Potentilla anserina. Gänsefingerkraut. Rosaceae.
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Name: Potentílla anserína L. (= P. argentina Hudson, = Argentina vulgaris Lam., = A. anserina Rydberg, = Fragaria anserina Crantz, = Dactylophyllum anserina Spenner). Gänsefingerkraut, Silberkraut, Gänserich. Französisch: Argentine; englisch: Silverweed; italienisch: Argentina, piè de gallo; dänisch: Gaaseurt; litauisch: Sidabražole; norwegisch: Gåsemure; polnisch: Srebrnik; russisch: Gusinaja trawa; schwedisch: Gåsört; tschechisch: Nátržník, mochna lesní; ungarisch: Liba pimpó.
Weiteres Vorkommen: Arktisches Nordamerika bis Nordkalifornien v. Arizona, Grönland, Spitzbergen, Nordsibirien, Libanon, Himalaja. Australien, Tasmanien, Neuseeland.
Namensursprung: Potentilla ist vermutlich ein Diminitiv des lateinischen potentia = Macht, wohl in Bezug auf die Heilwirkung der Pflanze. Der Beiname anserina vom lateinischen anser = Gans und der deutsche Name Gänserich beziehen sich auf die Verwendung des Krautes als Gänsefutter.
Volkstümliche Bezeichnungen: Gooseblöme (untere Weser), Ga(n)skraut (Schwäbische Alb), Gänsewiß (Gotha), Gänsegrau (Erfurter Gegend), Gansbratzen (Niederösterreich), Gausetrappe (Braunschweig). Dreckkraut (Niederösterreich), Säukraut, Schwinstränzel, -krüdig, Säukrud (Gotha), Sauringel (Henneberg), Sauwühlen (Niederösterreich). Sülverkrut (Westfalen), Selwerblatt (Lothringen), Silberchrut (Schweiz). Als Mittel bei Krankheiten und in der Tierheilkunde nennt man die Pflanze Krampfkraut (bayr. Schwaben, Riesengebirge), Maukenkraut (Mauke = Pferdekrankheit) (Oberösterreich), Wiederrick (soll zum Wiederkäuen anregen) (Oberhessen). Stierlichrut (Aphrodisiakum bei Rindern) (Schweiz). Auch der lateinische Artname ist da und dort durch Vermittlung der Apotheken als Anserine (z. B. Schmalkalden) ins Volk gedrungen.
Botanisches: Das Gänsefingerkraut hat nicht wie die meisten anderen Fingerkrautarten gefingerte, sondern unterbrochen gefiederte Blätter, die eine grundständige Rosette bilden. Die Blätter sind auf der Unterseite mit silbergrauen Seidenhaaren bedeckt. Aus den Blattachseln entspringen ausläuferartige Stengel, die bis zu 40 cm lang werden können. Die sehr langgestielten Blüten stehen einzeln, haben fünf Außenkelch-, fünf Kelch- und fünf goldgelbe Kronenblätter, zahlreiche Staubgefäße (etwa 20). Die Blüten schließen sich nachts vollständig, bei schlechtem Wetter aber nur halb. Blütezeit: Mai bis Juli, vereinzelt bis in den Herbst. Die Pflanze ist außerhalb der Tropen über die ganze Erde verbreitet. Sie war ursprünglich salzliebend, zeigt aber im Binnenlande einen ausgesprochen ruderalen Charakter.
Geschichtliches und Allgemeines:
In den hippokratischen Schriften läßt sich Potentilla anserina nicht sicher nachweisen. Dioskurides wandte die verwandte Potentilla reptans u. a. gegen Diarrhöe, Dysenterie und Epilepsie an. In den meisten Kräuterbüchern des Mittelalters ist der Gänserich dagegen ausführlich behandelt, und zwar ist er unter den gleichen Indikationen auch in der heutigen Volksmedizin bekannt. In früheren Zeiten haben in den nordischen Ländern die dicken Wurzelstöcke gelegentlich als Nahrungsmittel gedient, auch die jungen Sprosse wurden als Wildgemüse gegessen und als Tee-Ersatz benutzt.
Wirkung
Wegen seiner stopfenden, zusammenziehenden und schmerzstillenden Eigenschaften wird der "Genserich" von Bock (Bock, Kreutterbuch, 1565, S. 178.) und Matthiolus (Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 350.) gegen Ruhr, Bauchflüsse, Fluor albus, Blutungen, äußerlich gegen Entzündung und Flecken der Augen, Zahnschmerzen, Glieder- und Hüftweh, Nasenbluten und als hautreinigendes Mittel gebraucht.
Osiander (Osiander, Volksarzneymittel, S. 22.) führt die Mundspülung mit Gänsekraut-Abkochung als Volksmittel bei Zahnschmerz an.
Kneipp (Kneipp, Das große Kneippbuch, S. 899, München 1935.) ist ein warmer Fürsprecher für die Anwendung bei Krämpfen. Das Kraut verdiene den Namen Krampfkraut vollkommen. Besonders gut wirke es in Milch gesotten. Er hat es bei leichteren Krämpfen aller Art, wie auch bei schweren Krämpfen wirksam gefunden. So schildert er einen Fall von Starrkrampf, bei dem er den heißen Milchaufguß so heiß, wie er vertragen wurde, in eine Zahnlücke einflößte. Er gab alle halben Stunden soviel Tee, wie er einflößen konnte, und der Krampf löste sich allmählich über Nacht. Auch Cholerakranke sollen nach ihm soviel Tee trinken, als sie vertragen können.
Schulz (Schulz, Wirkg. u. Anwendg. d. dtsch. Arzneipfl., S. 224.) nennt Intermittens, Arthritis und Hämoptoe und berichtet, daß im Weltkriege bei ruhrkranken Soldaten einer Balkan-Truppe Potentilla-Dekokte nach Ablauf des akuten Stadiums alle Nachwehen der Krankheit in besonders kurzer Zeit beseitigt haben sollen.
In der russischen Volksmedizin (A. A. v. Henrici, in Histor. Studien aus d. pharm. Inst. d. Univ. Dorpat, Bd. IV, S. 64.) werden nach v. Henrici die verschiedensten Species von Potentilla, und zwar namentlich die Wurzel, gelegentlich aber auch das Kraut, als Adstringens verwendet, also ganz ähnlich wie die Tormentilla. Im Argungebiet wurde ein Tee aus Gänsefingerkraut bei Leibschmerzen, besonders zur Zeit des Eintritts der Menstruation, getrunken. Im Gouvernement Perm wurden die Blätter gegen verschiedene Säuglingskrankheiten und Halsschmerzen gebraucht.
Künzle empfiehlt sie mit anderen Potentillaarten als Tee gegen Albuminurie (Künzle, Salvia 1921, S. 6.).
Bohn gegen Krampfanfälle des Magens, Kolikschmerzen, Eiterabsonderungen der Luftröhre, eitrigen Durchfall und Weißen Fluß (Bohn, Die Heilw. heimischer Pflanzen, S. 28.).
Nach Hauptstein (Hauptstein, Dtsch. med. Wschr. 1936, Nr. 35, S. 1417.) wurden frappante Erfolge mit Potentilla anserina bei der Behandlung von Dysmenorrhöe auf spastischer Grundlage erzielt, ferner bei Dysmenorrhöe mit hyperplastischem Uterus und mit normalem Genitalbefund. Er empfiehlt zur Nachprüfung auch die Anwendung bei Dysmenorrhöe mit krankhaftem Genitalbefund (Myom, chronischen entzündlichen Veränderungen, Lageveränderungen des Uterus). Dosis: 1-2-3 Kapseln à 0,5 g dreimal täglich, zweckmäßig 2-3 Tage vor den erwarteten Periodenschmerzen.
Die Uteruswirkung wurde auch durch Schneider und Nevinny auf Grund pharmakologischer Nachprüfung bestätigt (Schneider u. Nevinny, Zentralbl f. Gynäkol. 1933, Nr. 37.).
Die adstringierende Wirkung der Potentilla anserina ist zum Teil auf ihren Gehalt an Gerbsäure zurückzuführen (etwa 7% Tannoide) (Peyer, Pflanzl. Heilmittel, S. 32.).
Nach P. Gillot und H. Wieland konnte in der Pflanze das Tormentol, ein gesättigter Ester, nachgewiesen werden (Kroeber, Das neuzeitl. Kräuterbuch, I, 1934, S. 145.).
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Dänemark: Gegen Magenleiden, Rückenschmerzen und Weißfluß.
Litauen: Das Infus des Krautes bei plötzlichen Krampfanfällen, ferner bei Fluor albus (hier auch Vaginalspülungen).
Polen: Gegen Darmkatarrhe.
Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:
Potentilla anserina ist ein höchst wertvolles, krampfstillendes Mittel, bei dem keine unangenehmen Nebenerscheinungen zu befürchten sind. Gute Wirkung wurde beobachtet bei Diarrhöen mit Kolik, Dysenterie, Gastro- und Enterospasmen, Enteritis, Meteorismus mit krampfhafter Herzbeklemmung, Pneumo- und Enterorhagien, Blutungen, Hämoptoe und Fluor albus (hier auch in Form von Vaginalspülungen). Sehr zufrieden äußert sich Ehmig, Teplitz, über das Mittel zur Zurückbildung der Genitalien nach der Geburt und zur Kräftigung des Uterus (bei chronisch weichem, lymphgetränktem und fluorbereitem Uterus).
Ebenso wird das Gänsekraut häufig angewandt bei spasmodischen Zuständen aller Art (sogar Epilepsie und Starrsucht werden genannt), Muskel- und Wadenkrämpfen, Angina pectoris und besonders gern bei Dysmenorrhöe (Albrecht, München, erwähnte im Kolleg Dysmenorrhoea membranaceae).
Schematische Darstellung der Häufigkeit der Anwendung von:
** missing image **Angewandter Pflanzenteil:
Die Verwendung der frischenblühenden Pflanze ist in der Literatur allgemein bekannt. Das HAB. nennt die frische, blühende Pflanze ohne Wurzel (§ 3). Das "Teep" wird aus der frischen, blühenden Pflanze mit Wurzel gewonnen.
Dosierung:
- Übliche Dosis:
Maximaldosis:
Verträglichkeitsprüfung am Gesunden:
6 Prüflinge nahmen auf meine Veranlassung Potentilla anserina "Teep", von "Teep" 0 bis D 2, "Teep" D 2 verursachte keine Erscheinungen, "Teep" D 1 in einem Fall Durchfall und "Teep" 0 bei dem gleichen Prüfling Hitzegefühl im Leib.
Rezepte:
Bei Diarrhöen mit Kolik und Dysmenorrhöe:
- Rp.:
1 Teelöffel voll wiegt 1,4 g. Der Tee kann kalt oder heiß bereitet werden unter Verwendung von 1-1 ½ Teelöffel voll auf 1 Teeglas.).
Bei Nervenleiden (nach Kalkowski):
- Rp.:
Bei Angina pectoris (nach Meyer):
- Rp.:
Bei Meteorismus mit Herzbeschwerden (nach Mühlschlegel):
- Rp.:
Bei Diarrhöe (nach Dinand):
- Rp.:
Lehrbuch der Biologischen Heilmittel, 1938, was written by Dr. Med. Gerhard Madaus.