eiförmigen, anfangs aufrechten, später abstehenden Zipfeln, 2 mm breit. Griffel keulenförmig, Fruchtknoten kahl. Frucht eine erbsengroße, rotbraune, glatte Steinbeere. Blütezeit: Juni bis August. - Die Pflanze stammt aus dem Mittelmeergebiet, ist in Südfrankreich, Italien, Spanien, Krim, Griechenland, Kleinasien heimisch und in Mitteleuropa vielfach verwildert. - Zur Gewinnung des Farbstoffes wurde der Wurzelstock zwei bis drei Jahre alter Pflanzen verwendet. Er wurde von Oberhaut und Wurzelfasern gereinigt und gemahlen. Das abgemähte Kraut fand als Viehfutter Verwendung.
Geschichtliches und Allgemeines:
Schon im vorchristlichen Altertum machten die verschiedensten Völker (ägypter, Perser, Inder, Griechen und Römer) Gebrauch von der Krappwurzel als Färbmaterial. Über die Alpen wurde die Pflanze durch die Benediktiner gebracht und im Capitulare Karls des Großen zum Anbau dringend empfohlen. Es entstanden zum Teil große Krappkulturen in Frankreich, Holland, Deutschland und England. Die roten Hosen und Käppis der französischen Infanterie ebenso wie der türkische Fez verdankten ihre leuchtende Farbe der Krappwurzel. Am meisten geschätzt war der aus Kleinasien kommende Krapp, Lizari oder Alizari, der vermutlich von Rubia peregrina stammt, aber auch der holländische, französische und elsässer Krapp erfreuten sich eines guten Rufes. Erst als im Jahre 1868 die künstliche Herstellung des Alizarins, des wichtigsten Farbstoffes der Wurzel, aus dem vom Steinkohlenteer gewonnenen Anthrazen gelang, verlor die Farbdroge viel von ihrer wirtschaftlichen Bedeutung.
Neben der Verwendung der Wurzel zu Färbereizwecken findet sich aber auch frühzeitig der pharmazeutische Gebrauch (Hippokrates, Dioskurides, Plinius, Galenus u. a.). Doch benützten die alten griechischen Ärzte nicht nur die Wurzel, sondern auch die Blätter, den ausgepreßten Saft der Pflanze, sowie die Samen, denen man eine spezifische Wirkung bei Milzleiden zuschrieb. So rühmt Dioskurides die Wurzel auf Grund ihrer diuretischen Eigenschaften ("sie treibt aber reichlichen und dicken Harn, oft ist es auch Blut") gegen Gelbsucht, Ischias und Paralyse, den Saft der Blätter gegen den Biß wilder Tiere und die Frucht mit Sauerhonig genommen als milzerweichendes Mittel. Auch im Mittelalter wurde die Wurzel als wassertreibendes, magenstärkendes und brechenerregendes Mittel, insbesondere bei Leber-, Nieren- und Milzleiden, sowie bei Gelbsucht sehr geschätzt. Tabernaemontanus-Bauhinus (Basel 1731) berichten: "Es schreibt Plinius, daß dieses Kraut so hefftig wider die Gelbsucht seye / daß wann es den Kranken anhänge / und er es nur anschaue / soll es die Geelsucht vertreiben." Experimente haben gezeigt, daß die Krappfütterung die Knochenbildung bei wachsenden Tieren günstig beeinflußt.
Wirkung
Lonicerus (Lonicerus, Kreuterbuch, 1564, S. 341 D.), Bock (Bock, Kreutterbuch, 1565, S. 185.) und Matthiolus (Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 279.) schildern die "Röte" als starkes Diuretikum, Emmenagogum, als leber-, milz-, nieren- und uterusreinigendes Mittel und als Wundtrank; äußerlich angewandt soll es "kriechende flecken", Flechten, Grind und Mäler vertreiben.
Tabernaemontanus (Tabernaemontanus, Kräuterbuch, 1731, S. 1179.) zählt folgende Indikationen auf: Ikterus, Hydrops, Dysmenorrhöe, Darmschwäche, Intermittens, Atrophie, Rachitis, verzögerte Knochenkonsolidation, Milz- und Leberkrankheiten.
Nach v. Haller (v. Haller, Medicin. Lexicon, 1755, S. 1190.) schreibt man der Krappwurzel eröffnende, emmenagoge und wundheilende Kraft zu. Er weist auf ihre Eigenschaft hin, bei Tieren nach längerem Genuß Rotfärbung der Knochen zu bewirken.
Die Rotfärbung erstreckt sich nach Hecker (Hecker, Pract. Arzneimittell., 1814, Bd. 1, S. 180.) auch auf Milch, Schweiß, Urin, Galle und Synovia. H. läßt Radix Rubiae gebrauchen bei Knochenkrankheiten, namentlich Rachitis, bei Erkrankungen der Respirationsorgane und der Harnwege, insbesondere Husten, Heiserkeit und Verschleimung der Brust, bei Amenorrhöe und dadurch entstandener Bleichsucht (mit erhöhter Sensibilität bzw. bei skrofulöser Anlage der Patientinnen), bei Ikterus, Dysenterie, Hüftweh, Gichtbeschwerden, Wechselfiebern und zur Zerteilung des geronnenen Blutes bei Kontusionen.
Gegen Rachitis und als Emmenagogum findet die Krappwurzel auch bei Hufeland (Hufeland, Enchir. med., S. 372, 414; Journal Bd. 53, I., S. 57.) Anwendung. Sein Mitarbeiter Sebastian verordnete sie bei Knochentuberkulose, namentlich wenn diese mit Rachitis verbunden war.
Wie Clarus (Clarus, Handb. d. spec. Arzneimittell., 1860, S. 1169.) schreibt, gilt die Wurzel als ein die Schleimhautsekretionen und profuse Eiterungen einschränkendes Mittel, das hauptsächlich gegen Knochenkaries verordnet wurde.
In neuerer Zeit hat sich namentlich A. Bauer (Bauer, Münchn. med. Wschr. 1924, Nr. 7, S. 206; ders., Ztschr. f. Urologie 1924, Bd. 18, H. 8.) mit dem Krapp beschäftigt; er konnte günstige Erfahrungen mit der Verordnung der Wurzel - dreimal täglich eine Tablette zu 1 g - bei Nieren- und Blasensteinen machen. Er nahm folgenden, jederzeit nachahmbaren Versuch vor: Nach Einnahme von 10 g zermahlener Krappwurzel goß er den noch frischen, warmen (sich stets rosarot färbenden!) Urin auf Blasen- und Nierenbeckensteine und konnte beobachten, daß "Bläschenentwicklung an den untersuchten Steinen und beginnende spontane Abbröckelung" auftrat. Es handelt sich dabei um Steine aus phosphorsaurem Kalk; der durch die im Krapp enthaltene Ruberythrinsäure sauer gemachte Harn soll aber auch Oxalatsteine lösen. Bauer empfiehlt, "wo immer Steinbildung in den Harnwegen festgestellt ist, der Operation regelmäßig eine Krappkur vorauszuschicken . . . und zu versuchen, die Steine durch Ruberythrinsäure aufzulösen und so auf natürlichem Wege zu entfernen".
Wegen seines Kalkgehaltes wird der Krapp von Bauer (Bauer, Beitr. z. Klin. d. Tuberkul. 1918, Bd. 39, Nr. 2, S. 132.) auch bei Tuberkulose empfohlen, wobei man mit Gaben von einer Messerspitze beginnt und diese steigert. Weiter bestätigt Bauer den Nutzen der Krappwurzel bei Rachitis und Darmschwäche; die Besserung einiger Fälle von stinkenden, chronischen Durchfällen war "geradezu verblüffend" Bei tuberkulösen Durchfällen wirkte Rubia darmberuhigend, bei tuberkulösen Darmgeschwüren schmerzstillend (Vgl. 10).).
Meyer (Meyer, Pflanzl. Therapie, 1935, S. 148.) gibt ein Rezept gegen Nierensteine an, das nur aus Rubia-Wurzelpulver besteht.
Die Volksmedizin machte von der Wurzel Gebrauch bei arthritischen Beschwerden (Schulz, Wirkg. u. Anwendg. d. dtsch. Arzneipfl., S. 239.).
Die Homöopathie (Schmidt, Lehrb. d. hom. Arzneimittell., S. 274; Stauffer, Klin. hom. Arzneimittell., S. 838.) bedient sich ihrer auch bei Milzbeschwerden und Chlorose mit hartnäckiger Amenorrhöe.
Radix Rubiae wirkt purgierend (Kobert, Lehrb. d. Pharmakother., 1908, S. 135.) und diuretisch (Vgl. 6).).
Ihre wichtigsten Bestandteile sind: Ruberythrinsäure (E. Glaser u. O. Kahler, Ber. d. Dtsch. Chem. Ges. 1927, H. 6, S. 1349.), Purpuringlykosid, Rubiadinglykosid, Alizarin und Chlorogenin (= Rubichlorsäure) (Wehmer, Pflanzenstoffe, S. 1179; Rupe, Natürl. Farbstoffe, 1900, Bd. 1, S. 210.).
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Dänemark: Zur Anregung der Funktionen von Leber, Milz und Nieren, als Emmenagogum; äußerlich gegen Flechten.
Ungarn: Gegen Leber- und Milzleiden, Gelbsucht, Hydrops, Amenorrhöe.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Rubia tinctorum ist ein Hauptmittel bei Nephro- und Cystolithiasis+), das häufig Oxalat- und Phosphatsteine zur Auflösung und zum Abgang bringt. Über die nierensteinabtreibende Kraft liegen mir einige hundert positive Berichte vor. Auch in Kliniken wurde zum Teil unter Röntgenkontrolle die gute Wirkung von Rubia verfolgt. Das besagt nicht, daß jeder Nierenstein durch Rubia abgetrieben wird. Wenn der Urin blutund eiweißhaltig ist, so versagt z. B. Rubia vielfach. Von anderen Erkrankungen der Harnorgane werden insbesondere Phosphaturie, Pyelocystitis und Enuresis nocturna günstig beeinflußt.
Schematische Darstellung der Häufigkeit der Anwendung verschiedener Heilpflanzen bei:
** missing image **Wichtig ist Rubia auch bei der Behandlung der Knochentuberkulose, der Enteritis tuberculosa sowie bei Rachitis, Skrofulose und Milzleiden. Auch bei der mit Chlorose und Anämie verbundenen Amenorrhöe kann das Mittel gute Dienste leisten.
Als Wechselmittel wird Berberis bevorzugt. Bei der Verordnung von Rubia ist stets auf das Rosa- oder Rotwerden des Urins (vgl. auch Wirkung) zu achten.
+) Beispiel für die Anwendung: 1. Fall O. J. Ministerialinspektor, 50 Jahre alt, klagte seit 1917 (im Anschluß an Erkältung als Soldat) über Nierenkoliken, als deren Ursache Nierensteine einwandfrei festgestellt waren. Als schmerzstillendes Mittel wurde Atropin. sulf. D 4 gegeben und als spezifisch wirkendes Mittel Rubia "Teep" 0 sowie Rubia Oligoplex forte. Patient konnte nach sechsmonatlicher Behandlung entlassen werden und ist seit Jahresfrist anfallsfrei.
2. Fall F. R. 24jährige Ehefrau litt seit einigen Wochen an heftigen Schmerzen im Rücken, zur Blase hinziehend, als deren Ursache Nierensteine festgestellt wurden.
Therapie: Rubia "Teep" 0, Rubia Oligoplex, zusätzlich Packungen und Umstellung der Ernährung auf rein vegetarische Kost. Nach sechswöchentlicher Behandlung ging ein mittelgroßer Stein ab und Patientin ist seit Jahren beschwerdefrei.
Angewandter Pflanzenteil:
Als Literaturstellen nennen die Wurzel als verwendet: Hecker, Geiger, Hufeland, Clarus, Dragendorff, Meyer, Schulz, Schmidt, Hager, Thoms. Nur die alten Kräuterbücher, Bock, Matthiolus, Lonicerus wissen auch von der Verwendung des Krautes zu berichten. Das HAB. schreibt zur Herstellung der Tinktur die getrocknete Wurzel (§ 4) vor. Das "Teep" wird aus den frischen Wurzeln bereitet. Erntezeit: September bis Oktober.
Radix Rubiae ist offizinell in Rumänien, Portugal und Mexiko.
Dosierung:
- Übliche Dosis:
Maximaldosis:
Rezepte:
Bei Bleichsucht:
- Rp.:
1 Teelöffel voll wiegt etwa 2,1 g. Auch ein im Verhältnis 1:100 bereiteter Tee hat einen unangenehmen Geschmack, ein Ansatz 1 : 50 ist kaum noch trinkbar.).
Bei Nierensteinen (nach Meyer):
- Rp.:
Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.